BILD-Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ ist zulässig – Der BILD-Pranger verletzt keine Rechte der Betroffenen

Die BILD darf Profilfotos und Facebook-Beiträge von so genannten „Hetzern“ mit Klarnamen online und auch in der Printausgabe der Zeitung veröffentlichen. Dies entschied das Landgericht München I im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Antragstellerin sei nach Auffassung des Gerichts nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Auch läge kein Verstoß gegen das Urheberrecht vor. Dies wirft einige rechtliche Fragen auf, die es wert sind, sich näher damit zu beschäftigen.

Der Axel Springer Verlag hat in diesen Tagen gut lachen, gewann das Berliner Verlagshaus doch in den letzten Wochen gleich in mehreren medienwirksamen Rechtstreitigkeiten für das Zugpferd „BILD“ vor Gericht. So entschied jüngst das LG Hamburg in dem Rechtstreit der „BILD“ gegen den Werbeblocker adblock Plus, dass dem Anbieter aus dem Hause der Eyeo GmbH untersagt werde, die Sperre unter www.bild.de durch technische Programme zu umgehen. Die einstweilige Verfügung sieht vor, dass dem Anbieter die Verbreitung der Anleitung zur Umgehung der Adblocker-Sperre der Internetseite der BILD sowie auch die Verbreitung von Filterlisten untersagt werde. Diese einstweilige Verfügung wurde nun bestätigt.

Und vor wenigen Tagen erreichten die Anwälte der BILD-Zeitung – jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – einen weiteren vorläufigen Sieg vor Gericht. Denn das LG München I entschied (LG München I, Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15), dass die BILD mit der Kampagne „Bild stellt die Hetzer an den Pranger“ auf ihrem Online-Angebot unter www.bild.de sowie in der Printausgabe nicht gegen das geltende Recht verstoße. Die Antragstellerin sei demnach nicht in Ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und ebenso sei keine Urheberrechtsverletzung begangen worden, soweit das Gericht dies im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt zu prüfen vermochte.

Landgericht München I
Das Landgericht München I entschied

Die Antragstellerin war – wie 39 andere Personen auch – mit ihrem Foto und auf Facebook veröffentlichten Kommentar (Beitrag) in der BILD sowie auch online unter www.bild.de abgebildet worden im Rahmen der genannten BILD-Kampagne, nachdem sie sich vorher öffentlich in der hitzigen Diskussion um Flüchtlinge in Deutschland beteiligt hatte. Dabei sind „grenzüberschreitende Ausdrücke“ der jungen Frau gefallen, wie wir tagtäglich in den sozialen Netzen beobachten und lesen können. Solche fremdenfeindlichen Äußerungen im Internet und insbesondere die Hetze gegen Flüchtlinge nahm die BILD sodann vor wenigen Wochen zum Anlass, einige krasse Aussagen aufzugreifen und 40 Personen beispielshaft „an den Pranger“ zu stellen.

Diese Form der Berichterstattung der BILD wirft viele juristische Fragen aus dem Medienrecht auf, welche den Fall so interessant erscheinen lassen. Es ist durchaus vorstellbar, dass ein etwaiges Hauptsacheverfahren tiefergehende Überlegungen zutage bringen würde (wird), und die möglicherweise zu einem anderen Urteil führen werden.

Einige Rechtsfragen seien an dieser Stelle einmal aufgeführt und kurz angerissen. Das Gericht hat nicht all nachstehende Rechtsfragen zu klären, beschränkt es sich mehr oder weniger im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht auf die zivilrechtlichen Aspekte.

Verstößt die Verbreitung des Fotos der Abgebildeten gegen das Recht am eigenen Bild nach §§ 22, 23 KUG? und somit gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) umfasst in seiner Ausprägung auch grundsätzlich das Recht am eigenen Bild, das seinen Schutz in §§ 22, 23 KUG wiederfindet.

Nach diesen Vorschriften ist es unzulässig, Bildnisse zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen, sofern es an der Einwilligung des Abgebildeten oder einer Ausnahme nach § 23 I KUG fehlt. Denn eine Einwilligung des Betroffenen bedarf es dann nicht, wenn es sich beispielsweise um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt oder die abgebildeten Personen nur ein Beiwerk neben einer Landschaft oder Öffentlichkeit bei einer Versammlung darstellen.

