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Die Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet – und wann rechtliche Konsequenzen drohen

Wer im Eifer des Gefechts auf Facebook oder auf anderen sozialen Kanälen seine Meinung äußert und dabei kein Blatt vor dem Mund nimmt, kann sich nicht immer auf die Kunst- oder Meinungsfreiheit berufen. Neben strafrechtlichen Ermittlungen drohen sogar häufig arbeitsrechtliche Konsequenzen wie die Kündigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, wie aktuelle Gerichtsentscheidungen beweisen.

 

Ganz Deutschland diskutiert seit Tagen über den Fall Böhmermann und damit einhergehend auch die Frage, wieweit die Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit gehen darf. Doch abseits dieser Debatte um den jungen Satiriker sind in jüngster Zeit einige weitere Gerichtsentscheidungen zum so genannten Äußerungsrecht ergangen, die das zulässige Feld weiter abstecken.

Es ist wohl der aktuellen Zeit und Technik geschuldet, dass immer mehr Menschen über die sozialen Kanäle, allen voran auf Facebook ihre Meinung kundtun – und sich mittlerweile auch dafür vor Gericht zu verantworten haben. Das Internet ist eben doch kein rechtsfreier Raum, wie es jahrelang immer wieder geheißen hat.

Die Gerichte betonen immer wieder die für die Gesellschaft und Demokratieenorm wichtige Bedeutung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG).  Jeder soll grundsätzlich das Recht haben, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ wie es im Grundgesetz vorgesehen ist.

Gleichwohl kann nicht jedes Wort erlaubt sein. Die Grenzen der Meinungsfreiheit finden sich unter anderem in den allgemeinen Gesetzen wieder. Verletzt die Äußerung z.B. die Rechte eines Anderen oder erfüllt sie den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch (StGB)) in Form von Schmähkritik, so kann sich der Äußernde nicht mehr auf die Meinungsfreiheit berufen. Dies ist gegeben, wenn eine Diffamierung und Herabwürdigung des Gegenübers oder einer anderen Person erfolgt und es längst nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache geht.

Ferner gilt es, bei sich gegenüberstehenden Grundrechten eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie die Praxis im Presserecht zeigt. Hier kollidiert unter anderem das öffentliche Berichterstattungsinteresse mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des „Opfers“ nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

Was ist erlaubt? Was nicht?

So entschied gestern das Landgericht Düsseldorf (LG Düsseldorf, Urt. v. 19.04.2016, Az. 6 O 226/15), dass der frühere DFB-Präsident und ehemaliges Mitglied des Exekutivkomitees der FIFA, Dr. Theo Zwanziger das umstrittene Land Katar als „Krebsgeschwür des Weltfußballs“ bezeichnen darf. Die Klage der Qatar Football Association (QFA) auf Unterlassung dieser Aussage wies das Gericht damit ab. Zwar räumte der Richter ein, dass die Bezeichnung „Krebsgeschwür“ ein so genanntes Werturteil und letztlich eine strafbare Beleidigung im Sinne von § 185 StGB sei, jedoch wegen der anhaltenden öffentlichen Debatte über die Vergabe der Fußball-WM nach Katar durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.

„Der Vergleich der Klägerin mit einem Krebsgeschwür übersteige (noch) nicht die Grenze der Erforderlichkeit und Angemessenheit und sei keine Schmähkritik. Es habe nicht die öffentliche Diffamierung der Qatar Football Association, sondern die Rechtmäßigkeit und Überprüfung der Vergabeentscheidung für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar im Vordergrund gestanden.“
(Auszug aus der Pressemitteilung vom 19.04.2016; LG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2016, Az. 6 O 226/15)

Inwieweit ein Verband oder eine unbestimmte Personengruppe überhaupt „Opfer“ einer Beleidigung werden können, ist in der Rechtswissenschaft umstritten. Die Personengruppe muss dabei hinreichend bestimm- und überschaubar sein und auch ein Ehrgefühl entwickeln können (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2015, Az. 1 BvR 1036/14). Diskutiert wurde dies unter anderem bei einer Kollektivbeleidigung der „Cops“ und „Soldaten“. Hier hatte Theo Zwanziger den Vorteil auf seiner Seite, dass viele Politiker nachwievor eine Neuvergabe der WM fordern und die Medien über Missstände in Katar berichten. Das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwog folgerichtig.

