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EGMR: Zur Haftung des Seitenbetreibers für Hass-Kommentare

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied vor wenigen Tagen (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13), dass ungarische Seitenbetreiber nicht für Hass-Kommentare ihrer Nutzer haften sollen. Demnach haben die Gerichte in Ungarn nicht hinreichend die Rechte der Beteiligten miteinander abgewogen und die Portale zu Unrecht verurteilt.

Irgendwie scheint das Thema „Internet und Hass“ als Teil der Meinungsäußerung seit geraumer Zeit ein juristischer Dauerbrenner zu sein, das längst nicht nur in Zeitschriften zum Medienrecht besprochen wird, sondern mittlerweile auch in der Tagespresse angekommen ist. Nicht ohne Grund hatte Bundesjustizminister Heiko Maas vor wenigen Wochen erste Ergebnisse seiner Task Force vorgestellt.

Da trifft es sich gut, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einem hierzu passenden Fall zu befassen hatte (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13), der für Gesprächsstoff sorgt und von Medienrechtlern diskutiert wird.

Das kennen wir noch von der im vergangenen Jahr ergangenen „Delfi-Entscheidung“ (EGMR, Urteil vom 16.06.2015, Az. 64569/09) zur Haftung eines Forenbetreibers für rechtswidrige Inhalte auf seiner Seite. In dieser Entscheidung erachtete der EGMR den Schadensersatzanspruch gegenüber einem Nachrichten-Portal, betrieben von der der Delfi AS aus Estland, für rechtmäßig, weil der Seitenbetreiber für die anonymen Kommentare auf seiner Seite zu haften habe und diese sogar im konkreten Fall sogar ohne Hinweis von Betroffenen zu löschen seien. Danach seien Hass-Beiträge und Hetze immer gleich direkt zu entfernen und nicht erst auf Beanstandungen hin.

Wurde nun in der aktuellen Entscheidung aus der vergangenen Woche ein auf dem ersten Blick widersprüchliches Resultat erzielt, wie einige Überschriften in den Medien suggerieren?

Schließlich hatte sich der EGMR in diesem Verfahren abermals mit dem Spannungsverhältnis zwischen der Meinungsfreiheit eines Einzelnen und den Rechten eines Unternehmens aus seinem Unternehmerpersönlichkeitsrecht zu befassen, allerdings dieses Mal in einer anderen Konstellation:

Die Beschwerdeführer waren die Selbstregulierungsorganisation der ungarischen Internet Service Provider, Magyar Tartalomszolgáltatók Egyesülete (MTE), und das ungarische Nachrichten-Portal index.hu, die jeweils als Plattformbetreiber von einem ungarischen Unternehmen in Haftung genommen worden sind, nachdem zuvor Nutzer der Seite im Jahre 2010 anonym in den Kommentaren die Machenschaften eines Unternehmens verhöhnt hatten. Dabei sind sinngemäß Formulierungen verwendet worden wie:

„Diese beiden Müll Immobilen-Seiten [..] Diese Leute sollen einen Igel scheißen …und ihr ganzes Geld auf die Gräber ihrer Mutter verwenden, bis sie tot umfallen“. (Im englischen Wortlaut der Entscheidung lautet das Zitat: “People like this should go and shit a hedgehog and spend all their money on their mothers’ tombs until they drop dead.”)

Das kritisierte Unternehmen betreibt ein Immobilen-Portal und empfand diese Kommentare als geschäftsschädigend, weswegen es rechtlich gegen beide Betreiber vorging. Und obgleich die Seitenbetreiber die beanstandeten Kommentare zeitnah entfernt hatten, zog sich dieser Rechtsstreit durch alle nationalen Instanzen – und immer standen die Richter auf der Seite des Immobilen-Vermittlers. Bis sich die Beklagten wegen der Verletzung von Art. 10 EMRK an den EGMR wandten und sich der Gerichtshof der Sache annahm.

Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Die Straßburger Richter befanden die streitgegenständlichen Äußerungen zwar für anstößig und vulgär, jedoch nicht für überschritten über die Schwelle der strafbaren Beleidigung. Auch haben die nationalen Gerichte in Ungarn keine ausreichende Interessenabwägung vorgenommen und seien voreilig zum Ergebnis gelangt, dass ein Rechtsverstoß und somit die Rechtswidrigkeit der Kommentare allein schon deshalb bestünden, weil sie den Ruf des Unternehmens gefährdeten. Denn zum einen seien die kritischen Kommentare – noch – rechtmäßig gewesen und zum anderen würde das anerkannte Kontrollsystem des „notice and take down“-Verfahrens außer Acht gelassen, das index.hu sowie MTE verwendeten. Zudem habe das ungarische Nachrichten-Portal seinen Usern durch Nutzungsbedingungen vorgeschrieben, dass vulgäre, aggressive und bedrohende Kommentare verboten seien.

Gleichwohl möchte sich der EGMR so verstanden sehen, dass das Urteil keine grundlegende Bedeutung haben soll, sondern vielmehr nur einen bestimmten Einzelfall abbildet. Denn die Interessenabwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Einzelnen, die hierzulande in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (und Art. 10 Abs. 1 EMRK) verfassungsrechtlich verankert ist, und den Rechten Dritter aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder – wie in diesem Fall – dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht obliegt unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände dem jeweiligen Einzelfall.

Der an der Entscheidung mitwirkende Richter Egidijus Kuris geht sogar noch einen Schritt weiter und warnt Content-Provider in einem anschließenden “Sondervotum“ davor, dieses Urteil zukünftig für die eigene Geschäftsmäßigkeit zu missbrauchen (instrumentalisieren) und sich so vor der (Mit-)Haftung zu „schützen“.

„Consequently, this judgment should in no way be employed by Internet providers, in particular those who benefit financially from the dissemination of comments, whatever their contents, to shield themselves from their own liability, alternative or complementary to that of those persons who post degrading comments, for failing to take appropriate measures against these envenoming statements. If it is nevertheless used for that purpose, this judgment could become an instrument for (again!) whitewashing the Internet business model, aimed at profit at any cost.” (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13, CONCURRING OPINION OF JUDGE KURIS)

In jedem Fall wird aber deutlich, dass die Gerichte im Einzelfall den Konflikt der Rechtsgüter hinreichend umfassend aufzulösen haben und sich aus einer kritischen oder anstößigen Meinungsäußerung noch per se keine Haftungspflicht des verantwortlichen Seitenbetreibers ergibt.

Haftung für rechtswidrige Inhalte: Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Grundsätzlich bestehen Prüfpflichten für einen Seitenbetreiber; jedoch sind daran keine allzu hohen Gradmesser zu stellen. Müsste ein Seitenbetreiber jeden Kommentar, Foren-Beitrag und jedes Foto vor der Veröffentlichung erst auf die Rechtmäßigkeit prüfen, bestünden die Gefahren einer „quasi-Zensur“ (zumindest deren Anschein) und der gravierenden Einschränkung eines Portals, das von Aktivitäten der Nutzer im Web 2.0 Zeitalter (user generated content) elementar abhängig ist. Aber derartige unangemessenen Anforderungen kosten Geld, hemmen die Aktivität der Mitglieder/User und können folglich die Geschäftsmäßigkeit des Angebots massiv gefährden.

Ausreichend soll es vielmehr nach ständiger Rechtsprechung sein, dass der Seitenbetreiber verschiedene – und den meisten wohl bekannte – technische Vorkehrungen trifft, wie die „Melde-Funktion“ und Moderation von Foren und Kommentaren, aber auch Word-Filter und Spam-Schutz. Dies setzt allerdings voraus, dass der fragliche Inhalt fremd ist, also einem Dritten zuzurechnen ist und sich der Seitenbetreiber diesen nicht zu eigen gemacht hat. Es muss daher für einen durchschnittlichen Laien erkennbar sein, dass es sich bei dem Kommentar, Beitrag oder sonstigen Inhalt um solchen des Nutzers handelt. Die Rechtsprechung hat für diese Abgrenzung verschiedene Kriterien entwickelt.

