Seit rund 3 Jahren haben die Gerichte hierzulande über die rechtliche Zulässigkeit von so genannten Dashcams in Autos, also festinstallierten Kameras auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe mit Blick auf den vorherfahrenden Straßenverkehr, zu entscheiden. Doch während die bekannten Automobilhersteller mit Rückfahrkameras, automatischer Einpark-Hilfe und Zukunftsvisionen der selbstfahrenden Fahrzeuge werben, streiten sich Juristen über den Einsatz dieser Minikameras.
Denn das durchgehende Filmen im Straßenverkehr kann gleich in mehrfacher Hinsicht rechtlich bedenklich sein. Die Aufnahme von Fahrzeugen und dessen Autokennzeichen sowie möglicherweise auch deren Fahrern betrifft das Datenschutzrecht sowie grundsätzlich auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Schließlich zeichnet die Dashcam auf diese Weise personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) auf, die durch diesen technischen Vorgang auch sodann erhoben, gespeichert und gegebenenfalls auch durch das Hochladen (z.B. auf youtube im Internet) an Dritte übermittelt werden können. Außerdem kann die Vorschrift des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG – also die „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung)“– bei diesem Thema von Relevanz sein.
Und unabhängig des Datenschutzrechts steht jedem das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu, welches auch das Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt. Danach steht es jedem selbst zu, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestimmen zu können. Und selbst in der Öffentlichkeit sollte Niemand damit rechnen müssen, durch eine andere Privatperson und in seinem eigenen Bewegungsablauf ohne Einwilligung und Kenntnis hiervon gefilmt zu werden. Zudem betrifft dies ja nicht nur andere Autofahrer, sondern es können ja auch Passanten und Fußgänger an Kreuzungen oder beim Einparken aufgenommen werden. Anders als bei etwaigen Bodycams der Polizei liegt bei dem privaten Gebrauch von Dashcams aber die Macht über die Wiedergabe des Bildmaterials bei der Privatperson, die jeweils unterschiedliche Interessen damit verfolgen könnte.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hält das dauerhafte Filmen des Straßenverkehrs für unzulässig und viele Datenschützer stimmen ihr zu.
Gleichwohl soll nicht verheimlicht werden, dass auf der anderen Seite der Einsatz von Dashcams auch berechtigte Interessen begründen mag, denn beispielsweise können die Aufnahmen als Beweismittel in einem Rechtsstreit oder im Strafverfahren z.B. wegen eines Verkehrsunfalls eingesetzt werden, wenn sie den Unfallhergang und etwaiges schuldhaftes (oder strafrechtlich relevantes) Handeln der Fahrer aufzeigen. Gleiches gilt für Bußgeldverfahren. Und auch die Versicherungsunternehmen freuen sich über eine solche Aufklärungshilfe bei der Bestimmung des Verschuldens des Unfalls, weswegen sie dem Kunden möglicherweise Rabatt bei den Versicherungsprämien gewähren könnten im Falle dessen Installation.
Aber auch für gewerbliche oder selbstständige Fahrer, Taxi-Unternehmen und Lieferanten ist eine interne Überwachungskamera sehr interessant. Hier entstehen riesige wirtschaftliche Schäden mit noch größeren juristischen Folgen durch Verkehrsunfälle während des Transports oder der Auslieferung von Kunden oder Ware. In vielen Fällen stellen sich dann auch gleich interne Fragen der Haftung durch Mitarbeiter und deren Selbstbeteiligung am Schaden. Aber auch bei der Aufklärung von Straftaten oder Vandalismus am Fahrzeug mag eine Filmaufnahme nützlich sein, sofern sie dann aktiviert ist. Allenfalls bleibt es jedoch bei der nicht zu unterschätzenden Abschreckungswirkung.
Videobilder als Beweis im Gerichtsverfahren?