Aber es gibt auch andere Beispiele: Üblicherweise stellen Betroffene sodann Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft wegen der fraglichen Äußerung. Die Strafgerichte haben dann im Falle der Anklage z.B. die Beleidigungsdelikte oder den Straftatbestand der Volksverhetzung zu prüfen und müssen teilweise auch einen Blick für das Medienrecht entwickeln.

So wurde Youtube-Blogger “Julien” S. vor wenigen Wochen vom Amtsgericht Tecklenburg wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung sowie zur Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro verurteilt, nachdem er in einem Youtube-Video nicht nur die GDL mit krassen Schimpfwörtern betitelte („Mistviecher“, „Drecksbastarde“), sondern andeutete, diese sogar eigenhändig nach Ausschwitz fahren zu wollen. Ein solcher KZ-Vergleich dürfte wohl in keinem Kontext zulässig sein.

Und auch der PEGIDA-Mitgründer Lutz Bachmann ist derzeit vor dem Amtsgericht Dresden unter anderem wegen Volksverhetzung angeklagt. Er soll im September 2014 auf Facebook in mehreren Kommentaren sowie auf seiner Seite Flüchtlinge beleidigt und zum Hass gegen sie angestachelt haben. Dabei sollen seinerseits Worte wie „Dreckspack“ und „Viehzeug“ gefallen sein. Durch diese Herabwürdigung der Flüchtlinge und dem Aufruf zur Gewalt gegen diese Menschengruppe könnte der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB erfüllt sein. Dabei wird wohl auch das gesamte Auftreten von Lutz Bachmann zu berücksichtigen sein, wie auch vorherige Strafverfahren gegen den „umstrittenen“ politischen Aktivisten. Ihm droht im Falle der Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Auch an das Arbeitsrecht denken!

In vielen Fällen sind nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch arbeitsrechtliche Folgen denkbar. Neben einer arbeitsrechtlichen Abmahnung steht auch die fristlose Kündigung im Raum, wenn der Arbeitnehmer durch seine – selbst im Privatleben – getätigte Äußerung das Ansehen des Unternehmens oder seiner Position im erheblichen Maße gefährdet und die weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zumutbar ist. Zu denken sind dabei an krasse Beleidigungen des Vorgesetzten oder von Mitarbeitern oder sonstige rufschädigende Handlungen.

So wurde in der Vergangenheit eine Erfurter AWO-Mitarbeiterin wegen eines fremdenfeindlichen Facebook-Postings in der Freizeit gekündigt wie auch einem 17-jährigen Azubi von Porsche, der ein Foto eines syrischen Mädchens im Regen eines Wasserwerfers mit den folgenschweren Worten kommentierte: „Flammenwerfer währe [Originalschreibweise] da die bessere Lösung„. Es dürfte klar sein, dass solche Entgleisungen nicht hinzunehmen sind. Da hilft auch die spätere Entschuldigung nur in den seltensten Fällen.

In einem anderen Rechtstreit hatte ein Lokführer der Deutschen Bahn Regio auf seinem privaten Facebook-Account ein Foto des KZ Ausschwitz mit der Bildunterschrift auf polnischer Sprache „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“ eingestellt. Da er in seinem Profil auch den Arbeitgeber ausdrücklich angegeben hatte, erklärte ihm die Deutsche Bahn daraufhin die ordentliche und außerordentliche Kündigung. Das Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 19.02.2016) befand zwar beide Kündigungen in der Sache für unwirksam, stellte jedoch klar: Das KZ-Foto im Zusammenhang mit der Bildunterschrift seien „menschenverachtend“ und weder Satire noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ferner könne sich dies zu Lasten des Arbeitgebers „ruf- und geschäftsschädigend“ auswirken. Das positive „Nachtatverhalten“ und auch die mehrjährige Angehörigkeit im Unternehmen wurden letztlich zu Gunsten des Angestellten berücksichtigt.
Die Entscheidungen machen deutlich, wieviel trotz eines kleinen Satzes im Netz auf dem Spiel stehen kann. Ein Rechtsanwalt oder Strafverteidiger sollte in jedem Fall konsultiert werden, um strafrechtliche und arbeitsrechtliche Folgen bestmöglich abzuwehren.

