Aktuelles zum Datenschutz: Von „EU US Privacy Shield“, Klarnamenpflicht bei Facebook und der Vorabentscheidung des EuGH zu Facebook-Fanpages *UPDATE*

Im Bereich des Datenschutzes ist in den letzten Tagen viel in Europa passiert, auch wenn noch viel in der Diskussion steht. Grund genug für einen kurzen Überblick über aktuelle Themen und Verfahren zum nationalen und internationalen Datenschutz und einen kleinen vorläufigen Ausblick.

1. EU US Privacy Shield

Am 2. Februar konnten sich die EU-Kommission und Vertreter der USA grundsätzlich auf das „EU-US Datenschutzschild“ („EU-US Privacy Shield“) einigen, wie der estnische Vizepräsident der Europäischen Kommission, Andrus Ansip und die tschechische Justizkommissarin Vera Jourava per Pressemitteilung verlautbaren ließen.

Die auf großen politischen Druck hin schnell gestrickte Vereinbarung soll als Nachfolger von „Safe Harbor“ dienen und die nach der wegweisenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entstandene Rechtslücke für den Datenaustausch von personenbezogenen Daten zwischen Europa und den USA mehr oder weniger wirksam schließen.

Denn der EuGH hatte bekanntlich Anfang Oktober 2015 mit einem spektakulären Urteil das einige Jahre lang geltende Safe-Harbor Abkommen zwischen Europa und den USA für unzulässig erklärt. Dies galt unter anderem als Rechtsgrundlage für die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus Europa in die USA und stufte diese als mit dem deutschen/europäischen Datenschutz-Level im Einklang stehenden „sicheren Hafen“ ein. Daneben existieren für die in Deutschland ansässigen Unternehmen unter anderem noch die „EU-Standardvertragsklausel“ und die deutlich strengeren Regelungen aus dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wenn sie solche Datenverarbeitungsprozesse vornehmen oder vornehmen lassen.

Der EuGH in Luxemburg
Der EuGH in Luxemburg

Mit diesem Paukenschlag versetzte der EuGH nicht nur hierzulande die Datenschutzbehörden in Alarmbereitschaft, sondern vielmehr auch alle in Deutschland agierenden Unternehmen, die auf Grundlage von technischen Vorgängen wie dem (internen) E-Mail-Verkehr, Mitarbeiter-Intranet oder mittels ihren Webseiten bzw. Servern personenbezogene Daten in die USA transportieren. Theoretisch betrifft dies quasi jedes zweite oder dritte Unternehmen, das auf Web-Server oder Mail-Server aus den USA zugreift oder spezielle Dienste auf Ihren Webseiten integriert hat, die einen Datentransfer in die USA vorsehen (z.B. auch Analyse-Tools, Skripte oder Sicherheits-Tools für die Webseite).

Trotz der grundlegenden Einigung über das neue „EU-US Privacy Shield“-Abkommen, das vorläufig nur im stillen Kämmerchen der EU-Gebäude geschmiedet wurde, fehlt es bislang an verbindlichem und aussagekräftigem Info-Material (und dem genauen Wortlaut der Regelung). Zwar konnten schon einige Datenschützer eine erste Einschätzung vornehmen, doch im Grunde tappen wir alle noch im dunklen.

Die „Angemessenheitsentscheidung“ wird derzeit von der Europäischen Kommission vorbereitet, wonach „festgelegt wird, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der von ihm eingegangenen internationalen Verpflichtungen ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet.“ (Quelle: European Data Protection Supervisor). Und auch die nationalen Mitgliedsstaaten sowie der europäische „Zusammenschluss“ der jeweiligen nationalen Datenschutzbehörden als „Art. 29 Gruppe“ sind noch zu beteiligen, ehe das Abkommen dann rechtswirksam umgesetzt werden kann.

Einige Datenschützer haben sogar schon angedeutet, dass wohl auch dieses Abkommen die Bedenken am Schutzlevel der betroffenen Daten in den USA, insbesondere auch dem Schutz vor Zugriffen von US-amerikanischen Geheimdiensten und Organisationen auf die personenbezogenen Daten von Europäern nicht vollends aus der Welt schaffe und keine gefestigte Rechtsgrundlage für den Datentransfer liefere. Es wird sich sehr bald zeigen, wie die Europäische Kommission dies sieht.

Sehr gute und aktuelle Analysen zu diesem datenschutzrechtlichen Abkommen lassen sich im eigens zu diesem Thema ins Leben gerufenen Blog ( www.euusprivacyshield.de) von dem Datenschutzexperten Dr. Carlo Piltz nachlesen.

