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BILD – „Pranger der Schande“ nun doch unzulässig?

Das OLG München (OLG München, Urt. v. 17.03.2016, Az. 29 U 368/16) hält die BILD-Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ aus dem letzten Jahr entgegen der Auffassung des LG München in erster Instanz für unzulässig. Nach Auffassung des Gerichts habe das Foto der Antragstellerin keinerlei Mehrwert. Die Veröffentlichung der Inhalte der Antragstellerin in der beanstandeten Form sei somit rechtswidrig.

Die BILD veröffentlichte Ende Oktober 2015 in der Print-Ausgabe sowie auf der Web-Präsenz die großflächige Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“. Gezeigt wurden 40 Personen aus den sozialen Netzwerken jeweils mit Profilfoto und persönlicher Meinungsäußerung, die sich in hetzerischer und anstößiger Weise mit der Flüchtlingskrise befasst – so wie es tagtäglich bei Facebook oder twitter zu beobachten ist. Mit dieser Berichterstattung wollte sich das schlagkräftigste Blatt des Berliner Axel Springer Verlags in die Debatte um die Hetze in den sozialen Netzwerken gegenüber politisch Verfolgten und Minderheiten einklinken und exemplarisch einige „Hetzer“ einer Strafverfolgung aussetzen. Immerhin war der Abdruck der krassen Aussagen nicht nur an die Bevölkerung, sondern auch ausdrücklich an die Staatsanwaltschaft gerichtet mit der Bitte um Einschreiten.

Eine der namentlich genannten und abgebildeten Personen hatte sich daraufhin gerichtlich – im einstweiligen Rechtsschutz – gegen die Abbildung ihres Fotos bzw. Textes gewehrt. Doch sie kassierte vor dem Landgericht München I sodann im Januar eine Niederlage (LG München I, Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15). Das damalige Gericht sah die Antragstellerin nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I, 1 I GG) verletzt. Einige bekannte Medienrechtler „beschworen“ bereits zuvor die Rechtsmäßigkeit dieser Aktion der BILD trotz einiger Bedenken. Schließlich gab es eine Vielzahl an Argumenten für die Seite der Presse, jedoch auch einige Kritikpunkte.

Vor wenigen Tagen hatte nun das OLG München (OLG München, Urt. v. 17.03.2016, Az. 29 U 368/16) in der Berufung hierüber zu entscheiden und gelangte nun offensichtlich zu einem anderen Ergebnis. Demgemäß erachteten die Richter die streitgegenständliche BILD-Kampagne hinsichtlich der Veröffentlichung und Verbreitung des Profilfotos der Antragstellerin im konkreten Einzelfall für rechtswidrig. So sei sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Denn die Darstellung des Fotos der Frau sei ein intensiver Eingriff in ihre Rechte, insbesondere schaffe das Lichtbild im Kontext der Berichterstattung über ihre Meinungskundgabe auf Facebook keinen Mehrwert.

Anders (und in gebotener Vorsicht) formuliert: Der gesamte Artikel und die Wiedergabe der Aussage der Frau auf der Seite des sozialen Netzwerks wären wohl auch mit einem verpixelten Foto ausgekommen. Die Erkennbarkeit der Frau anhand des Bildes habe nur geringen – oder gar keinen? – Einfluss auf den redaktionellen Inhalt und dessen Aussagegehalt. Folglich soll das Interesse der Betroffenen überwiegen.

Wie kam es zu dem völlig anderen Ausgang?

Wie der Rechtsanwalt der Antragstellerin auf seiner Homepage mitteilte, seien die Richter in der mündlichen Verhandlung gar nicht auf die zahlreichen urheberechtlichen Vorschriften eingegangen, die möglicherweise aus urheberrechtlicher Sichtweise die Veröffentlichung und Verbreitung des Lichtbildes der Antragstellerin durch die Presse erlaube. Es wurde allein „das“ Presserecht geprüft, also die übliche einzelfallbezogene Interessenabwägung beider Parteien vorgenommen. Hierbei fließen verschiedene Umstände des konkreten Falls ein, die es zu berücksichtigen gilt.

Über die genauen Argumente und Ausführungen des Gerichts wird wohl noch in naher Zukunft zu diskutieren sein, wenn und soweit sie für die Öffentlichkeit nachzulesen sind. Gleiches gilt der Frage, ob die Berichterstattung bei Verwendung von verpixelten Bildern bei gleichzeitiger Nennung des vollständigen Klarnamens nun rechtmäßig gewesen wäre, also allein die Erkennbarkeit der Person den Ausschlag gab.

Wie geht es jetzt weiter? Eine Revision gegen diese Entscheidung ist ausgeschlossen. Die Anwälte der BILD haben aber bereits angekündigt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten und auf eine Klärung dieser (einer Grundsatzentscheidung anmutenden) Rechtsfragen zu beharren. Es ist also davon auszugehen, dass sich der Rechtstreit noch um einige Jahre weiter hinauszögert.