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Youtube-Blogger „Julien“ verurteilt – Wo sind die Grenzen der Kunstfreiheit?

Der Youtube-Blogger “Julien” S. (27) ist am Mittwoch vom Amtsgericht Tecklenburg wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung sowie Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro verurteilt worden. Zuvor hatte er in einem Youtube-Video im Mai 2015 die GDL beleidigt und einen Vergleich mit den Schreckenstaten der Nazi-Zeit gezogen.

Wer sich tagtäglich im Internet aufhält, dürfte den einen oder anderen Youtube-Blogger kennen. Diese werden zumeist dadurch berühmt, dass sie sich mit krassen oder jugendlichen Worten zu aktuellen Ereignissen an die Zuschauer wenden oder neue Spiele, Filme oder Produkte vorstellen, um auf diese Weise möglichst viele Klicks und Aufrufe zu genieren. Haben sie dann mehrere Millionen Klicks, schließt das Unternehmen hinter der Videoplattform (z.B. Google bei Youtube) üblicherweise einen Vertrag mit den Akteuren, der eine gewisse Gewinnbeteiligung (z.B. 1-2 Euro pro 1000 Klicks) vorsieht und den Blogger zu weiteren Videos animieren soll. Mit diesem virtuellen Schauspiel verdienen die selbst ernannten „Youtube-Stars“ teilweise sogar viel Geld und hoffen womöglich auf noch mehr Bekanntheit in den Medien – oder ein Interview mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Einer dieser Youtube-Blogger hat es nun aber offensichtlich im vergangenen Jahr übertrieben und musste sich nun für seine Äußerungen vor Gericht verantworten.

Denn der 27-jährige Youtube-Blogger Julien S. veröffentlichte im Mai 2015 eines seiner regelmäßigen Videos auf seinem Video-Kanal, in welchem er sich zum erneuten Streik der Gewerkschaft für Lokführer (GDL) im öffentlichen Bahnverkehr ausließ. Wohl wissend die vereinzelte Wut einiger Bahnreisenden und Pendler aufzusaugen, beschimpfte er die Verantwortlichen der GDL mit folgenschweren Worten. So bezeichnete er die Gewerkschaftler nicht nur als „Hurensohn-Armee“ und „Drecksbastarde“, was für sich genommen wohl schon die Strafbarkeit der Beleidigung nach § 185 StGB begründen dürfte, sondern zog Vergleiche zur NS-Zeit. Unter anderem meinte er „vergasen sollte man die Mistviecher” und sprach sich sinngemäß dafür aus, sie gleich selber nach Ausschwitz fahren zu wollen. Passende Bilder vom Konzentrationslager in Ausschwitz soll er dabei in dem Videoclip gleich mitgeliefert haben, der rund 800.000 Aufrufe auf der Video-Plattform innerhalb von 4 Monaten generierte. Erst dann wurde es gelöscht.

Die Kunstfreiheit und das Strafrecht

Julien, der sich gern als Videokünstler bezeichnet, lebt von seinem Video-Kanal auf Youtube mit rund 1.3 Millionen Abonnenten und soll damit laut Prozessbeobachtern rund 90.000 Euro im Jahr 2014 verdient haben. Demnach ist es längst kein Hobby mehr. Und gewiss darf er sich auch bezüglich seiner virtuellen Monologe auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und auf die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen, sowie auch jeder andere Blogger, Journalist oder Redner im Web.

Aber ist es überhaupt Kunst, in seinem vermeintlich privaten Video-Kanal über irgendwelche Nachrichten, Kinofilme oder Lippenstifte zu reden?

Die Bestimmung des Kunstbegriffs ist umstritten. Fest steht nur, dass der Staat nicht bestimmen soll, was Kunst ist und was nicht; insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrfach die Kunstfreiheit als elementaren Bestandteil der demokratischen Grundordnung bezeichnet und klargestellt, dass sie einen sehr weiten Schutzbereich genießt und nur im Rahmen der so genannten „Wechselwirkungstheorie“ von anderen Grundrechten eingeschränkt werden darf.

