Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urt. v. 21.04.2016, Az.: 16 U 251/15) traf vor kurzem eine sehr interessante Entscheidung aus dem Medienrecht, die sich mit zahlreichen aktuellen Fragestellungen zum Recht am eigenen Bild im Zeitalter von Sozialen Netzwerken und Blogs befasst. So zeigten die Richter quasi lehrbuchartig auf, wie die rechtliche Differenzierung im Hinblick auf eine etwaige Einwilligung in die Nutzung eines fremden Fotos bei Facebook und Co. vorzunehmen ist. Und warum die Rechte des Abgebildeten gestärkt werden sollten?
Sachverhalt
Der Kläger nahm als Aktivist an der politischen Demonstration „Germany Stop Taji“ im Februar 2014 in Frankfurt teil, die sich gegen die Tötung von Delfinen in Japan richtete. Auf einem Facebook-Account veröffentlichte er sodann eine Gallery mit 74, teilweise selbst geschossenen Fotos von dieser Veranstaltung. Auf einen diese Bilder war auch der Kläger zu erkennen. Der Beklagte verwendete anschließend in einem Bericht über den Angeklagten den Bildausschnitt eines dieser Fotos, wogegen sich der Kläger wehrte und sogar in Gegenberichten (unter anderem auf twitter) auf den Artikel des Beklagten hinwies.
In vorliegender Entscheidung gab das Gericht dem Kläger (erneut) Recht und stellte fest: Der Kläger kann von dem Beklagten die Unterlassung der Verbreitung dieses Bildnisses verlangen, da er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Denn allein der Umstand, dass der Kläger an der öffentlichen Demonstration teilnahm und hiervon erstellte Fotos auf einem Facebook-Profil veröffentlichte bzw. sogar später auf die Berichterstattung aktiv reagierte, begründet noch keine Einwilligung in die Nutzung des Fotos durch den Beklagten.
Medienrecht: Viele Details des Einzelfalls
Im Rahmen dieser lesenswerten Entscheidung wies das Gericht gleich auf mehrere Aspekte hin.
So wurde das Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) des Klägers durch die fremde Nutzung des ihm klar erkennbar zeigenden Bildausschnitts verletzt. In diesem konkreten Fall war die Verwendung des Bildes rechtwidrig. Und das trotz der Umstände, dass
- a) der Kläger während der Aufnahme an einer öffentlichen Veranstaltung teilnahm,
- b) das ursprüngliche Foto mehrere Personen auf der Demonstration zeigte und daher dem Grunde nach von den Ausnahmen der Panoramafreiheit (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG) und öffentlichen Versammlung (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG) erfasst sein könnte,
- c) er selbst Fotos (unter anderem das streitgegenständliche Foto!) auf einem Facebook-Profil veröffentlichte,
- d) ferner er sogar selbst später dasselbe Bild auf anderen Seiten im Internet einstellte
- e) und der Kläger wegen seiner gesellschaftlichen Aktivität von einer öffentlichen Bedeutung sein könnte.
Eine solch differenzierte Betrachtungsweise ist bemerkenswert, begründeten doch in der Vergangenheit einige dieser Argumente ganz gegenteilige Urteile zu Gunsten der Verbreitung bzw. Veröffentlichung von Informationen.
Facebook ist nicht zwingend die breite Öffentlichkeit
Vielleicht mag die Entscheidung einige überrascht haben. Immerhin vertraten die Richter damit die Ansicht: Wer eigenhändig Fotos oder Inhalte auf Facebook veröffentlicht, erteilt damit noch lange nicht die freie Nutzungserlaubnis für Jedermann. Denn solange diese Daten im soziale Netzwerk nur von angemeldeten Mitgliedern zu sehen sind, möglicherweise sogar nur von ausgewählten Freunden oder Bekannten, ist dies kein „wie ein Marktplatz öffentlicher Raum“.