Warum die Entscheidung einige interessante Rechtsfragen beinhaltet, kann in einem früheren Artikel auf dieser Seite nachgelesen werden. Aber vielleicht gibt es bald weitere Erkenntnisse.

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LG Hamburg untersagt Facebook-Nutzer weitere Hass-Kommentare

Das Landgericht Hamburg hat per einstweiliger Verfügung einem Facebook-Nutzer untersagt, Beleidigungen gegenüber der ZFD-Moderatorin Dunja Hayali auf derer Facebook-Seite zu äußern. Im Falle der Zuwiderhandlung drohe dem Betroffenen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Und es gibt bereits mehrere Verurteilungen vor den Strafgerichten wegen der Facebook-Hetze.

Die Journalistin Dunja Hayali ist es längst gewohnt, Opfer von Hass-Kommentaren und Beleidigungen im Internet wie auch auf der Straße zu werden. Für ihr Engagement gegen Rassismus und offenen Diskurs in der Flüchtlingsdebatte, muss sie tagtäglich mit krassen Anfeindungen leben. In TV-Sendungen sprach die Preisträgerin der Goldenen Kamera 2016 mehrfach über ihrem Umgang mit diesen Beleidigungen und wandte sich aktiv gegen die vermeintlichen Übeltäter.

Nun ließ sie durch ihren Anwalt eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg erwirken, in welcher einem Facebook-Nutzer die Äußerung von solchen Hass-Kommentaren auf der Facebook-Seite der Journalistin untersagt wird. Der Klarname des Facebook-Mitglieds konnte anhand seines Nutzernamens ermittelt und so der Betroffene identifiziert werden, an den die einstweilige Verfügung mittlerweile zugestellt worden ist. Er hatte am 7. Januar dieses Jahres unter anderem die TV-Moderatorin als „ein dummes Stück Scheiße“ und „Gehirntote in der Merkelpropaganda“ bezeichnet und den Vergleich mit der Propaganda aus dem dritten Reich gezogen.

Die Nachricht ist deshalb erwähnenswert, weil diese einen der wenigen Fälle aufzeigt, in denen sich ein Prominenter gegen Hass-Kommentare und Beleidigungen in den sozialen Netzwerken gerichtlich zur Wehr setzt und trotz des hohen Guts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I Grundgesetz (GG) dem Äußernden derartige Aussagen untersagt werden.

Ungeachtet etwaiger strafrechtlicher Wege, wie beispielsweise die Anzeige wegen der strafbaren Beleidigung nach § 185 StGB, dürfte das zivilrechtliche Verfahren mit dem angedrohten Ordnungsgeld bereits eine abschreckende Wirkung erzielen. Ob sich die Nutzer dadurch von Anfeindungen und Drohungen abschrecken lassen, darf jedoch bezweifelt werden. Es bleibt festzustellen: Es wird dem Nutzer zu leichtgemacht, die Meinung auf Plattformen wie Facebook durch ein paar Klicks der Welt mitzuteilen und sich an den öffentlichen Streitigkeiten in Kommentaren oder auf Facebook-Seiten zu beteiligen.

Der Fall ist längst kein Einzelfall mehr. Trotzdem gibt es in der Praxis zahlreiche Schwierigkeiten in der Rechtsverfolgung. Denn in den meisten Fällen werden Hass-Kommentare und Beleidigungen unter einem Pseudonym auf Facebook veröffentlicht, anhand dessen den Opfern nur geringe Erfolgschancen auf die Identifizierung des vermeintlichen Täters eingeräumt sind. Zwar könnte das Unternehmen Facebook die IP-Adresse eines jeden Facebook-Nutzers rekonstruieren (was sie gewiss leugnen würden) und so unter Umständen der Anschlussinhaber mittels Provider ausfindig gemacht werden, doch gehen hiermit zu viele Unwägbarkeiten einher. Es müsste die Herausgabe der IP-Adresse durch Facebook richterlich angeordnet werden und gleichfalls auch die Herausgabe von Namen und Adresse des Anschlussinhabers durch den Provider. Voraussetzung hierfür ist immer, dass die IP-Adressen auf beiden Seiten überhaupt (noch) gespeichert und rekonstruiert werden können – also innerhalb von 7 Tagen bis 4 Wochen das Verfahren vollzogen wird. Das ist ein Zeitfenster, was nur selten einzuhalten ist.

Sofern diese Hürden bewältigt sind, könnte sich der Anschlussinhaber noch darauf berufen, selber gar nicht gehandelt zu haben. Zu guter Letzt müsste also noch das Handeln des Betroffenen nachgewiesen werden. Mit einem Rechtsanwalt oder Strafverteidiger sollte sich der Tatvorwurf unter Umständen entkräften lassen. Zumal der Richter überhaupt erst einmal zur Überzeugung gelangen muss, dass beispielsweise der Straftatbestand der Beleidigung erfüllt ist und sich die fragliche Aussage nicht im zulässigen Bereich der Meinungsfreiheit bewegt.