Dabei wendet die Rechtsprechung den so genannten „materiellen Kunstbegriff“ an, nach welchem:

„das Wesentliche der künstlerischen Entscheidung (…) die freie schöpferische Gestaltung“ ist, „in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“ (BVerfGE 30, 173, 188).

 

Schließlich schützt auch die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht jedwedes Handeln und hat ihre Grenzen spätestens da, wo die Menschenwürde anderer verletzt sein könnte. Häufig führt dies im Medienrecht zur Kollision zwischen der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, welche die Gerichte durch eine umfassende Abwägung der Rechte und Interessen im konkreten Einzelfall aufzulösen haben.

Wie verhält es sich hier? In Betracht kommen die Verletzung der persönlichen Ehre und auch der Menschenwürde der angesprochenen Mitglieder und Verantwortlichen der GDL, die der Youtube-Blogger als „Mistviecher“, „Hurensöhne“ und „Drecksbastarde“ bezeichnet hat. Mit Wortwitz hat das wenig zu tun.

Zudem gilt es beispielsweise die strafbare Beleidigung nach § 185 StGB und die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Letzteres wird regelmäßig angenommen, wenn jemand im Internet, z.B. auf Facebook:

„in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert“.
(§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Derartige Konflikte zwischen dem hohen Gut der Kunst und dem Strafrecht wurden schon 2013 bei einem Song von deutschen Rapper Bushido erörtert, der in seinen Songs auf die gewohnte Art der „Ghetto Rapper“ mehrere Politiker und Prominente angriff.

Außerdem ist bei diesem fraglichen Youtube-Clip noch an § 130 Abs. 3 StGB zu denken gewesen, indem Julien das KZ in Auschwitz und das „Vergasen“ der Opfer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus durch seine Rede gebilligt bzw. verharmlost haben könnte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Strafanzeige

Nachdem einer der Zuschauer die Strafanzeige gegen Julien wegen dessen Aussagen zur GDL bei der Polizei eingereicht und die Staatsanwaltschaft sodann die Ermittlungen aufgenommen hatte, erließ das Amtsgericht Tecklenburg kürzlich einen Strafbefehl wegen der begangenen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB mit einer Bewährungsstrafe nebst Geldauflage in Höhe von 14.000 Euro. Der 27-Jährige Blogger konnte sich damit nicht abfinden und erhob Einspruch, woraufhin das Amtsgericht Tecklenburg die Hauptverhandlung eröffnete und Julien am vergangenen Mittwoch nach einer mehrstündigen Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung und Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro verurteilte. Ob er hiergegen Rechtsmittel einlegen wird, ist derzeit unklar.

Der angeklagte Blogger versuchte sich anfänglich noch vor Gericht damit zu rechtfertigen, er spiele nur eine Art „Rolle“, und wollte auf andere prominente Schauspieler und Komiker hinweisen, die ebenfalls öffentliche Witze über die „Nazis“ und Hitler machten, wie z.B. Christoph Maria Herbst als Stromberg. Der Richter folgte dieser Argumentation jedoch nicht und kritisierte darüber hinaus das fehlende Unrechtsbewusstsein des Youtube-Bloggers, der bekanntermaßen mit seinen Videos auf sich Aufmerksam machen will.

Ein gerechtes Urteil?

Sind die Bewährungsstrafe nebst Geldstrafe für strafrechtlich relevante Aussagen in einem Internet-Video gerecht?

Die Entscheidung ist zu befürworten und sollte wohl ein Zeichen setzen. Nicht jedes Wort eines Komikers oder selbst ernannten „Youtube-Stars“ kann unter dem Deckmantel der „Kunstfreiheit“ für rechtlich zulässig erachtet werden. Mag jeder Zuschauer oder Leser einen anderen Humor haben und auch Hitler-Parodien wie jüngst mit dem Roman und anschließenden Kinofilm „Er ist wieder da“ noch als derbe oder grenzwertige Kunst bezeichnet werden, ist der Blogger Julien mit seiner gewählten Wortwahl deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Auch sein angebliches Argument, er wisse nicht, dass NS-Witze strafbar seien, kann wohl in der heutigen Zeit kaum greifen.