UPDATE 05.03.2016

In den vergangenen Tagen veröffentlichte die Europäische Kommission den ersten Entwurf der Angemessenheitsentscheidung. Nun darf darüber diskutiert werden, ob diese Entwurf den Anforderungen des EuGH gerecht werden. Eine erste Analyse findet sich im genannten Blog von Rechtsanwalt Dr. Carlo Piltz. Seiner Ansicht nach blieben derzeit noch einige Fragezeichen im Raum.

 

2. Der HmbBfDI leitet erste Verfahren ein

Wie der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) Prof. Johannes Caspar vor wenigen Tagen gegenüber dem Handelsblatt mitteilte, habe die Hamburger Datenschutzbehörde bereits erste Bußgeldverfahren gegen mehrere in Hamburger ansässige Unternehmen wegen der Datenschutzverstöße in der Post-Safe-Harbor Ära eingeleitet.

Diese Unternehmen seien Töchterunternehmen von Firmen aus den USA und würden nach Auffassung des Hamburgischen Datenschützers personenbezogene Daten derzeit ohne rechtliche Grundlage in die USA übermitteln. Und dies trotz mehrerer offiziellen Hilfestellungen und der großen Ankündigung der Behörde im vergangenen Jahr, die fraglichen Unternehmen zu Beginn des Jahres unter die Lupe zu nehmen bezüglich ihres Datenaustausches mit Mutterkonzernen in den USA.

Im Raum steht ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Handeln (§ 43 BDSG) gegen die Vorschriften aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Jedoch wolle man erst einmal die betroffenen Unternehmen anhören und gegebenenfalls danach ein Bußgeldbescheid erlassen.

Es bleibt also abzuwarten, inwiefern die deutschen Aufsichtsbehörden ernst machen und solche Bußgeldverfahren einleiten bzw. Bußgelder verhängen. Oder ob das neue Datenschutz-Abkommen zwischen Europa und den USA dann als wirksame Rechtsgrundlage Anerkennung findet.

 

3. Der Streit um die Klarnamenpflicht bei Facebook

Und noch einmal Hamburg: Im Verwaltungsverfahren wegen des Streits zwischen der Hamburger Datenschutzbehörde und Facebook um die so genannte Klarnamenpflicht im größten sozialen Netzwerk der Welt herrscht seit Monaten Stillstand. Wenig Neues gibt es zu dem am Verwaltungsgericht Hamburg seit einem halben Jahr anhängigen Verfahren, wie auch die Behörde im jüngst veröffentlichten Tätigkeitsbericht konstatiert.

Prof. Johannes Caspar wird indes nicht müde auf die derzeitige Rechtslage in Deutschland zu verweisen, an die sich auch Facebook zu halten habe. So sagte er am gestrigen Tage, während der Facebook-Chef Mark Zuckerberg seinen Besuch in Berlin fortsetzte und medienwirksam morgens bei Schnee und Regen durch das Brandenburger Tor joggte: „Facebook sammelt zu viele Daten, verfolgt seine Nutzer und besteht auf deren Klarnamen, auch wenn es gegen das Gesetz ist.“

Schließlich ist im deutschen Recht in § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG) auch die anonymisierte Nutzung eines Telemedienangebots ausdrücklich verankert, die das Interesse des Einzelnen zum Schutz der Privatsphäre bei seinen Internet-Aktivitäten verfolgt. Niemand soll gezwungen sein, im Internet oder in Foren mit seinem Klarnamen zu diskutieren – und erst Recht nicht sich durch amtliche Ausweispapiere bei einer Anmeldung zu legitimieren.

Vor diesem Hintergrund hatte der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit wegen dieses Verstoßes gegen das Telemediengesetz und das Personalausweisgesetz am 28.07.2015 eine Anordnung gegen die Facebook Ireland Ltd. erlassen (Siehe Pressemitteilung), gegen die sich das Unternehmen gerichtlich wehrt.

Alerdings ist in der bevorstehenden EU-Datenschutzgrundverordnung eine solche Regelung zur anonymen Nutzung von Telemedien zum Leidwesen vieler Datenschützer jedenfalls nicht ausdrücklich erwähnt. Insofern könnte sich dieses Bestreben und folglich das gesamte Verfahren in spätestens einem Jahr nach dem derzeitigen Stand der Dinge von selber erledigt haben.

Zudem argumentieren die Rechtsanwälte von Facebook, die Klarnamenpflicht diene auch der Gewährleistung der Rechtsverfolgung. Ihr Motto könnte daher lauten: Wer das social network unter seinem echten Namen nutzt, betreibt (wohl) seltener Unfug in diesem und kann bei Rechtsverstößen oder Straftaten effektiver zur Verantwortung gezogen werden. Dass dieses Argument nur bedingt greift, beweisen die zahlreichen derzeit diskutierten Fälle der Facebook-Hetze, wo sich unzählige Bürger auch unter ihrem Klarnamen und mit klar erkennbaren Profilfoto an den Diskussionen bis hin zur strafbaren Volksverhetzung beteiligen. Also eine Klarnamenpflicht würde demgemäß wohl nicht zu einem stilvollen und rechtstreuen Umgang auf Facebook führen.