Erste Verurteilungen wegen Hass und Hetze auf Facebook

Mittlerweile häufen sich diese Fälle: So ist vor wenigen Tagen ein 30-jähriger Mann aus Bayern vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der vorbestrafte Mann versuchte sich vor Gericht zu rechtfertigen und argumentierte, er habe schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht.

Und im Oktober letzten Jahres verurteilte ein Amtsgericht eine 29-jährige Facebook-Nutzerin aus Berlin wegen der Volksverhetzung ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe. Sie hatte Hetze gegen Flüchtlinge betrieben und unter anderem „Weg mit dem Dreck“ diesbezüglich geschrieben. Hier sah das Gericht die Schuld der jungen Frau für erwiesen an, nachdem sich die Angeklagte geständig einließ und zugab, sich im Ton vergriffen zu haben. Zuvor hatte schon das Amtsgericht Tiergarten im August 2015 einen Berliner zu einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro wegen fremdenfeindlicher Hassbeiträge auf Facebook verurteilt.

Obwohl die Task-Force von Bundesjustizminister Heiko Maas gegen Fremdenhass und Hetze aktiv ist und auch Facebook die Unterstützung im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass zugesagt hat, sind gerichtliche Entscheidungen gegenüber den Hetzern angesichts der Unmengen an Kommentaren bzw. Beiträgen in den sozialen Netzwerken noch rar. Dies kann sich aber bald ändern. Gleichwohl muss eine Gesellschaft solch verschiedene Meinungen mit teils krasser Wortwahl aushalten, sofern die Aussagen unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegen. Bei Formulierungen wie „der Dreck muss weg“ oder gar dem Aufruf zur Brandstiftung oder Tötung ist selbstverständlich die Strafbarkeit anzunehmen.

Es bleibt abzuwarten, ob neben der möglichen Strafverfolgung noch weitere, erfolgsversprechende Systeme installiert werden, um Fremdenfeindlichkeit und Hetze in den sozialen Netzwerken einzugrenzen oder ganz zu unterbinden. Schließlich sollte es auch im Interesse des jeweiligen Seitenbetreibers liegen, niveaulose oder anstößige Inhalte zu verhindern. Facebook hingegen dürfte sich diese Vorfälle zu Nutze machen, um damit der Forderung nach der rechtlichen Zulässigkeit der angestrebten Klarnamenpflicht im sozialen Netzwerk weiter Nachdruck zu verleihen. Fraglich ist, ob das der richtige Weg ist?

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BILD-Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ ist zulässig – Der BILD-Pranger verletzt keine Rechte der Betroffenen

Die BILD darf Profilfotos und Facebook-Beiträge von so genannten „Hetzern“ mit Klarnamen online und auch in der Printausgabe der Zeitung veröffentlichen. Dies entschied das Landgericht München I im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Antragstellerin sei nach Auffassung des Gerichts nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Auch läge kein Verstoß gegen das Urheberrecht vor. Dies wirft einige rechtliche Fragen auf, die es wert sind, sich näher damit zu beschäftigen.

Der Axel Springer Verlag hat in diesen Tagen gut lachen, gewann das Berliner Verlagshaus doch in den letzten Wochen gleich in mehreren medienwirksamen Rechtstreitigkeiten für das Zugpferd „BILD“ vor Gericht. So entschied jüngst das LG Hamburg in dem Rechtstreit der „BILD“ gegen den Werbeblocker adblock Plus, dass dem Anbieter aus dem Hause der Eyeo GmbH untersagt werde, die Sperre unter www.bild.de durch technische Programme zu umgehen. Die einstweilige Verfügung sieht vor, dass dem Anbieter die Verbreitung der Anleitung zur Umgehung der Adblocker-Sperre der Internetseite der BILD sowie auch die Verbreitung von Filterlisten untersagt werde. Diese einstweilige Verfügung wurde nun bestätigt.

Und vor wenigen Tagen erreichten die Anwälte der BILD-Zeitung – jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – einen weiteren vorläufigen Sieg vor Gericht. Denn das LG München I entschied (LG München I, Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15), dass die BILD mit der Kampagne „Bild stellt die Hetzer an den Pranger“ auf ihrem Online-Angebot unter www.bild.de sowie in der Printausgabe nicht gegen das geltende Recht verstoße. Die Antragstellerin sei demnach nicht in Ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und ebenso sei keine Urheberrechtsverletzung begangen worden, soweit das Gericht dies im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt zu prüfen vermochte.