Ob die betroffene Facebook-Nutzerin nun hier eine (absolute oder relative) Person der Zeitgeschichte ist, mag sicherlich diskutabel sein. Vermutlich ist diese junge Frau erst durch diese Aktion zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, wenn „halb“ Deutschland ihr Foto in der BILD sieht und ihre Aussage diskutiert. Aber einerseits ist diese Rechtsfigur der „relativen Person der Zeitgeschichte“ wohl in den Hintergrund getreten (Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.2008, Az. 1 BvR 1602/07, Anders aber: BGH, Urt. v. 08.04.2014, Az. VI ZR 197/13 – Mieterfest) und zum anderen war sie es wohl nicht, bevor und während die Redaktion der BILD den Screenshot erstellte und später publizierte. Derweil sich nach Vorgabe des EGMR diese Ausnahmevorschrift nur auf „public figure“ als Personen der Öffentlichkeit beschränkt wie z.B. Politiker oder hochrangige Amtsträger (Vgl. EGMR, Urt. v. 07.02.2012, Az. 40660/08; 60641/08). Promis und selbst Politiker in klar erkennbaren privaten Situationen wie z.B. am Strand beim Spielen mit den Kindern oder beim Dinner im gedimmten Raum eines romantischen Restaurants unterfallen danach wohl zumeist dem Schutzbereich der Privatsphäre (Vgl. EGMR, Urt. v. 24.06.2004, Az. 59320/00; BGH, 06.03.2007, Az. VI ZR 52/06).

Doch selbst wenn diese o.a. Bedingungen erfüllt sind, so darf durch die Verbreitung oder zur Schaustellung nicht das berechtigte Interesse der Abgebildeten verletzt sein (§ 23 Abs. 2 KUG).

Allgemein: Die Interessenabwägung (Presserecht vs. Rechte des Betroffenen)

Hieran knüpft nun oftmals die im Presserecht bzw. Medienrecht schwerwiegende Abwägung zwischen den Rechten der Betroffenen (z.B. Art. 2 Abs. 1, 1. Abs. 1 GG i.V.m. §§ 22, 23 KUG) und den Rechten der Presse (aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), in die zahlreiche Umstände einfließen können, die sich aus der Person als solche und dessen Bekanntheit, der Art der Berichterstattung sowie dem öffentlichen Interesse an dieser Berichterstattung ergeben wie z.B.:

  • Entstammt das Bild bzw. die Information aus dem Bereich der Intimsphäre, Privatsphäre oder Sozialsphäre? Was öffentlich auf twitter oder Facebook eingestellt oder geschrieben wird, entstammt in der Regel der weniger schützenwürdigen Sozialsphäre – gilt als virtuelle Öffentlichkeit.
  • Was sind Rolle und Verhalten des Betroffenen? Geht er aktiv in die Medien, stellt er sich selbst zur Diskussion oder hat er sich immer zurückhaltend verhalten?
  • Steht der Betroffene ohnehin wegen seiner Funktion im Fokus der Medien oder ist er ein unscheinbarer Privatbürger?
  • Besteht ein öffentliches Interesse an diesem Bild bzw. Informationen der Person? Vorliegend nahm das Gericht angesichts der derzeitigen Diskussion um die Flüchtlingskrise und den Fremdenhass ein solches öffentliches Interesse an.
  • Ist die Berichterstattung sachlich oder hetzerisch mit Prangerwirkung? Wie sind Art und Ausmaß der Berichterstattung? Zeigt der Bericht Pro/contra auf oder ist er durchweg einseitig zu Ungunsten der Person verfasst?
  • Findet z.B. eine Vorverurteilung statt?
  • Sind die Fotos z.B. heimlich durch Weitwinkel-Kameras oder Drohnen aufgenommen wurden oder war der Fotograf in dieser Funktion erkennbar? Musste der Betroffene damit rechnen oder war es nicht wahrnehmbar?
  • Welcher zeitlicher Abstand besteht zwischen dem Ereignis und dem Bericht bzw. den Fotos?

Je nach Erkenntnis schlägt das Pendel im konkreten Einzelfall in die eine oder andere Richtung aus. Hier wäre es auch gut vertretbar gewesen, das persönliche Interesse der betroffenen „Opfer“ der Kampagne überwiegen zu lassen, da sie sich trotz ihrer Aussage im Internet (vielleicht gar) nicht bewusst an die gesamte Öffentlichkeit, respektive der Leserschaft der größten Zeitung des Landes wenden wollten und auch in ihrem schutzwürdigen Interesse daher verletzt sind. Es mag wohl das Interesse eines jeden Einzelnen sein, nicht als „Hetzer“ in den Medien vorgeführt zu werden.