Im Gegensatz zu Schauspielern oder Komikern wie ein Christoph Maria Herbst oder Michael Kessler als „Hitler“ in der Satire-Sendung von Pro7 – Switch, die durch Übertreibungen der Nachahmung klar erkennbar als Satire wirken und auch selbst dann nicht mal im Entferntesten die Schreckenstaten in den KZs ansprechen, ist und bleibt ein Youtube-Star eine eher unbekannte Privatperson, die auch entgegen anderslautender Wahrnehmung gerade keine „Schauspielrolle“ einnimmt. Und auch der Vergleich mit dem umstrittenen Künstler Jonathan Meese hinkt, der sich wegen eines „Hitler-Grußes“ im Rahmen von Kunstausstellungen und Auftritten strafrechtlich verantworten musste.

Schließlich stellen diese Schauspieler und Künstler klar erkennbar eine fremde Person oder übertriebene Rolle bei öffentlichen Auftritten dar. Bei den Youtubern entsteht hingegen vielmehr der Eindruck, dass die Videos im privaten „Kinderzimmer“ alleine gedreht werden und so ein privater, tiefer Einblick in die Wohnung und Seele des Redners gewährt wird. Sie spiegeln offenkundig die persönliche Meinung des Autors wider. Vor Allem jüngere Zuschauer und Mitglieder in den sozialen Netzwerken dürften die Youtuber deshalb als private Persönlichkeiten oder „Bekannte“ ansehen und nicht als Schauspieler. Zumal die Videos im Gegensatz zu Filmen oder TV-Serien mit wenigen Klicks geteilt und ständig erneut angeschaut werden können und in den wenigsten Fällen Schutzvorkehrungen wie z.B. den Vorgaben der FSK hinsichtlich der Alterseinschränkungen unterliegen.

Vor diesem Hintergrund ist diese Verurteilung eine annehmbare Entscheidung des Gerichts.

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Task Force zur Bekämpfung von Hassbotschaften und Hetze im Internet stellt erste Maßnahmen vor

Der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellte gestern ein Ergebnispapier der so genannten Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet zur Bekämpfung von fremdenfeindlicher Hetze in den sozialen Netzwerken vor. Die sich der Task Force angeschlossenen Unternehmen wie Facebook, Youtube und twitter und die prominenten Organisationen werden zukünftig stärker zusammenarbeiten und zahlreiche Maßnahmen treffen. So sollen gemeldete Beiträge schneller kontrolliert und gegebenenfalls innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden.

 

Die im September dieses Jahres gegründete Arbeitsgruppe von Bundesjustizminister Heiko Maas verfolgt das Ziel, Hetze und Hass gegen Ausländer im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder auf Youtube und twitter stärker strafrechtlich zu verfolgen und tatsächlich einzudämmen. Trotz medienwirksamer Ermittlungsverfahren und strafrechtlicher Verurteilungen in jüngster Zeit nahmen Beleidigungen und Fremdenhass auf Facebook und twitter spätestens mit der Flüchtlingskrise im deutschsprachigen Web rasant zu. Die teils überforderten Ermittlungsbehörden und Betreiber der Internet-Portale stehen folgerichtig seit Wochen unter starkem Beschuss der Politik. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich persönlich mit Facebook-Kopf Mark Zuckerberg am Rande einer UN-Versammlung in New York wegen dieser Problematik.

Nun konnte Heiko Maas das langersehnte Ergebnis der Gespräche und Planungen seiner Task Force der Öffentlichkeit präsentieren. So sieht das Konzept vor, dass sich die der Arbeitsgruppe angeschlossenen Internet-Anbieter Facebook, YouTube und twitter zukünftig noch stärker um die Löschung von Fremdenhass auf ihren Internet-Angeboten bemühen und gemeinsam mit weiteren Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen näher zusammenzuarbeiten wollen, um ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz zu setzen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche bekannte Verbände / Organisationen wie die „Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSM), jugendschutz.net, klicksafe und eco – der Verband der Internetwirtschaft e.V. Einige dieser Organisationen bemühen sich seit Jahren – mehr oder weniger erfolgreich – im Jugendschutz hierzulande um die so genannte „freiwillige Selbstkontrolle“ bzw. Selbstregulierung durch die Anbieter.