Demzufolge kann sich der Seitenbetreiber fremde Inhalte zu eigen machen, wenn er sie wirtschaftlich verwertet, optisch derart in seine Seite integriert, dass sie wie eigene Inhalte wirken oder beispielsweise eine Auswahl bzw. Bearbeitung der Inhalte vornimmt und somit Einfluss auf dessen Gestaltung ausübt. Diskutiert und bejaht wurde dies vom Bundesgerichtshof (BGH) beispielsweise bei einem Online-Kochbuch, wenn nämlich der Seitenbetreiber Rezepte und Anleitungen der Mitglieder auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüft und freischaltet bzw. sich sogar Lizenzen (z.B. für den Druck als Print-Version) daran einräumen lässt (BGH, Urteil vom 12. November 2009, Az. I ZR 166/07 – marions-kochbuch).

In der Regel sind aber heutzutage alle gängigen Internet-Portale und sozialen Netzwerke derart optisch und technisch gestaltet, dass der Autor des jeweiligen Inhalts mit Namen und/oder Profilfoto eindeutig als solcher erkennbar angezeigt wird und der Seitenbetreiber hierauf keinen Einfluss auszuüben vorgibt. Zudem tragen auffällige Hinweise („Bitte erstellt keine rechtwidrigen Inhalte“ usw.) und Nutzungsbedingungen einen Teil hierzu bei (So z.B. bei Facebook Fanseiten).

Bei der richtigen Verwendung dieser etablierten Funktionen kommt der Anbieter seinen gesetzlich geforderten Prüfpflichten nach, wenn sich Mitglieder oder Betroffene über anstößige Inhalte bei dem Plattformbetreiber beschweren und er daraufhin zeitnah innerhalb von wenigen Tagen – je nach Größe des Angebots – reagiert sowie gegebenenfalls rechtswidrige oder anstößige Inhalte löscht. Die auch als „notice and take down“-Verfahren bezeichnete Haftungsprivilegierung ist längst Praxis und z.B. in § 10 TMG gesetzlich normiert.

Der BGH bestätigte letztes Jahr in seiner Entscheidung – über die Haftung für die Bewertung auf einem Hotelbewertungsportal – diese Haftungsprivilegierung des Seitenbetreibers:

„Der Annahme einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten fremden Daten steht jedoch § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Danach ist es dem Betreiber eines Bewertungsportals grundsätzlich nicht zuzumuten, jeden Beitrag vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen. Diensteanbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, müssen außerdem die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (Erwägungsgrund 48 der Richtlinie 2000/31/EG; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2010 I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 40 = WRP 2011, 881 Sedo). Diese vom Senat aufgestellten Grundsätze stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 C324/09, Slg. 2011, I6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 109 ff., 139, 144 = WRP 2011, 1129 L’Oréal/eBay; Urteil vom 24. November 2011 C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rn. 36 ff. Scarlet/SABAM; Urteil vom 16. Februar 2012 C360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 34 ff. = WRP 2012, 429 SABAM/Netlog; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 22 ff. Stiftparfüm).“ (BGH, Urteil vom 19.03.2015, Az. I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal)

Es ist nicht ersichtlich, warum sich an dieser Linie etwas ändern sollte. Die gewählte Konstruktion der Haftungsprivilegierung von Seitenbetreibern im Internet und das „notice and take down“- Verfahren werden im jeweiligen Einzelfall der Interessenabwägung einem ausgewogenen und angemessenen System gerecht.

Was bedeutet das nun für Webmaster und Seitenbetreiber?

Können jetzt Webmaster und Betreiber von Foren und Webportalen aufatmen? Die Antwort lautet „jein“ – denn es bleibt alles beim Alten.