Und was ist mit der Unschuldsvermutung?

Zwar kann die BILD als Presse unter anderem auf die Grundsätze der so genannten Verdachtsberichterstattung zurückgreifen, muss sich gleichwohl diesbezüglich aber an strenge Vorgaben halten. So darf die Unschuldsvermutung nicht unterlaufen werden, sondern gilt ein Tatverdächtiger bis zum Urteilsspruch (genauer: Bis zur Feststellung seiner Schuld durch das Urteil) als unschuldig. Selbst wenn die von der BILD an den „Pranger“ gestellten Personen durch ihre Aussagen auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken möglicherweise eine strafbare Handlung begangen haben könnten, denn als solche steht die strafbare Beleidigung nach § 185 StGB oder die Volksverhetzung nach § 130 StGB freilich im Raume, darf keine Vorverurteilung oder einseitige Berichterstattung erfolgen. Erst Recht darf nicht der Eindruck erweckt werden, die Strafbarkeit stünde eindeutig fest. Mithin darf weder Selbstjustiz noch eine Hetze gegen die Tatverdächtigen betrieben werden, was bei einem großflächigen Bericht in der Zeitung mit der größten Auflage in Deutschland und der Stigmatisierung der Personen („Bild stellt die Hetzer an den Pranger“) naheliegend möglich erscheint. Die Presse ist kein Organ der Rechtspflege und Niemand darf im Vorfelde (etwaiger) strafrechtlicher Ermittlungen als Täter aufgeführt werden.

Mithin wird man jedoch hier zu berücksichtigen haben, dass die BILD die Äußerungen der 40 Personen klar erkennbar als Zitat (Screenshot) unverfälscht wiedergibt und sich hiermit inhaltlich und nicht einseitig auseinandersetzt, jedenfalls nicht die Betroffenen als Straftäter bezeichnet. Es wird sachlich abgebildet, was die Personen auf Facebook öffentlich geschrieben haben. Somit dürfte sich diese Aktion im Rahmen der zulässigen Meinungsäußerung bzw. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) bewegen.

Liegt ein Verstoß gegen das Urheberrecht vor?

Und was ist mit dem Urheberrecht? Schließlich druckt die BILD mehrere Screenshots vom Profilfoto und der Person ab. Ein Urheberrechtsverstoß kommt z.B. in Betracht, wenn ein nach § 2 UrhG geschütztes Werk ohne Einwilligung des Urhebers vervielfältigt oder verbreitet wird (§§ 15, 31 UrhG). Unterstellt sei an dieser Stelle einmal, dass die Facebook-Profilfotos den Nutzer abbilden und somit als Lichtbildwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder jedenfalls als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 UrhG anzuerkennen sind. Der Urheber hat (wohl) der BILD nicht das Recht zur Verbreitung (§17 UrhG) bzw. Vervielfältigung (§ 16 UrhG) des Werks eingeräumt, so dass vorläufig von einem Verstoß gegen das Urheberrechtrecht auszugehen ist, falls keine Schranke des Urheberrechts greift.

Ob dies der Fall ist, wird von vielen Medienrechtlern diskutiert (z.B. kritisch von RA Lampmann, RA Härting).

Schnell kann man an folgende Paragraphen aus dem UrhG denken:

Ist die Abbildung von Bild und Text vom Zitatrecht nach § 51 UrhG umfasst?

Gleichwohl darf ein öffentliches Werk auch ohne Einwilligung des Urhebers zum Zwecke des Zitats vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben werden (§ 51 UrhG). Dies setzt zunächst einmal das Werk als solches voraus und ebenso die Wiedergabe zum Zwecke des Zitats. Ein einfacherer Abdruck eines Bildes oder eines Textausschnitts reicht dafür allerdings nicht aus. Vielmehr muss sich der Autor mit dem Zitat auseinandersetzen, „so dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“ (BGH, Urt. v. 30.11.2011, Az. I ZR 212/10). Das Zitat muss als solches dargestellt werden, idealerweise den Urheber benennen und das Ganze in einen redaktionellen Rahmen eingebunden werden.