Nun also gibt es erstmals „auf Papier gedruckte“ Lösungsansätze. Obgleich die Nutzungsbedingungen der drei Unternehmen aus den USA die Löschung von strafbaren Beleidigungen und Fremdenhass in Kommentaren und Beiträgen ohnehin schon seit geraumer Zeit vorsehen, soll sich zukünftig die Bearbeitung von gemeldeten Beiträgen näher an dem deutschen Strafrecht, genauer an dem Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB orientieren. Hierfür sollen weitere Mitarbeiter in den Unternehmen eingestellt bzw. mit der Prüfung von Hassbotschaften beauftragt werden, um zügiger auf die Beschwerden zu reagieren.

Konkret lauten die neuen Vorgaben:

„Rechtswidrige Inhalte werden unverzüglich nach Inkenntnissetzung entfernt; die Mehrzahl der gemeldeten Inhalte werden in weniger als 24 Stunden geprüft und, falls erforderlich, entfernt.“

Dies war in jüngster Zeit häufig an Facebook kritisiert worden, denn teilweise wurden gemeldete Beiträge nicht oder nur mit zeitlichem Abstand entfernt. Facebook selber begründete diese Ungenauigkeit (unter vorgehaltener Hand) mit den sprachlichen Schwierigkeiten der zuständigen Mitarbeiter, die zumeist aus Dublin agieren, und zusätzlich mit der Fülle an täglichen Meldungen und Support-Anfragen.

Möglicherweise hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg aus diesem Grund auch strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Anstiftung zur Volksverhetzung gegen mehrere Manager von Facebook eingeleitet und so die Verantwortlichen unter Zugzwang gesetzt.

Die richtigen Schritte

Das knapp 5-seitige Ergebnispapier beinhaltet unter anderem folgende Lösungsansätze:

  • Die der Task Force angeschlossenen Unternehmen werden zukünftig technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um noch besser auf Beschwerden und Beanstandungen von fremdenfeindlichen (rechtswidrigen) Inhalten zu reagieren und diese zügig – in der Regel – innerhalb von 24 Stunden zu löschen.
  • Die Richtlinien der Unternehmen sollen noch transparenter werden und deutlich darauf hinweisen, dass rechtswidrige Inhalte mit Fremdenhass und Hetze überprüft und geeignete Maßnahmen hiergegen ergriffen werden wie z.B. das Löschen dieser Inhalte oder die Sperrung von Nutzerkonten.
  • Auch wollen die Unternehmen und Organisationen zukünftig die Zivilcourage der Mitglieder unterstützen und sich gegen Fremdenhass und Diskriminierung von Minderheiten einsetzen. Sie werden daher die Gegenrede („Counter Speech“) als offene und respektvolle Kommunikationskultur auf Grundlage einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe aktiv aufgreifen und stärken.
  • Die sich der Task Force unterworfenen Unternehmen und Organisationen versprechen nicht nur einen stärkeren Informationsaustausch untereinander, sondern werden darüber hinaus gemeinsam Informationen und insbesondere einen Leitfaden zum Thema „Hate Speech“ in den sozialen Netzwerken erarbeiten.

Die Meinungsfreiheit als wesentliche Grundlage der Gesellschaft

Gleichwohl betonten alle Mitwirkenden die elementare Bedeutung der Meinungsfreiheit und freien Meinungsäußerung für die vollständige Entwicklung der Persönlichkeit eines jeden Einzelnen als wesentliche Grundlage der freien und demokratischen Gesellschaft. Hierzu gehören natürlich auch verschiedene politische Ansichten. Um nicht der Gefahr zu laufen, sich eine Art der Internet-„Zensur“ vorwerfen zu lassen, sollten Facebook, Youtube und twitter gut daran tun, nicht jedes beanstandete Wort zu löschen, sondern weiterhin unter Achtung der geltenden Gesetzeslage auch ungeliebte Meinungen und krasse Aussagen zuzulassen. Auch die Internet-Demokratie muss dies aushalten können. Hingegen würde eine Überregulierung oder auch Klarnamenpflicht im Internet über das Ziel hinausschießen.