Landgericht München I
Das Landgericht München I entschied

Die Antragstellerin war – wie 39 andere Personen auch – mit ihrem Foto und auf Facebook veröffentlichten Kommentar (Beitrag) in der BILD sowie auch online unter www.bild.de abgebildet worden im Rahmen der genannten BILD-Kampagne, nachdem sie sich vorher öffentlich in der hitzigen Diskussion um Flüchtlinge in Deutschland beteiligt hatte. Dabei sind „grenzüberschreitende Ausdrücke“ der jungen Frau gefallen, wie wir tagtäglich in den sozialen Netzen beobachten und lesen können. Solche fremdenfeindlichen Äußerungen im Internet und insbesondere die Hetze gegen Flüchtlinge nahm die BILD sodann vor wenigen Wochen zum Anlass, einige krasse Aussagen aufzugreifen und 40 Personen beispielshaft „an den Pranger“ zu stellen.

Diese Form der Berichterstattung der BILD wirft viele juristische Fragen aus dem Medienrecht auf, welche den Fall so interessant erscheinen lassen. Es ist durchaus vorstellbar, dass ein etwaiges Hauptsacheverfahren tiefergehende Überlegungen zutage bringen würde (wird), und die möglicherweise zu einem anderen Urteil führen werden.

Einige Rechtsfragen seien an dieser Stelle einmal aufgeführt und kurz angerissen. Das Gericht hat nicht all nachstehende Rechtsfragen zu klären, beschränkt es sich mehr oder weniger im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht auf die zivilrechtlichen Aspekte.

Verstößt die Verbreitung des Fotos der Abgebildeten gegen das Recht am eigenen Bild nach §§ 22, 23 KUG? und somit gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) umfasst in seiner Ausprägung auch grundsätzlich das Recht am eigenen Bild, das seinen Schutz in §§ 22, 23 KUG wiederfindet.

Nach diesen Vorschriften ist es unzulässig, Bildnisse zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen, sofern es an der Einwilligung des Abgebildeten oder einer Ausnahme nach § 23 I KUG fehlt. Denn eine Einwilligung des Betroffenen bedarf es dann nicht, wenn es sich beispielsweise um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt oder die abgebildeten Personen nur ein Beiwerk neben einer Landschaft oder Öffentlichkeit bei einer Versammlung darstellen.

Ob die betroffene Facebook-Nutzerin nun hier eine (absolute oder relative) Person der Zeitgeschichte ist, mag sicherlich diskutabel sein. Vermutlich ist diese junge Frau erst durch diese Aktion zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, wenn „halb“ Deutschland ihr Foto in der BILD sieht und ihre Aussage diskutiert. Aber einerseits ist diese Rechtsfigur der „relativen Person der Zeitgeschichte“ wohl in den Hintergrund getreten (Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.2008, Az. 1 BvR 1602/07, Anders aber: BGH, Urt. v. 08.04.2014, Az. VI ZR 197/13 – Mieterfest) und zum anderen war sie es wohl nicht, bevor und während die Redaktion der BILD den Screenshot erstellte und später publizierte. Derweil sich nach Vorgabe des EGMR diese Ausnahmevorschrift nur auf „public figure“ als Personen der Öffentlichkeit beschränkt wie z.B. Politiker oder hochrangige Amtsträger (Vgl. EGMR, Urt. v. 07.02.2012, Az. 40660/08; 60641/08). Promis und selbst Politiker in klar erkennbaren privaten Situationen wie z.B. am Strand beim Spielen mit den Kindern oder beim Dinner im gedimmten Raum eines romantischen Restaurants unterfallen danach wohl zumeist dem Schutzbereich der Privatsphäre (Vgl. EGMR, Urt. v. 24.06.2004, Az. 59320/00; BGH, 06.03.2007, Az. VI ZR 52/06).

Doch selbst wenn diese o.a. Bedingungen erfüllt sind, so darf durch die Verbreitung oder zur Schaustellung nicht das berechtigte Interesse der Abgebildeten verletzt sein (§ 23 Abs. 2 KUG).

Allgemein: Die Interessenabwägung (Presserecht vs. Rechte des Betroffenen)

Hieran knüpft nun oftmals die im Presserecht bzw. Medienrecht schwerwiegende Abwägung zwischen den Rechten der Betroffenen (z.B. Art. 2 Abs. 1, 1. Abs. 1 GG i.V.m. §§ 22, 23 KUG) und den Rechten der Presse (aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), in die zahlreiche Umstände einfließen können, die sich aus der Person als solche und dessen Bekanntheit, der Art der Berichterstattung sowie dem öffentlichen Interesse an dieser Berichterstattung ergeben wie z.B.:

  • Entstammt das Bild bzw. die Information aus dem Bereich der Intimsphäre, Privatsphäre oder Sozialsphäre? Was öffentlich auf twitter oder Facebook eingestellt oder geschrieben wird, entstammt in der Regel der weniger schützenwürdigen Sozialsphäre – gilt als virtuelle Öffentlichkeit.
  • Was sind Rolle und Verhalten des Betroffenen? Geht er aktiv in die Medien, stellt er sich selbst zur Diskussion oder hat er sich immer zurückhaltend verhalten?
  • Steht der Betroffene ohnehin wegen seiner Funktion im Fokus der Medien oder ist er ein unscheinbarer Privatbürger?
  • Besteht ein öffentliches Interesse an diesem Bild bzw. Informationen der Person? Vorliegend nahm das Gericht angesichts der derzeitigen Diskussion um die Flüchtlingskrise und den Fremdenhass ein solches öffentliches Interesse an.
  • Ist die Berichterstattung sachlich oder hetzerisch mit Prangerwirkung? Wie sind Art und Ausmaß der Berichterstattung? Zeigt der Bericht Pro/contra auf oder ist er durchweg einseitig zu Ungunsten der Person verfasst?
  • Findet z.B. eine Vorverurteilung statt?
  • Sind die Fotos z.B. heimlich durch Weitwinkel-Kameras oder Drohnen aufgenommen wurden oder war der Fotograf in dieser Funktion erkennbar? Musste der Betroffene damit rechnen oder war es nicht wahrnehmbar?
  • Welcher zeitlicher Abstand besteht zwischen dem Ereignis und dem Bericht bzw. den Fotos?

Je nach Erkenntnis schlägt das Pendel im konkreten Einzelfall in die eine oder andere Richtung aus. Hier wäre es auch gut vertretbar gewesen, das persönliche Interesse der betroffenen „Opfer“ der Kampagne überwiegen zu lassen, da sie sich trotz ihrer Aussage im Internet (vielleicht gar) nicht bewusst an die gesamte Öffentlichkeit, respektive der Leserschaft der größten Zeitung des Landes wenden wollten und auch in ihrem schutzwürdigen Interesse daher verletzt sind. Es mag wohl das Interesse eines jeden Einzelnen sein, nicht als „Hetzer“ in den Medien vorgeführt zu werden.

Und was ist mit der Unschuldsvermutung?

Zwar kann die BILD als Presse unter anderem auf die Grundsätze der so genannten Verdachtsberichterstattung zurückgreifen, muss sich gleichwohl diesbezüglich aber an strenge Vorgaben halten. So darf die Unschuldsvermutung nicht unterlaufen werden, sondern gilt ein Tatverdächtiger bis zum Urteilsspruch (genauer: Bis zur Feststellung seiner Schuld durch das Urteil) als unschuldig. Selbst wenn die von der BILD an den „Pranger“ gestellten Personen durch ihre Aussagen auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken möglicherweise eine strafbare Handlung begangen haben könnten, denn als solche steht die strafbare Beleidigung nach § 185 StGB oder die Volksverhetzung nach § 130 StGB freilich im Raume, darf keine Vorverurteilung oder einseitige Berichterstattung erfolgen. Erst Recht darf nicht der Eindruck erweckt werden, die Strafbarkeit stünde eindeutig fest. Mithin darf weder Selbstjustiz noch eine Hetze gegen die Tatverdächtigen betrieben werden, was bei einem großflächigen Bericht in der Zeitung mit der größten Auflage in Deutschland und der Stigmatisierung der Personen („Bild stellt die Hetzer an den Pranger“) naheliegend möglich erscheint. Die Presse ist kein Organ der Rechtspflege und Niemand darf im Vorfelde (etwaiger) strafrechtlicher Ermittlungen als Täter aufgeführt werden.

Mithin wird man jedoch hier zu berücksichtigen haben, dass die BILD die Äußerungen der 40 Personen klar erkennbar als Zitat (Screenshot) unverfälscht wiedergibt und sich hiermit inhaltlich und nicht einseitig auseinandersetzt, jedenfalls nicht die Betroffenen als Straftäter bezeichnet. Es wird sachlich abgebildet, was die Personen auf Facebook öffentlich geschrieben haben. Somit dürfte sich diese Aktion im Rahmen der zulässigen Meinungsäußerung bzw. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) bewegen.

Liegt ein Verstoß gegen das Urheberrecht vor?

Und was ist mit dem Urheberrecht? Schließlich druckt die BILD mehrere Screenshots vom Profilfoto und der Person ab. Ein Urheberrechtsverstoß kommt z.B. in Betracht, wenn ein nach § 2 UrhG geschütztes Werk ohne Einwilligung des Urhebers vervielfältigt oder verbreitet wird (§§ 15, 31 UrhG). Unterstellt sei an dieser Stelle einmal, dass die Facebook-Profilfotos den Nutzer abbilden und somit als Lichtbildwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder jedenfalls als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 UrhG anzuerkennen sind. Der Urheber hat (wohl) der BILD nicht das Recht zur Verbreitung (§17 UrhG) bzw. Vervielfältigung (§ 16 UrhG) des Werks eingeräumt, so dass vorläufig von einem Verstoß gegen das Urheberrechtrecht auszugehen ist, falls keine Schranke des Urheberrechts greift.