Neben dem Zitatrecht lassen sich noch weitere Schranken des Urheberrechts heranziehen. So ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig, wenn sie der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) dient. Ebenso dürfen nach § 48 UrhG Reden vervielfältigt und verbreitet werden, die bei „bei öffentlichen Versammlungen gehalten oder durch öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 19a oder § 20 veröffentlicht worden sind“.

Wie den Medienberichten zu entnehmen ist, nahm das Gericht gleich mehrere dieser Schranken an: Demnach sei die Veröffentlichung der Screenshots aus Facebook vom Zitatrecht (§ 51 UrhG) und als Tagesereignis von § 50 UrhG wie auch als analoge Anwendung des § 48 UrhG für die Wiedergabe öffentlicher Reden durch die Medien umfasst und somit keine Urheberrechtsverletzung begründet (Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15).

Des Weitern bezogen sich die Richter auch noch auf eine Entscheidung des EuGH zu den „embedded“-Youtube-Videos (EuGH, Beschluss v. 21.10.2014, Az. C-348/13), die sogar die Verlinkung auf Inhalte anderer Seiten erlaubt, wenn sie auf der eigenen Webseite eingebunden ist und als Inline-Link erscheint. Wer also auf der eigenen Webseite z.B. Youtube-Videos erkennbar durch Inline-Links „einbettet“ in Form von spezielle Skripten / Programmierungszeilen, begeht danach keine Urheberrechtsverletzung. Dies auf Screenshots und Grafiken ohne Links und eingebettete Ausschnitte anzuwenden, erscheint äußerst fragwürdig.

Ein Schwenk zum öffentlichen Recht: Könnte ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vorliegen?

Was die Richter nicht prüfen, aber rechtlich diskutiert werden mag: Hat die BILD möglicherweise gegen Vorschriften aus dem Datenschutz verstoßen, indem sie personenbezogene Daten der Betroffenen ohne dessen Einwilligung oder sonstiger Rechtfertigung erhoben, gespeichert und verbreitet hat? Denn Klarnamen sowie das Foto des Betroffenen, sofern er erkennbar ist, stellen personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dar, weil sie „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“ sind. Eine Einwilligung des Betroffenen gemäß § 4a BDSG fehlt hier. Inwieweit das Medienprivileg nach § 41 BDSG greift und die sich BILD als Presse nur eingeschränkt an die Bestimmungen des BDSG zu halten hat, müsste diskutiert werden. Derartige Privilegierungen der Presse sind aber wohl vertretbar, insbesondere wenn die personenbezogenen Daten im Kontext der Pressearbeit stehen.
Selbstverständlich wäre ein etwaiger datenschutzrechtlicher Verstoß erst einmal durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu beanstanden aufgrund des Hauptsitzes des Axel Springer Verlags in Berlin und nicht Gegenstand dieses Verfahrens vor dem Zivilgericht. Interessant wäre dennoch zu sehen, was sich aus einer solchen Eingabe des betroffenen Petenten ergibt.

Welche Folgen könnte diese Entscheidung haben?

Man wird wohl mit einem kritischen Auge auf diesen „Freispruch“ der BILD schauen müssen, die sich mit ihrem reißerischen Stil dieses Mal als eine Art Sprachrohr der Gesellschaft sieht und gewollt Fotos bzw. Meinungen von Dritten ohne dessen Einwilligung verbreitet. Jetzt kam ihr zu Gute, dass diese Daten auf Grundlage einer öffentlichen Berichterstattung über eines der meistdiskutierten Themen der letzten Monate (Stichwort: Flüchtlingskrise) verbreitet wurden und diese Kampagne „gegen Ausländer-Hetze“ von vielen gefeiert werden dürfte. So hat sich beispielsweise eine Task Force vom Bundesjustizminister Heiko Maas zu Bekämpfung von fremdenfeindlicher Hetze in den sozialen Netzwerken gegründet, der sich auch Facebook angeschlossen hat. In einem anderen Kontext der Berichterstattung über persönliche Informationen von Nutzern sieht die Sache aber wieder ganz anders aus. Denn nicht jeder Beitrag ist Teil der gesellschaftlichen Diskussion, auch wenn manche das gerne so hätten.