Ob die Aufzeichnungen der Dashcam jedoch als Beweismittel im Zivilprozess (und Strafprozess) zulässig sind, beurteilen die Gerichte noch uneins. Von entscheidender Bedeutung soll es sein, ob die Dashcam„anlasslos“ durchgängig filmt oder nur „anlassbezogen“ z.B. einen kurzen Moment vor dem erwarteten Unfall aktiviert wird. Die damit einhergehende Breitenwirkung der ständigen Aufzeichnung großer personenbezogener Daten gilt es demnach zu berücksichtigen. Eine wahllose, systematische Überwachung des Straßenverkehrs durch die fortdauernde Aufzeichnung lässt Bewegungsprofile anderer Personen und eine unbändige Datenansammlung entstehen.
Das Amtsgericht Nienburg (AG Nienburg, Urteil vom 20.01.2015, Az. 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14) ließ trotz dieser Bedenken die Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung im Strafverfahren zu mit der Begründung:
„Im Rahmen einer Gesamtschau überwiegt bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Angeklagten das allgemeine Interesse an der Effektivität der Strafverfolgung“.
Und das Landgericht Landshut (LG Landshut, Az. 12 S 2603/15) erkennt unter dem konkreten Umstand der wahllosen Aufzeichnung bei gleichzeitiger durchgehender Überschreibung der Filmaufnahmen keinen gravierenden Grundrechtseingriff:
„Abgesehen davon sind die vom Kläger verursachten Grundrechtseingriffe geringfügig. Das laufende Filmen von Auto aus erfolgt wahllos und ohne bestimmte Absicht. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofiten findet nicht statt. Die Filmaufnahmen werden, soweit es nicht zu einem Unfall kommt, immer wieder überschrieben.“
Das Landgericht Heilbronn (LG Heilbronn, Urteil vom 3.2.2015, Az. I 3 S 19/14) entschied hingegen gegenteilig und sah das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung für überwiegend an und lässt die Filmaufnahme nicht als Beweismittel zu und macht deutlich:
„Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die hier vorgenommene, permanente Aufzeichnung mit der Videokamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird.“
Zudem verstoße die Aufzeichnung gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG, §§ 22 S. 1 KUG, so das Gericht, das folglich auch ins Datenschutzrecht schaute, jedoch keine „Erlaubnis“ nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG annahm.
Gesetzliche Regelungen werden gefordert
Auf dem 54. Verkehrsgerichtstag vergangener Woche in Goslar forderten die Experten eine klare gesetzliche Regelung zum Einsatz von Dashcams und befürworteten grundsätzlich angesichts des offenkundigem Beweisinteresses die Verwendung der Minikameras in Autos. Allerdings machten sie eine gewisse Einschränkung: Es sollte nur eine anlassbezogene Aufnahme erfolgen, also beim unmittelbaren Bevorstehen eines Unfalls.
Für diese möglicherweise juristisch korrekte, aber wenig praxistaugliche Lösung erntete das Expertengremium viel Kritik. Denn in welchen Moment liegen diese Voraussetzungen vor und wie soll der Fahrer wenige Sekunden vor einem möglichen Zusammenstoß mit einem anderen Autofahrer noch die Dashcam aktivieren? Würde das nicht sogar die Sicherheit und Gesundheit des Fahrers gefährden?
Dabei kommen einige technische Lösungen mit unterschiedlicher Praxistauglichkeit in Betracht:
- Die Minikamera könnte verplombt oder die Aufzeichnung verschlüsselt sein und z.B. nur von der Polizei oder bestimmten (amtlichen) Personengruppen ausgewertet werden. Fraglich ist allerdings, ob solche Zugangsbarrieren nicht ohnehin übergangen werden könnten.
- Die Dashcam ist mit der Elektronik des Fahrzeugs und etwaigen „distance control“- Systemen verbunden und aktiviert sich nur bei geringer Distanz zu einem anderen Verkehrsteilnehmer. Allerdings würde diese Variante von sehr vielen technischen Faktoren abhängen und eventuell fehlerhaft aufzeichnen. Auch wären Besitzer von älteren Fahrzeugen benachteiligt.
- Auch könnte die Speicherdauer so angelegt sein, dass die Kamera nur wenige Minuten filmt und den Speicher immer wieder überschreibt, so dass sich nur ein sehr kurzer Zeitraum rückwirkend wiedergeben lässt.