Ob dies der Fall ist, wird von vielen Medienrechtlern diskutiert (z.B. kritisch von RA Lampmann, RA Härting).

Schnell kann man an folgende Paragraphen aus dem UrhG denken:

Ist die Abbildung von Bild und Text vom Zitatrecht nach § 51 UrhG umfasst?

Gleichwohl darf ein öffentliches Werk auch ohne Einwilligung des Urhebers zum Zwecke des Zitats vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben werden (§ 51 UrhG). Dies setzt zunächst einmal das Werk als solches voraus und ebenso die Wiedergabe zum Zwecke des Zitats. Ein einfacherer Abdruck eines Bildes oder eines Textausschnitts reicht dafür allerdings nicht aus. Vielmehr muss sich der Autor mit dem Zitat auseinandersetzen, „so dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“ (BGH, Urt. v. 30.11.2011, Az. I ZR 212/10). Das Zitat muss als solches dargestellt werden, idealerweise den Urheber benennen und das Ganze in einen redaktionellen Rahmen eingebunden werden.

Neben dem Zitatrecht lassen sich noch weitere Schranken des Urheberrechts heranziehen. So ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig, wenn sie der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) dient. Ebenso dürfen nach § 48 UrhG Reden vervielfältigt und verbreitet werden, die bei „bei öffentlichen Versammlungen gehalten oder durch öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 19a oder § 20 veröffentlicht worden sind“.

Wie den Medienberichten zu entnehmen ist, nahm das Gericht gleich mehrere dieser Schranken an: Demnach sei die Veröffentlichung der Screenshots aus Facebook vom Zitatrecht (§ 51 UrhG) und als Tagesereignis von § 50 UrhG wie auch als analoge Anwendung des § 48 UrhG für die Wiedergabe öffentlicher Reden durch die Medien umfasst und somit keine Urheberrechtsverletzung begründet (Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15).

Des Weitern bezogen sich die Richter auch noch auf eine Entscheidung des EuGH zu den „embedded“-Youtube-Videos (EuGH, Beschluss v. 21.10.2014, Az. C-348/13), die sogar die Verlinkung auf Inhalte anderer Seiten erlaubt, wenn sie auf der eigenen Webseite eingebunden ist und als Inline-Link erscheint. Wer also auf der eigenen Webseite z.B. Youtube-Videos erkennbar durch Inline-Links „einbettet“ in Form von spezielle Skripten / Programmierungszeilen, begeht danach keine Urheberrechtsverletzung. Dies auf Screenshots und Grafiken ohne Links und eingebettete Ausschnitte anzuwenden, erscheint äußerst fragwürdig.

Ein Schwenk zum öffentlichen Recht: Könnte ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vorliegen?

Was die Richter nicht prüfen, aber rechtlich diskutiert werden mag: Hat die BILD möglicherweise gegen Vorschriften aus dem Datenschutz verstoßen, indem sie personenbezogene Daten der Betroffenen ohne dessen Einwilligung oder sonstiger Rechtfertigung erhoben, gespeichert und verbreitet hat? Denn Klarnamen sowie das Foto des Betroffenen, sofern er erkennbar ist, stellen personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dar, weil sie „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“ sind. Eine Einwilligung des Betroffenen gemäß § 4a BDSG fehlt hier. Inwieweit das Medienprivileg nach § 41 BDSG greift und die sich BILD als Presse nur eingeschränkt an die Bestimmungen des BDSG zu halten hat, müsste diskutiert werden. Derartige Privilegierungen der Presse sind aber wohl vertretbar, insbesondere wenn die personenbezogenen Daten im Kontext der Pressearbeit stehen.
Selbstverständlich wäre ein etwaiger datenschutzrechtlicher Verstoß erst einmal durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu beanstanden aufgrund des Hauptsitzes des Axel Springer Verlags in Berlin und nicht Gegenstand dieses Verfahrens vor dem Zivilgericht. Interessant wäre dennoch zu sehen, was sich aus einer solchen Eingabe des betroffenen Petenten ergibt.

Welche Folgen könnte diese Entscheidung haben?

Man wird wohl mit einem kritischen Auge auf diesen „Freispruch“ der BILD schauen müssen, die sich mit ihrem reißerischen Stil dieses Mal als eine Art Sprachrohr der Gesellschaft sieht und gewollt Fotos bzw. Meinungen von Dritten ohne dessen Einwilligung verbreitet. Jetzt kam ihr zu Gute, dass diese Daten auf Grundlage einer öffentlichen Berichterstattung über eines der meistdiskutierten Themen der letzten Monate (Stichwort: Flüchtlingskrise) verbreitet wurden und diese Kampagne „gegen Ausländer-Hetze“ von vielen gefeiert werden dürfte. So hat sich beispielsweise eine Task Force vom Bundesjustizminister Heiko Maas zu Bekämpfung von fremdenfeindlicher Hetze in den sozialen Netzwerken gegründet, der sich auch Facebook angeschlossen hat. In einem anderen Kontext der Berichterstattung über persönliche Informationen von Nutzern sieht die Sache aber wieder ganz anders aus. Denn nicht jeder Beitrag ist Teil der gesellschaftlichen Diskussion, auch wenn manche das gerne so hätten.