Was auf Facebook steht ...
Was erst einmal auf Facebook steht …

Ebenso darf bezweifelt werden, ob die „Freundesliste“ oder „Öffentlichkeit“ bei Facebook, woran auch eine ungenügende Privatsphären-Einstellung des sozialen Netzwerks einen Teil dazu beiträgt, gleichzusetzen ist mit der allgemeinen Öffentlichkeit, aus welcher sich Presse und Unternehmen bedienen können. Was im Internet über die Suchmaschinen zu finden ist, gilt gemeinhin als öffentlich (allgemeinzugängliche Quelle). Gleiches mag für denjenigen gelten, der über Twitter seine paar Zeichen über das Internet verschickt. Wer allerdings unter individueller Privatsphären-Einstellung auf Facebook nur für seine 200 Freunde eine Statusmeldung von sich gibt, muss nicht automatisch damit rechnen dürfen, dies dadurch der gesamten deutschen Öffentlichkeit auf dem silbernen Tablett zu präsentieren und übermorgen in Presse oder Rundfunk mit Klarnamen und Foto aufzutauchen. Selbst in den Zeiten der gewohnten Selbstdarstellung im Internet sollte zwischen ausgewählter und allgemeiner Öffentlichkeit unterschieden werden.

Was wir daraus in jedem Fall lernen sollten: Alles was im Internet, insbesondere auch bei Facebook oder Twitter veröffentlicht wird, kann der Allgemeinheit frei zugänglich sein und jedem auch schaden. Es sind schon viele Fälle bekannt, in denen eine „unglückliche“ Formulierung oder Information auf Facebook zur Kündigung im Job führte.

Erst Recht gilt dies bei krassen Aussagen unter dem eigenen Klarnamen mit eigenen Profilfoto und sonstigen persönlichen Informationen. Diese Problematik sollte sich jeder vor Veröffentlichung der Infos vor Auge halten. Leichter gesagt, denn in der Hitze der Diskussion, sind vermutlich jedem von uns hier und da einmal „unbedachte Wörter“ herausgerutscht. Als Rat kann ich nur geben: Kühlen Kopf bewahren und zweimal überlegen, bevor man auf „senden“ drückt. Denn jede Ursache hat auch ihre Wirkung, und die kann nicht nur die Umgebung (Freundeskreis), sondern eben auch die BILD Zeitung erreichen.

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Marketing & Recht: Interview mit dem Marketing-Spezialisten Christian Faller

Werbung, Marketing sowie auch Social Media gehen längst einher mit rechtlichen Fragestellungen, insbesondere berührt das Marketing hierzulande das Datenschutzrecht und IT-Recht. Obgleich wohl weiterhin beide Themenbereiche von jeweiligen Spezialisten ausgeübt werden, sollten Werber und Werbeagenturen einige rechtliche Aspekte im Auge behalten. Warum das so ist und welche Sichtweise die Werber vom Datenschutz haben, wollte ich einmal näher herausfinden. Hierzu führte ich ein Interview mit einem seit vielen Jahren (auch international erfolgreichen) kreativen Kopf – Christian Faller ist Gründer und Geschäftsführer von deepr, einer digitalen Werbeagentur aus Stuttgart, die sich schwerpunktmäßig um Websites, Digitalstrategie und Social Media Kampagnen für kleine und mittelständische Unternehmen kümmert. Zusätzlich wirkt(e) er bei diversen Blogs (gefahrgut blog) und Online-Aktivitäten mit und weiß, wie die virtuelle Welt so tickt.

 

Christian Faller, Gründer von deepr (Bild: © deepr)
Christian Faller, Gründer von deepr (Bild: © deepr)

Frage: Hallo Chris, Ich hoffe du hast die Feiertage gut und stressfrei überstanden bei angemessener „Work-Life-Balance“. Gab es denn noch Bücher oder nur noch eBooks unter dem Weihnachtsbaum?

Christian Faller: Das habe ich, ich hoffe du auch! Es gab wie jedes Jahr viele Bücher. Leider gibt es im deutschen Kindle Store noch immer keine Möglichkeit eBooks zu verschenken. Das ist sehr schade und längst überfällig – im US Store geht das schon seit Jahren.

Pünktlich zum Jahreswechsel stellt sich natürlich die Frage: Wie sieht die perfekte Marketing-Strategie im Jahre 2016 aus? Wie haben virale Kampagnen, Facebook und Co. das Internet in den vergangenen 12 Monaten verändert und was für Rückschlüsse lassen sich daraus für 2016 gewinnen?