Die Verantwortlichen sollten sich weiterhin nicht durch die unterschiedlichen Schlagzeilen wie „Seitenbetreiber haften nicht für Hass-Kommentare“ oder „EGMR spricht News-Portal von Haftung für Nutzerkommentare frei“  irritieren und sich in Sicherheit oder Unsicherheit wiegen lassen. Auch zukünftig sollten zeitgemäße und praxistaugliche „Melde-Systeme“, Kontroll-Funktionen, Foren-Moderation nebst entsprechender AGB/Nutzungsbedingungen einen notwendigen Bestandteil des Internetangebots sein und Mitarbeiter/Verantwortliche innerhalb von 1-3 Tagen auf Beanstandungen reagieren, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Dann haben Sie grundsätzlich erst einmal nichts zu befürchten.

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Medienrecht: Wenn Fotos und Videos vom Unfallort im Internet veröffentlicht werden

Dem Smartphone-Zeitalter sei Dank: Passiert irgendwo auf der Welt ein Unglück, verletzt sich jemand bei einem Verkehrsunfall oder kommt es zu einer Massenschlägerei in der Disco – spätestens 1 Tag später finden sich die Bilder und Videos auf Facebook, twitter und Youtube. Sofort wird das Handy gezückt und geknipst: Sei es aus bloßer Neugier, sei es aus dem individuellem Drang (Sensationslust?), diesen Moment unbedingt der Öffentlichkeit und all seinen Freunden mitteilen zu wollen.

Häufig führt dies zu einer Reihe an Problemen tatsächlicher und rechtlicher Art, über die sich bekanntermaßen im Moment der überkommenden Sensationslust die wenigsten Gedanken machen können oder auch wollen.

Denn die Schaulustigen (Auch gern „Gaffer“ genannt) stehen nicht nur der Polizei oder den Einsatzhilfskräften im Weg, sondern können spätestens mit der Veröffentlichung solcher Bilder auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbesondere wenn er hilflos oder bewusstlos auf dem Boden liegend oder jedenfalls gegen seinen Willen abgelichtet wird.

Nach Unfall nahe Hamburg: Polizei zeigt Gaffer an

So kam es vor wenigen Tagen zu einem Verkehrsunfall nahe Hamburg auf der Autobahn A1 bei Heidenau (Landkreis Harburg). Als mehrere Personen am Unfallort das Unglück mit ihrem Handy fotografierten bzw. filmten, reagierte die Polizei forsch auf diese Beobachter. Und zwar sollen insgesamt neun Personen während der Fahrt langsam am Unfallort vorbeigefahren sein mit dem Handy in der Hand. Da die Polizei nach eigenen Angaben dabei die vorbeifahrenden Autofahrer und Schaulustigen sehr genau beobachtet haben will und deren Kennzeichen notiert hat, konnte gegen die neun Verdächtigen Strafanzeige gestellt werden (Quelle: ndr).

Bereits vor wenigen Wochen standen Anwohner und herbeigelaufene Zuschauer in Hamburg während eines Rettungseinsatzes den Rettungskräften im Weg, während die herbeigeeilten Beobachter versuchten, sich vor Ort ein Bild von der Situation zu verschaffen. Dabei behinderten sie unter anderem den Rettungswagen bei der Durchfahrt wie ebenso die Rettungskräfte beim Transport des jungen und schwer verletzten Mädchens zum und mit dem Rettungshubschrauber.

Rechtliche Situation: Vom Strafrecht bis zum Schadensersatz

Das „Gaffen“ und Fotografieren am Unfallort kann gleich in mehrfacher Hinsicht rechtliche Fragen aufwerfen, bisweilen auch rechtliche Konsequenzen haben.