Was auf Facebook steht ...
Was erst einmal auf Facebook steht …

Ebenso darf bezweifelt werden, ob die „Freundesliste“ oder „Öffentlichkeit“ bei Facebook, woran auch eine ungenügende Privatsphären-Einstellung des sozialen Netzwerks einen Teil dazu beiträgt, gleichzusetzen ist mit der allgemeinen Öffentlichkeit, aus welcher sich Presse und Unternehmen bedienen können. Was im Internet über die Suchmaschinen zu finden ist, gilt gemeinhin als öffentlich (allgemeinzugängliche Quelle). Gleiches mag für denjenigen gelten, der über Twitter seine paar Zeichen über das Internet verschickt. Wer allerdings unter individueller Privatsphären-Einstellung auf Facebook nur für seine 200 Freunde eine Statusmeldung von sich gibt, muss nicht automatisch damit rechnen dürfen, dies dadurch der gesamten deutschen Öffentlichkeit auf dem silbernen Tablett zu präsentieren und übermorgen in Presse oder Rundfunk mit Klarnamen und Foto aufzutauchen. Selbst in den Zeiten der gewohnten Selbstdarstellung im Internet sollte zwischen ausgewählter und allgemeiner Öffentlichkeit unterschieden werden.

Was wir daraus in jedem Fall lernen sollten: Alles was im Internet, insbesondere auch bei Facebook oder Twitter veröffentlicht wird, kann der Allgemeinheit frei zugänglich sein und jedem auch schaden. Es sind schon viele Fälle bekannt, in denen eine „unglückliche“ Formulierung oder Information auf Facebook zur Kündigung im Job führte.

Erst Recht gilt dies bei krassen Aussagen unter dem eigenen Klarnamen mit eigenen Profilfoto und sonstigen persönlichen Informationen. Diese Problematik sollte sich jeder vor Veröffentlichung der Infos vor Auge halten. Leichter gesagt, denn in der Hitze der Diskussion, sind vermutlich jedem von uns hier und da einmal „unbedachte Wörter“ herausgerutscht. Als Rat kann ich nur geben: Kühlen Kopf bewahren und zweimal überlegen, bevor man auf „senden“ drückt. Denn jede Ursache hat auch ihre Wirkung, und die kann nicht nur die Umgebung (Freundeskreis), sondern eben auch die BILD Zeitung erreichen.

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Task Force zur Bekämpfung von Hassbotschaften und Hetze im Internet stellt erste Maßnahmen vor

Der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellte gestern ein Ergebnispapier der so genannten Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet zur Bekämpfung von fremdenfeindlicher Hetze in den sozialen Netzwerken vor. Die sich der Task Force angeschlossenen Unternehmen wie Facebook, Youtube und twitter und die prominenten Organisationen werden zukünftig stärker zusammenarbeiten und zahlreiche Maßnahmen treffen. So sollen gemeldete Beiträge schneller kontrolliert und gegebenenfalls innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden.

 

Die im September dieses Jahres gegründete Arbeitsgruppe von Bundesjustizminister Heiko Maas verfolgt das Ziel, Hetze und Hass gegen Ausländer im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder auf Youtube und twitter stärker strafrechtlich zu verfolgen und tatsächlich einzudämmen. Trotz medienwirksamer Ermittlungsverfahren und strafrechtlicher Verurteilungen in jüngster Zeit nahmen Beleidigungen und Fremdenhass auf Facebook und twitter spätestens mit der Flüchtlingskrise im deutschsprachigen Web rasant zu. Die teils überforderten Ermittlungsbehörden und Betreiber der Internet-Portale stehen folgerichtig seit Wochen unter starkem Beschuss der Politik. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich persönlich mit Facebook-Kopf Mark Zuckerberg am Rande einer UN-Versammlung in New York wegen dieser Problematik.

Nun konnte Heiko Maas das langersehnte Ergebnis der Gespräche und Planungen seiner Task Force der Öffentlichkeit präsentieren. So sieht das Konzept vor, dass sich die der Arbeitsgruppe angeschlossenen Internet-Anbieter Facebook, YouTube und twitter zukünftig noch stärker um die Löschung von Fremdenhass auf ihren Internet-Angeboten bemühen und gemeinsam mit weiteren Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen näher zusammenzuarbeiten wollen, um ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz zu setzen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche bekannte Verbände / Organisationen wie die „Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSM), jugendschutz.net, klicksafe und eco – der Verband der Internetwirtschaft e.V. Einige dieser Organisationen bemühen sich seit Jahren – mehr oder weniger erfolgreich – im Jugendschutz hierzulande um die so genannte „freiwillige Selbstkontrolle“ bzw. Selbstregulierung durch die Anbieter.