In 2015 gab es vor allem eine bedeutende Veränderung für Social Media Kampagen. Der Einsatz von Mediabudget für den Kauf von Reichweite hat enorm an Wichtigkeit gewonnen. Facebook und auch andere Plattformen schnüren den Gürtel der organischen Reichweite immer enger und zwingen Unternehmen immer mehr dazu, Geld in die Hand zu nehmen, um die gewünschte Reichweite zu erzeugen. Ohne Mediaspending geht fast nichts mehr. Positiv gesehen lässt sich mit etwas Geld aber relativ viel erreichen und die Targeting Möglichkeiten gerade von Facebook sind nach wie vor exzellent und verbessern sich weiterhin. Eine erfolgreiche Kampagne stützt sich also auf eine gute Idee mit exzellenter Umsetzung, steht und fällt aber in den meisten Fällen mit dem schlauen Einsatz von Werbebudgets.

Bleiben wir noch mal kurz persönlich: Wie viele Stunden muss man dafür täglich auf Facebook oder twitter unterwegs sein, um immer auf dem neuesten Stand zu sein? Oder muss man gar nicht alle 5min auf twitter gucken?

Wichtig ist meiner Meinung nach nicht, wie aktiv oder nicht aktiv man ein Netzwerk nutzt, sondern wie gut man dessen Nutzer versteht, die Demografie dahinter kennt und die Mechanik der Werbemöglichkeiten und Content-Distribution durchschaut hat. Es ist für uns wesentlich wichtiger uns durch den Dialog mit Kollegen, anderen Agenturen und Bloggern über Best-Practice Beispiele auszutauschen als alles selbst zu erproben. Schlussendlich lernt man am meisten immer aus Erfahrung – diese muss aber nicht immer zwangsläufig die eigene sein.

Derzeit rollt ja wieder eine weltweite Marketing-Welle für den neuen Star Wars Film. Die Supermarkt-Kette REWE verteilt an der Kasse je Einkaufswert solch „Shells“ und Spielerhersteller wie auch LEGO haben ihre Sondereditionen zu Star Wars. Und auch bereits die Marketing-Strategen der „Minions“ zeigten uns, wie umfassend Werbung sein kann. Es gab Tic Tacs von Minions wie auch Überaschungseier-Figuren, nebenbei noch Minions Figuren beim Kauf von Bananen und Amazon hatte zum Start des Films gleich das gesamte Design der Startseite dieser Kampagne angepasst. Funktioniert ein solches Konzept nachhaltig oder stößt es nicht nach einer gewissen Zeit auf Ablehnung? Oder ist es eine WIN-WIN-Situation in der Werbung?

Zuerst einmal ist ein solcher Werbedruck natürlich nur von ganz, GANZ wenigen Unternehmen finanzierbar. Außerdem funktioniert das auch nicht für jedes Produkt, sondern nur ausgesprochen hedonistische Dinge – wie zum Beispiel einen Kinofilm – mit denen wir im Alltag gerne konfrontiert werden. Das muss man vorsichtig abwägen, ob es funktioniert oder nicht. Gerade beim Thema „Minions“ wurde ja aber bereits so derart viel im Vorfeld mit Merchandise gearbeitet, dass eine breite Beliebtheit in der Bevölkerung quasi nachgewiesen war. Wenn z.B. ein Waschmaschinen-Hersteller einen solchen Werbedruck aufbauen würde, würde sich der Effekt sehr schnell ins Gegenteil verkehren, da wir hier ein sehr nüchternes, unemotionales Produkt haben, das völlig anders beworben werden muss. Kategorisch kann man also nicht sagen, ob so etwas gut oder schlecht ist.

Warum sollte ich denn zu Subway Essengehen oder einen VW kaufen, weil da jemand – etwas platt formuliert – in der Werbung mit einem Lichtschwert herumhantiert? Oder ist dies eher nur „Image-Pflege“?

Diese Marken nutzen „Star Wars“ aus genau einem Grund als Werbebotschaft: Selektive Aufmerksamkeit. Die Menschen werden im Alltag von zahllosen Werbebotschaften bombardiert. Sie können nicht einmal einen Bruchteil davon wahrnehmen. Das, was sie wahrnehmen, muss zu ihrem sogenannten situativen Involvement passen. Und das ist für das Thema Star Wars gerade immens hoch. Der neue Film ist in aller Munde, Lichtschwerter sind sozusagen Magnete für die Augen. Subway nutzt dieses Momentum, um auf der Welle der Aufmerksamkeit Augen anzuziehen. Mehr als es ein bloßes Sandwich tun würde. Und dass es dann noch Spielzeug zu bestimmten Subs gibt, schadet natürlich auch nicht, um die Hardcore Fans tatsächlich zu einem Extrabesuch zu animieren. Ich glaube nicht zwangsweiße, dass Subway im Laufe der Kampagne signifikant mehr Subs verkauft. Allerdings erhalten sie viel Aufmerksamkeit für ihre Marke, die auf das langfristige Image beim Verbraucher einzahlt.