So könnten sich die unbeteiligten Zuschauer beispielsweise nach § 201a StGB strafbar machen, wenn sie Bildaufnahmen von den Betroffenen in dessen Privatsphäre bzw. in dessen privatem Lebensbereich oder bei einer Hilflosigkeit der Person herstellen (Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2) oder Bilder einem Dritten zugänglich machen, die dazu geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden (Abs. 2). Zwar dürfte sich der Abgebildete wohl zumeist in einem öffentlichen Raum (Straßenraum) bewegt haben, weswegen die Privatsphäre wohl nicht betroffen sein dürfte. Allerdings könnten Bilder von Unfallopfern oder Verletzten selbstverständlich dazu geeignet sein, ihn in seinem Ansehen zu schaden, insbesondere wenn das Bild suggeriert, der Betroffene habe einen Unfall verursacht, sei im Straßenverkehr unachtsam gefahren oder habe sogar für Gefahr für Leib und Leben anderer Personen gesorgt. Es müsste den Tätern sodann ein „sozial inadäquates“ Verhalten nachzuweisen sein.

Zudem kann die Strafbarkeit nach der unterlassenen Hilfeleitung gemäß § 323c StGB In Betracht kommen, wenn Schaulustige lieber „gucken“ statt zu helfen oder sogar Rettungswagen beim Vorbeifahren behindern. Daran anknüpfend sind noch zahlreiche Delikte als „Unterlassens“-Handlung möglich.

Im oben geschilderten Fall soll die Polizei die Strafanzeige auf eine Ordnungswidrigkeit aus dem Straßenverkehrsrecht abgestellt haben, denn die Fahrer haben ja das Handy am Steuer bzw. während der Fahrt benutzt, weswegen ihnen ein Bußgeld und ein Punkt in Flensburg drohen.

Des Weiteren könnten vor den Zivilgerichten zivilrechtliche Ansprüche von den Opfern oder dessen Angehörigen herangezogen werden.

Der Verunfallte oder das Opfer könnte grundsätzlich ein Anspruch auf Sperren, Löschen und Unterlassen der Verbreitung von Fotos und Videos im Internet geltend machen, wenn er auf dem Bild erkennbar abgebildet wird. Ihm stehen diese Ansprüche auf Grundlage seines Rechts am eigenen Bild im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 I BGB iVm § 22, 23 II KUG iVm Art. 2 I, 1 I GG bzw. §§ 823 I, 1004 I 1 BGB iVm § 22 I KUG iVm Art. 2 I, 1 I GG zu. Die Fotos wären dann zu löschen und die weitere Verbreitung untersagt. Sollten die Bilder oder allgemein die Berichterstattung den Betroffenen sogar schwerwiegend in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I, 1 I GG verletzen und ihm dadurch ein Schaden entstehen, wäre unter Umständen auch ein solcher Schadensersatz denkbar.

Für die erfolgreiche Geltendmachung dieser Ansprüche müssen einige Voraussetzungen vorliegen, wie z.B. die Erkennbarkeit und/oder Identifizierbarkeit des Abgebildeten. Allerdings soll bereits ein Bild von Teilen des Körpers ausreichend sein, wenn sich aus dem Gesamtkontext eine Erkennbarkeit ergibt (Vgl. OLG Köln, Urt. v. 26.03.2013 – Az. 15 U 149/12). Sodann soll es von Bedeutung sein, inwieweit die betroffene Person im Mittelpunkt des Bildes steht, wie ehrverletzend diese Berichterstattung und Veranschaulichung der Situation ist und auch in welchem Rahmen dieses Foto gezeigt wird, also ob nur im engsten Bekanntenkreis oder im Internet. Ebenso muss das Foto nach Herstellung auch öffentlich zur Schau gestellt bzw. verbreitet werden, was bei dem Hochladen bei Facebook und Co. unproblematisch gegeben ist.

In der Regel dürfte es wohl zum Unterlassen und/oder dem Sperren und Löschen der Bilder führen nach dem erfolgreichen Prozess.