Nun also gibt es erstmals „auf Papier gedruckte“ Lösungsansätze. Obgleich die Nutzungsbedingungen der drei Unternehmen aus den USA die Löschung von strafbaren Beleidigungen und Fremdenhass in Kommentaren und Beiträgen ohnehin schon seit geraumer Zeit vorsehen, soll sich zukünftig die Bearbeitung von gemeldeten Beiträgen näher an dem deutschen Strafrecht, genauer an dem Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB orientieren. Hierfür sollen weitere Mitarbeiter in den Unternehmen eingestellt bzw. mit der Prüfung von Hassbotschaften beauftragt werden, um zügiger auf die Beschwerden zu reagieren.

Konkret lauten die neuen Vorgaben:

„Rechtswidrige Inhalte werden unverzüglich nach Inkenntnissetzung entfernt; die Mehrzahl der gemeldeten Inhalte werden in weniger als 24 Stunden geprüft und, falls erforderlich, entfernt.“

Dies war in jüngster Zeit häufig an Facebook kritisiert worden, denn teilweise wurden gemeldete Beiträge nicht oder nur mit zeitlichem Abstand entfernt. Facebook selber begründete diese Ungenauigkeit (unter vorgehaltener Hand) mit den sprachlichen Schwierigkeiten der zuständigen Mitarbeiter, die zumeist aus Dublin agieren, und zusätzlich mit der Fülle an täglichen Meldungen und Support-Anfragen.

Möglicherweise hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg aus diesem Grund auch strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Anstiftung zur Volksverhetzung gegen mehrere Manager von Facebook eingeleitet und so die Verantwortlichen unter Zugzwang gesetzt.

Die richtigen Schritte

Das knapp 5-seitige Ergebnispapier beinhaltet unter anderem folgende Lösungsansätze:

  • Die der Task Force angeschlossenen Unternehmen werden zukünftig technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um noch besser auf Beschwerden und Beanstandungen von fremdenfeindlichen (rechtswidrigen) Inhalten zu reagieren und diese zügig – in der Regel – innerhalb von 24 Stunden zu löschen.
  • Die Richtlinien der Unternehmen sollen noch transparenter werden und deutlich darauf hinweisen, dass rechtswidrige Inhalte mit Fremdenhass und Hetze überprüft und geeignete Maßnahmen hiergegen ergriffen werden wie z.B. das Löschen dieser Inhalte oder die Sperrung von Nutzerkonten.
  • Auch wollen die Unternehmen und Organisationen zukünftig die Zivilcourage der Mitglieder unterstützen und sich gegen Fremdenhass und Diskriminierung von Minderheiten einsetzen. Sie werden daher die Gegenrede („Counter Speech“) als offene und respektvolle Kommunikationskultur auf Grundlage einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe aktiv aufgreifen und stärken.
  • Die sich der Task Force unterworfenen Unternehmen und Organisationen versprechen nicht nur einen stärkeren Informationsaustausch untereinander, sondern werden darüber hinaus gemeinsam Informationen und insbesondere einen Leitfaden zum Thema „Hate Speech“ in den sozialen Netzwerken erarbeiten.

Die Meinungsfreiheit als wesentliche Grundlage der Gesellschaft

Gleichwohl betonten alle Mitwirkenden die elementare Bedeutung der Meinungsfreiheit und freien Meinungsäußerung für die vollständige Entwicklung der Persönlichkeit eines jeden Einzelnen als wesentliche Grundlage der freien und demokratischen Gesellschaft. Hierzu gehören natürlich auch verschiedene politische Ansichten. Um nicht der Gefahr zu laufen, sich eine Art der Internet-„Zensur“ vorwerfen zu lassen, sollten Facebook, Youtube und twitter gut daran tun, nicht jedes beanstandete Wort zu löschen, sondern weiterhin unter Achtung der geltenden Gesetzeslage auch ungeliebte Meinungen und krasse Aussagen zuzulassen. Auch die Internet-Demokratie muss dies aushalten können. Hingegen würde eine Überregulierung oder auch Klarnamenpflicht im Internet über das Ziel hinausschießen.

Nichtsdestotrotz ist damit zu rechnen, dass die geplanten Änderungen der Task Force sehr bald erste wahrnehmbare Ergebnisse bringen. Schließlich haben alle Akteure ein großes Interesse daran, Hassbotschaften und Diskriminierung zu bekämpfen und einen toleranten, fairen Umgang miteinander zu fördern. Dies spielt gewiss auch Facebook und Co. in die Karten, die als Anbieter unter negativer Publicity als Plattform für „Hassbotschaften“ und „Hetze im Internet“ in der Vergangenheit herhalten mussten.

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