Personalisierte Werbung vs. Datenschutz

Apropos Werbung: „Personalisierte Werbung“ ist ja gemeinhin so ein Keyword, womit die Unternehmen nahezu jede Aktivität und Nutzerauswertung/Analyse rechtfertigen. Wer im Internet nach Schuhen oder Flügen suchte, kann sich die nächsten Stunden im Internet über passende Angebote auf anderen Seiten erfreuen. Wie steht ihr dazu?

Ich bin hier geteilter Meinung. Personalisierte Werbung nach generellen Interessen oder meinen demografischen Daten, finde ich gut. Ich selber sehe lieber Werbung von Dingen, die mich halbwegs interessieren. Und ich glaube – wenn auch unterbewusst – den meisten Leuten geht es hier so. Aber das Retargeting, was du oben beschreibst, sehe ich kritisch. Zum einen, da es wirklich derart spezifisch ist, dass es der auf diese Weise werbenden Marke eine negative Assoziation gibt, da es einen Touch von Big Brother hat. Zu anderen, weil es ganz oft so ist, dass ich diese Produkte der Marke bereits gekauft habe und mich dann die Werbung über dieselben Sneaker, an denen ich ja nun kein Interesse mehr habe nach dem Kauf, regelrecht stört. Es kommt nur selten vor, dass wir Kunden zu Retargeting raten.

Im Doku-Film „Democracy“ zur kommenden Datenschutz-GrundVerordnung der EU heißt es unter anderem „Daten sind das neue Öl“. Man kann es wohl kaum treffender ausdrücken. Als Werbe-Industrie oder Marketing-Abteilung möchte man gewiss möglichst viele Daten von Kunden und potentiellen Kunden sammeln oder nicht?

Ja, absolut. Allerdings natürlich nur relevante Daten. Alle Daten, die ich besitze, die aber irrelevant sind, machen es für mich de facto schwerer eine informierte Entscheidung zu treffen. Es gibt meiner Meinung nach auch wenige Unternehmen, die mit Big Data bereits wirklich gut umgehen können. Das ist ein sehr spannendes Feld! Ich finde bei diesem Punkt aber den Aspekt sehr wichtig, hier fair vorzugehen. Es sollte dem Verbraucher immer möglich sein, zu entscheiden, was für Daten gesammelt werden und dies sollte auch transparent geschehen. Und beim Werbetreibenden liegt eine große Verantwortung, mit diesen Daten verantwortungsbewusst umzugehen, sie nicht unrechtmäßig einzusetzen oder gar weiterzuverkaufen. Seth Godin hat in seinem Buch „All Marketers Are Liars“ eine sehr treffliche Analyse zum Thema Verantwortung von Marketingverantwortlichen geschrieben. Würde das Buch heute noch einmal neu geschrieben, würde sich Herr Godin sicher auch dem Thema Big Data widmen.

Setzt ihr da euch bzw. dem Kunden diesbezüglich gewisse Grenzen oder überlässt ihr diese Entscheidung dem Kunden?

Wir sammeln immer nur das Nötigste an Daten. In den meisten Fällen sind das anonyme Website Statistiken. Manchmal sammeln wir noch E-Mail Adressen oder Namen, die aber ausschließlich zum vereinbarten Zweck eingesetzt werden und denen sich der Kunde jederzeit wieder auf eigenen Wunsch gemäß den geltenden Bestimmungen (z.B. mittels Auskunftsrecht und Widerspruchsrecht, die sich in Datenschutzbestimmungen oder Nutzungsbestimmungen wiederfinden) entziehen kann. Wir achten da auf Klarheit und einen sorgsamen Umgang mit den Daten zum beschriebenen Zweck wie einem Gewinnspiel.

Bei der Beratung von Unternehmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Online-Präsenz kommt ihr ja auch mit rechtlichen Fragestellungen in Berührung. Inwieweit berücksichtigt ihr dabei das geltende Recht und erteilt Hinweise bezüglich der Einhaltung von zwingenden Vorschriften?