Pressefreiheit vs. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Können diese Fallkonstellationen noch halbwegs verständlich dargestellt werden, verhält es sich noch komplizierter, wenn anstelle des Hobby-Fotografen die Presse agiert. Denn an dieser Stelle kann man nun das „große Fass aufmachen“– zumindest in der Rechtswissenschaft – bei der oftmals anzuwendenden Abwägung mehrerer kollidierender Grundrechte. Wenn beispielsweise die Presse über ein Unfall oder Tathergang berichtet und sich dabei auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) und Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG beruft, gilt es eine Interessenabwägung zu treffen zwischen dem öffentlichen Berichterstattungsinteresse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten / Betroffenen anhand von diverser Faktoren wie der Bekanntheit der Person in der Öffentlichkeit, dem damit einhergehenden öffentlichen Berichterstattungsinteresse, Art und Weise der Herstellung des Fotos sowie Inhalt, Form und Auswirkung der Veröffentlichung (Vgl. EGMR, GRUR 2012, 745 Rn. 109ff; BGH, NHW 2009, 757; BGH, ZUM 2000, 149, 154ff). Inwieweit nun ein öffentliches Berichterstattungsinteresse anzunehmen sei, wenn eine Privatperson mit dem Handy ein Foto eines unbekannten Verletzen in seinem Auto nach einem Verkehrsunfall schießt und dieses im Internet veröffentlicht, mag jeder selbst entscheiden.

Die Presse hingegen betont allzu gerne ihre wichtige Aufgabe der Berichterstattung und Meinungsbildung, z.B. auch bei der Veröffentlichung eines Fotos eines verstorbenen Flüchtlingskindes am Strand als Titelbild oder bei Fotos von Prominenten im Urlaub in höchst privatem Moment zusammen mit Kind und Ehegatten. Hier dürften sich manch Medienrechtler die Haare sträuben, wenn Jugendschutz, Persönlichkeitsrecht und Presse-Kodex usw. praktisch ausgehebelt werden mit dem Argument der „Pressefreiheit“. Und auch manch hochrangiger und umstrittener Funktionär von Unternehmen oder Gewerkschaften musste sein privates Haus mit Wohnortsangaben in den Medien wiederfinden, was einer Pranger-Wirkung gleichkommt.

Die (europäische) Rechtsprechung (Vgl. „Caroline-Rechtsprechung“ – EGMR, Urt. v. 24.06.2014 – ZUM 2004, 65) ist hier zumeist restriktiv und schützt in letzter Zeit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, insbesondere wenn er sich nicht gegen die Herstellung des Fotos wehren kann, es der reinen Sensationslust dient sowie in die Privatsphäre oder gar Intimsphäre eingreift und der Abgebildete kein Prominenter oder Träger eines öffentlichen Amts ist, was von einem gewissen öffentlichen Berichterstattungsinteresse getragen ist (Vgl. (Vgl. EGMR, GRUR 2012, 745 Rn. 109ff; BVerfG, GRUR 2008, 539, Rn. 46f; EGMR Urt. v. 24.06.2014 – ZUM 2004, 651). Gleiches gilt dann erst Recht für Fotos nach Unfällen oder im Krankenhaus.

Wo die Rechtsprechung allerdings ein Riegel vorgeschoben hat: Den Angehörigen eines Verstorbenen bei einem Unfall steht keine Geldentschädigung zu, wenn die Presse über diesen Unfallhergang berichtet und ein neutrales Porträtfoto des Unfallopfers verbreitet (Vgl. BGH, Urt. v. 20.03.2012 – Az.: VI ZR 123/11).

Keine Abschreckung

Doch diese drohenden rechtlichen Folgen schrecken nur die Wenigsten davon ab, ihr Handy fast schon reflexartig bei einem Unfall zu zücken, „voll draufzuhalten“ und es stolz bei Facebook hochzuladen. Denn selbst bei einer Verurteilung wird es wohl meistens ausreichen, das Bild dann zu löschen, während das Bild dann im Internet von beliebigen anderen Seiten kopiert wird. Dafür werden solch schreckliche Fotos gerne geteilt und Unfall-Videos haben bei Youtube Millionen Klicks. An die Rechte der Betroffenen denkt dann so gut wie Niemand. Ausser die Beteiligten und ein paar Anwälte.