Des Weiteren wurde die in der Rechtswissenschaft breitdiskutierte Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten (nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 22, 23 KUG) und konträren Rechten des Gegenübers dargestellt – sei es die Pressefreiheit (Art. 5. Abs. 1 S. 2 GG) oder sei es die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) eines Einzelnen. Hierzu führten die Richter aus, dass die Grundrechte einer Privatperson von weniger Gewicht seien wie die der Presse, wenn also beispielsweise die Veröffentlichung eines Bildes oder einer Information von einem öffentlichen Berichterstattungsinteresse der Allgemeinheit getragen ist. Wenn die Presse über aktuelle Themen aus der Politik oder Gesellschaft berichtet, genießt sie einen höheren Schutz als Beiträge von Privaten mit eher persönlichen Intentionen.
Des Weiteren spielten der Ausschnitt und eine etwaige begleitende Berichterstattung zu der Abbildung eine wesentliche Rolle:
„Bei dem herauskopiertes Einzelbild des Klägers handelt es sich um einen Ausschnitt, der aus dem Bildzusammenhang genommen worden ist. Es hat für sich gesehen als solches keinen Informationswert für die öffentliche Meinungsbildung, da es lediglich die Identifizierung des Klägers als Person ermöglicht. Über den Kontext der Demonstration, in dem das Bild aufgenommen wurde, wird gerade nicht berichtet.“
Das Gericht konstatierte damit auch, dass die Panoramafreiheit (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG) oder Ausnahme bei einem Bildnis der Versammlung (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG) dann jedenfalls nicht mehr greifen, wenn mittels Bildausschnitt eine einzelne Person in den Vordergrund rückt.
Insgesamt stärkten die Richter damit die Rechtsposition des Abgebildeten, der trotz seiner Aktivitäten in der Öffentlichkeit und sogar die erneute Verwendung derselben Fotos nicht jedermann ein Nutzungsrecht einräumt. Dies steht zweifelsohne der Auffassung mancher entgegen: Wer etwas bei Facebook veröffentlicht, muss damit ohnehin rechnen, dass andere diese Daten später ohne oder gegen den Willen des Betroffenen verbreiten bzw. nutzen.
Und wie ist es im Datenschutzrecht?
Gleichwohl ließe sich die Entscheidung auch auf Ebene des Datenschutzrechts besprechen. Denn die erkennbare Abbildung einer Person unterliegt dem personenbezogenen Datum nach § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Und für die Verwendung des Fotos durch den Beklagten bedürfe es grundsätzlich der schriftlichen Einwilligung des Abgebildeten nach §§4, 4a BDSG, sofern nicht eine andere Rechtsgrundlage greift. Hier käme möglicherweise das Medienprivileg (§ 41 BDSG) in Betracht, falls der Beklagte als „Presse“ einzustufen wäre. Oder aber § 28 BDSG, wenn der Beklagte den Bericht auf einem gewerblichen Portal zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke veröffentlicht hätte.
Mithin bleibt es dann bei der diskussionswürdigen Koexistenz von den Vorschriften §§ 22, 23 KUG und den Regelungen nach dem BDSG.
Fazit
Der Entscheidung ist im vollen Umfang zuzustimmen, stärkt sie doch die Rechte des Einzelnen.
Der Ausgang des Prozesses wäre gewiss anders verlaufen, wenn das streitgegenständliche Foto durch die Presse im Rahmen einer sachlichen, allgemeinen Berichterstattung über dessen Person oder die Veranstaltung erfolgt wäre. Doch zeichneten die Richter alle einzelnen Einflüsse auf, die letztlich in eine Interessenabwägung Einschlag finden.
Vielleicht ist gerade in der heutigen Social Media Welt eine genauere Betrachtungsweise gefragt, wie die überzeugenden Argumente des Gerichts nahelegen. Trotz der vermeintlichen Kenntnis der Nutzungsbedingungen und Funktionsweise von Facebook, twitter und instagram möchte der Nutzer möglicherweise seine Inhalte nur einem Freundes- oder Bekanntenkreis vorstellen, aber nicht sein Leben lang befürchten müssen, dass Ausschnitte vom privaten Urlaubsfotos von Fremden aufgegriffen werden.