- Die Kamera besitzt eine Software, die Gesichter und bestimmte personenbezogene Daten, wie das Autokennzeichen „sperrt“, wie es z.B. von Google Streetview vormacht. Aber dann wäre der Beweiswert der Bilder erheblich verringert.
- Das Sichtfeld der Kamera könnte seitlich und in der Ferne begrenzt werden, um so auszuschließen, dass Schriftzüge und Personengesichter seitlich des Fahrzeugs von der Kamera erfasst werden.
- Der Fahrer kann die Kamera am Lenkrad oder per Sprachsteuerung aktivieren, wenn er einen Zusammenprall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer befürchtet. Allerdings müsste dies in wenigen Sekunden erfolgen und ist abhängig vom menschlichen Eingreifen, was wohl bedenklich wäre.
- Die Dashcam ist zwar durchgängig aktiv, aber zeichnet erst auf, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Unfall vorhersieht. Inwieweit dies technische Programme berechnen und umsetzen können, sei mal dahingestellt. Aber denkbar wäre es in wenigen Jahren.
- Auch könnte die kleine Kamera beispielsweise erst bei einem Zusammenstoß oder bei einer plötzlichen Geschwindigkeitsreduzierung aktiviert werden. Dann wäre aber der vorherige Ablauf nicht auf dem „Band“, was zur Verringerung des Beweiswerts führen würde.
Die meisten dieser Lösungsansätze dürften wenig erfolgsversprechend und selbst bei gutem Willen nicht umsetzbar sein – ganz zu schweigen von technischen Unwägbarkeiten.
In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: Die eigenen Aufzeichnungen sollten in keinem Fall online veröffentlicht werden dürfen und bestenfalls nach einer gewissen Dauer gelöscht bzw. automatisch überschrieben werden, falls der Unfall ausbleibt. Wegen dieser unklaren Rechtslage rät der Rechtsanwalt Andreas Krämer von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) vom Veröffentlichen der Filmaufnahmen im Internet oder in anderen Kreisen ab. Andernfalls drohen dem Dashcam-Besitzer zivilrechtliche Ansprüche des Abgebildeten, die vom Unterlassen bis hin zum Schadensersatz reichen könnten. Zweifelsfrei mag dies viele nicht davon abhalten, „lustige“ oder skurrile Crashvideos bei youtube zu veröffentlichen. Dann greifen aber die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche. In der Regel bleibt es wohl beim Sperren bzw. Löschen des Videos.
Eine Zukunftsvision – Die Technik regelt es schon
Doch könnte sich mit zunehmender technischer Entwicklung das Problem bald von selbst gelöst haben. Wenn also intelligente Fahrzeuge und Überwachungssysteme mögliche Unfälle schon vorher, anhand von Bewegungen und Fahrlinien der Verkehrsteilnehmer berechnen können, wie es derzeit schon bei einigen großen Automobilherstellern bei „Ausweichassistenten“ getestet und erfolgreich eingesetzt wird, dann stellt sich jedoch die Frage, ob die Diskussion über die Zulässigkeit von Dashcams überhaupt noch geführt werden muss oder die „intelligenten“ Fahrzeuge nicht gleich den Zusammenstoß von Verkehrsteilnehmern durch Ausweichmanöver und Bremsen verhindern können. Autonomes Fahren und Fahrerassistenzsysteme könnten dann die Anzahl an Autounfälle erheblich verringern. Solch Szenario wirft selbstverständlich viele Fragen auf. Und für eine rechtliche Neubewertung derartige Zukunftsvisionen muss ein einheitlicher Weg gefunden werden, was offensichtlich nur auf europäischer Ebene möglich erscheint. Aber dort steht ja erst einmal die neue EU Datenschutz-Grundverordnung an, während hingegen zivilrechtliche Aspekte eher nur mittelbar Einfluß ausüben dürften.
Und etwas Gutes könnte eine Welt „voller“ Dashcams auch haben: Das Fahrverhalten der einzelnen Verkehrsteilnehmer dürfte sich nachhaltig positiv verändern, wenn nämlich jedermann wissentlich des wachenden Auges hinter sich bewusst vorsichtiger und regelkonform fährt – aber dies ist wohl auch wieder nur eine Zukunftsvision.