Nichtsdestotrotz ist damit zu rechnen, dass die geplanten Änderungen der Task Force sehr bald erste wahrnehmbare Ergebnisse bringen. Schließlich haben alle Akteure ein großes Interesse daran, Hassbotschaften und Diskriminierung zu bekämpfen und einen toleranten, fairen Umgang miteinander zu fördern. Dies spielt gewiss auch Facebook und Co. in die Karten, die als Anbieter unter negativer Publicity als Plattform für „Hassbotschaften“ und „Hetze im Internet“ in der Vergangenheit herhalten mussten.

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Hassbotschaften und Volksverhetzung auf Facebook – Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen Facebook-Manager

Facebook bietet seinen angemeldeten Nutzern als größtes soziales Netzwerk der Welt eine scheinbar unbeschränkte Plattform der Selbstdarstellung und Meinungskundgabe. Und grundsätzlich ist dies auch im Verständnis der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland zu begrüßen, die Jedermann das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zuspricht. Die Grenze zwischen der zulässigen Meinungsfreiheit und der unzulässigen Meinungsäußerung, beispielsweise bei der strafbaren Beleidigung (§ 185 StGB) bzw. Schmähkritik ist teilweise schwierig zu ziehen und hängt vom Einzelfall ab. In der Rechtsprechung gibt es bislang tausende Entscheidungen hierzu.

Aber: Die Beleidigung und die Volksverhetzung (§ 130 StGB) fallen ganz klar aus diesem großen Schutzbereich heraus und werden bei krassen Fällen im Internet regelmäßig strafrechtlich von der Staatsanwaltschaft verfolgt, auch wenn der mutmaßliche Täter nicht immer ermittelt oder belangt werden kann.

Facebook hat eine soziale Verantwortung

Seit einiger Zeit wird bereits in der deutschen Politik über die so genannten „Hassbotschaften“ auf Facebook diskutiert. So forderten Justizminister Heiko Maas, aber auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst mehrfach die US-amerikanischen Betreiber des bekanntesten sozialen Netzwerks oder Mark Zuckerberg persönlich auf, sich diesen Problemen anzunehmen und Hassbotschaften und Beiträge bzw. Fansites mit der Intention der Volksverhetzung zu löschen, jedenfalls schneller als bislang bei der Prüfung zu reagieren. Denn angesichts der zunehmenden Anzahl der Flüchtlingscamps und der in einigen Kreisen der Bevölkerung auch sinkenden Akzeptanz der „Willkommenskultur in Deutschland“, gewinnt die Thematik rasant an Fahrt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Fansites und Gruppen, die unter dem Deckmantel der vermeintlichen Meinungsfreiheit fremdenfeindliche Beiträge publizieren, mit vielen Anhängern teilen oder sogar zu Gewalttaten gegen Ausländer oder Minderheiten aufrufen.

Dabei habe Facebook eine soziale Verantwortung, wie Maas in der TV-Sendung „Günther Jauch“ abermals bekräftigte. Eine Strafbarkeit sehe er allerdings nicht.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen Facebook

Nun hat die Staatsanwaltschaft Hamburg, laut Medienberichten (SPON), ihrerseits Ermittlungen gegen drei Manager von Facebook wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufgenommen. Das Interessante an der Geschichte ist, dass es sich hierbei um drei Manager der in Hamburg ansässigen Facebook Germany GmbH handeln soll. Die Personen sind der Geschäftsführer oder Vertreter der deutschen Firma, die eigentlich nur als Büro in Deutschland die Werbung und Akquise regelt. Eine Rechtsabteilung besitzt die Facebook Germany GmbH nicht, sondern rechtliche Streitigkeiten und sonstige juristische Angelegenheiten werden an die Facebook Ltd. in Dublin, Irland oder gar in die USA zum Hauptsitz verwiesen.

So soll ein Würzburger Anwalt Anzeige erstattet haben wegen des Verdachts der Volkshetze, da das Unternehmen in seinen Augen nicht korrekt mit der Beanstandung von fremdenfeindlichen Inhalten umgeht und richtet sich damit gegen die deutsche Firma. In seiner Anzeige heißt es demnach: „Die Facebook Germany GmbH fördert somit die Verbreitung von volksverhetzenden, strafbaren Inhalten durch Handlungen in Deutschland ausgehend vom deutschen Unternehmenssitz in Hamburg“.