Wir halten uns hier regelmäßig über einschlägige Websites und Blogs auf dem Laufenden, sprechen aber bei Fragen auch häufig mit unserem Anwalt. Gleichzeitig weisen wir Kunden aber stets darauf hin, dass die Sorgfaltspflicht, dies alles zu überprüfen, letztendlich bei Ihnen liegt und legen nahe, dies von einem unabhängigen Anwalt prüfen zu lassen. Immerhin sind wir keine Juristen und es ist auch wichtig das klarzustellen. Das Thema Recht ist ein überaus komplexes Konstrukt, das sich so häufig ändert, dass es einfach eines Spezialisten bedarf. Wir kümmern uns um eine technisch sauber Umsetzung und beraten fachgerecht, verweisen bei diesem Thema aber an anderen Ansprechpartner. Wir würden z.B. nie die AGB oder Datenschutzbestimmungen des Auftraggebers selber schreiben, sondern bauen diesbezüglich auf die Leistung von Anwälten oder Fachleuten.

Empfehlt ihr den Kunden die Einbindung von Google Analytics oder greift ihr zu anderen Anbietern? Und wie sieht es mit sonstigen Tracking-Tools aus?

Wir arbeiten im Idealfall mit Google Analytics, da es das stärkste Tool ist. Wenn datenschutzrechtliche Bedenken bestehen, nutzen wir zum Teil auch Piwik. Andere Tools kommen in der Regel nicht zum Einsatz.

Die Technik schreitet immer weiter voran. Vieles ist möglich, gleichwohl rechtlich umstritten. Verwendet ihr bzw. eure Kunden z.B. Facebook Custom Audiences?

Nein, wir haben noch nie mit Custom Audiences gearbeitet. Die Targeting Möglichkeiten von Facebook sind auch abseits davon so gut, dass wir hier noch nie Bedarf gesehen haben. Wenn uns eine rechtmäßige E-Mail Liste vorliegt, dann eigentlich immer, weil Leute sich für einen Newsletter unter den korrekten Bedingungen (mit Opt-In Verfahren) angemeldet haben. Und dann ist der Newsletter selbst auch ein weitaus besseres Tool, um diese Leute direkt zu erreichen.

Social Media Recht – worauf Unternehmen achten sollten

Seit geraumer Zeit hat sich das „Social Media Recht“ entwickelt. Unternehmen sowie deren Mitarbeiter müssen sich bei ihrem Social Media Auftritt und insbesondere bei Gewinnspielen oder sonstigen Aktivitäten an zahlreiche Gesetze halten. Es empfiehlt sich daher, so genannte „Social Media Guidline“ für das Unternehmen zu entwerfen. Wie steht ihr dazu und habt ihr bereits Erfahrung in diesem Zusammenhang sammeln können?

Wir erstellen häufig Richtlinien. Diese beziehen sich aber eher auf inhaltliche Punkte wie Frequenz, Plattformen, Umgangston, Dos und Don’ts etc. Rechtlich gesehen weisen wir auch an dieser Stelle auf bestehende Gesetze hin, die uns bekannt sind, stellen aber sicher, dass ein Jurist mit im Boot ist, der die Details fachgerecht wiedergeben und ggf. verschriftlichen kann. Wir würden selbst keine Guidelines erstellen, die rechtliche Aspekte abdecken. Schon allein, weil diese sehr häufig geprüft und aktualisiert werden müssen und ansonsten eine große Gefahr darstellen können.

Ja das stimmt wohl. Social Media Richtlinien stellen ja einen Katalog an Rechtsfragen dar, derer sich eher ein Anwalt oder Datenschutzbeauftragter annehmen sollte. Dennoch: Inwiefern findet immer mehr eine Verknüpfung von unterschiedlichen Dienstleistungen statt? Muss der Werber bald auch noch Jurist sein oder der Jurist auch gleichzeitig Werber?

Am besten wäre das! Allerdings wird das nicht möglich sein. Ich denke daher, dass sich schlicht die Zusammenarbeit dieser beider Berufsgruppen intensivieren muss.

Nun denn. Vielen Dank für das Interview! Ich wünsche Dir bzw. deinem Team auch zukünftig tolle und spannende Aufträge und viel Erfolg!

Hinweis: Die Bildrechte liegen bei deepr

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