Die Kritik richtet sich dabei an dem Umgang mit gemeldeten Beiträgen durch Mitglieder. So steht es allen facebook-Nutzern zu, unangemessene Beiträge, z.B. Fotos, Verlinkungen oder geteilte Inhalte zu melden. Daraufhin werden, mutmaßlich in Handarbeit, alle Beiträge durch Mitarbeiter des Konzerns geprüft und gegebenenfalls innerhalb von 24 Stunden entfernt. Gelangt der Prüfer jedoch zum Ergebnis, der Beitrag stelle keine Rechtsverletzung dar oder sei noch zulässig, passiert nichts. Nach den Beobachtungen des Würzburger Anwalts wird nämlich nur ein Bruchteil der beanstandeten Inhalte tatsächlich gelöscht, hingegen bleibt ein Großteil weiterhin im Netz. Inwiefern diese Angaben stimmen, lässt sich nicht überprüfen.

Schwierigkeiten der rechtlichen Kontrolle

Dies mag auch daran liegen, dass nicht jeder Prüfer ein ähnliches rechtliches Verständnis der deutschen Rechtslage zur Meinungsfreiheit bzw. dessen Grenze hat und wohlmöglich auch ein anderes Empfinden für Fremdenhass. Möglicherweise fehlt es auch an der Zeit, jede Beanstandung umfangreich zu prüfen, möglicherweise ist auch nicht jeder der deutschen Sprache mächtig. Und vielleicht sind wir in Deutschland auch übersensibilisiert bei dieser Debatte. Daher lässt sich kein Ergebnis – der strafrechtlichen Ermittlungen der StA Hamburg – voraussagen, obgleich die Konstruktion schon etwas ungewöhnlich ist.

Allerdings entsteht so ein kurioses Bild. So sollen laut Aussagen einiger Medienbeobachter von Facebook zwar Fotos mit angedeuteten „Nippeln“ von nackten Frauen, selbst wenn es sich dabei um eigene Fotos vom Fotoshooting als Models handelt, sofort gelöscht werden, hingegen Hasspredigen und fremdenfeindliche Parolen aus der rechten Szene oftmals tagelang bei Facebook durch eine Vielzahl an Profilen umherschwirren oder stehen bleiben.

Man muss selbstverständlich berücksichtigen, wie viele Beiträge und Fotos tagtäglich wohl als unangemessen gemeldet werden und die Mitarbeiter von Facebook beschäftigen, zumal es sich bei politischen oder gesellschaftlichen Meinungsäußerungen oftmals um grenzwidrige Fälle handelt, die der „Otto-Normal-Bürger“ gewiss unterschiedlich einstuft. Das kennen wir ja bereits von Songtexten von Bushido oder anderen „Gangsta-Rappern“, bei denen selbst die deutschen Gerichte uneins waren im Hinblick auf die Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit der Musiker.

Alles nur ein PR-Gag?

Ob und inwiefern die „Klarnamen-Pflicht“ für Mitglieder, auf die Facebook trotz juristischer Bedenken hierzulande hinarbeitet, daran etwas ändern vermag oder stärkere Kontrollen oder sogar ein Wort-Filter Abhilfe leisten könnten, sei an dieser Stelle einmal offen gelassen. Und bei zu viel Kontrolle und Löschungen heißt dann wieder der Vorwurf „Zensur bei Facebook!“.

Eines dürfte aber jetzt schon klar sein: Facebook wird sich der Kritik stellen müssen, vielleicht aber auch deswegen bald wieder einmal mit – aufregenden – Neuerungen und PR-Kampagnen die Mitglieder und Leser überraschen, wenn nicht sogar überrumpeln.

Apropos PR-Kampagne – Es steht natürlich auch noch der Gedanke im Raum, der Würzburger Anwalt, über den heute alle reden, hat bei dieser Anzeige mehr als nur die Strafverfolgung im Auge. Wollen wir hoffen, dass dem nicht so ist.