UPDATE 05.03.2016

Ende der Woche berichteten diverse Medien von einem „Sieg“ von Facebook im Verwaltungsrechtstreit zwischen dem HmbBfDI und der Facebook Ireland Ltd. Diese Schlagzeilen sind eigentlich falsch, denn das Unternehmen konnte lediglich im einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG Hamburg (Beschl. v. 03.03.2016, Az. 15 E 4482/15) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung der Behörde wiederherstellen lassen – die Anordnung kann daher zunächst nicht vollzogen werden.

Das Gericht argumentierte: Das deutsche Recht sei gar nicht anwendbar, sondern vielmehr das Recht des EU-Landes, mit dem die streitgegenständliche „Datenverarbeitung am engsten verbunden sei“. Dies sei hier wegen des Sitzes der Facebook Ireland Ltd. in Dublin das irische Gesetz. Eine tiefgehende materielle Prüfung der eigentlichen Frage, namentlich: Inwieweit Facebook die anonyme Nutzung nach der deutschen Rechtslage (TMG) zu gewährleisten hat, wurde somit gekonnt umschifft.

Auf der Seite der Hamburger Datenschutzbehörde findet sich hierzu bereits eine lesenswerte Pressemitteilung mit Hinweisen auf – möglicherweise – anderslautende Entscheidungen hinsichtlich der Prüfung des anzuwendenden Rechts für grenzüberschreitende Fallkonstellationen. Die Behörde geht daher weiterhin von der Rechtmäßigkeit der Anordnung aus.

„Die Auffassung, wonach das Recht desjenigen Mitgliedstaats der EU anzuwenden ist, in dem sich diejenige Niederlassung befindet, mit deren Tätigkeit die streitige Datenverarbeitung am engsten verbunden ist, vermag nicht zu überzeugen. Das Ziel der EU-Datenschutzrichtlinie, einen umfassenden und wirksamen Schutz der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Achtung der Privatsphäre und des Datenschutzes zu gewährleisten, wird durch diese enge Auslegung im Beschluss verfehlt. Wir werden uns daher weiterhin für das Recht auf pseudonyme Nutzung einsetzen und die erforderlichen Schritte prüfen.“
(Prof. Johannes Caspar, Pressemitteilung vom 4.03.2016).

 

4. Der EuGH hat nun im Fall ULD vs. Facebook sechs Fragen zu klären

Und auch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in Kiel befindet sich derzeit in einem äußerst interessanten Verwaltungsrechtsstreit, welches auch Facebook betrifft und nun in die nächste Runde geht.

Das ULD ist knapp seit fünf Jahren der Ansicht, der Betrieb einer Facebook-Fanpage verstoße gegen nationales und europäisches Datenschutzrecht. Konkret wurde beanstandet, dass die von Facebook integrierten Analyse-Tools (wie z.B. „Facebook Insights“) zur Auswertung des Nutzungsverhaltens der Seitenbesucher sowie deren Verknüpfung mit der ohnehin erfolgten Verarbeitung der Nutzerdaten für Werbezwecke einer ausdrücklich erklärten Einwilligung der Seitenbesucher bedürfe. Hieran fehle es aber, weswegen diese Facebook-Fanpage  zu deaktivieren sei. Aus diesem Grund erließ das ULD eine Anordnung gegenüber einem in Schleswig-Holstein ansässigem Bildungsunternehmen, das auf Grund der Eigenschaft als Betreiber der Facebook-Fansite als „verantwortliche Stelle“ nach dem BDSG angesehen wurde und sich anschließend mit der Klage im Verwaltungsverfahren in beiden Instanzen gegen diese Anordnung wehrte. Die Betreiberin des Netzwerks, die Facebook Ireland Ltd. ist zwar nur Beigeladene, ließ es sich aber nicht nehmen, eigene Stellungnahmen zu dem Verfahren abzugeben.

Am gestrigen Tag fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig die mündliche Verhandlung in dieser Sache statt mit dem Ergebnis: Nun wird erstmal der EuGH angerufen zur Klärung der datenschutzrechtlichen Verantwortung für die beim Aufruf einer Facebook-Fanpage erhobenen Nutzerdaten. Dem EuGH werden sechs konkrete Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BVerwG 1 C 28.14 – Beschluss vom 25. Februar 2016). Solange dies nicht geklärt ist, wird das anhängige Revisionsverfahren erst einmal ausgesetzt.

Die Leiterin des ULD, Marit Hansen kommentiert in der gestrigen Pressemitteilung diese Entscheidung des Gerichts wie folgt:

„Nach mehr als fünf Jahren und drei Instanzen hatte ich auf klare Aussagen und einen Abschluss des Rechtsstreits gehofft. Vor dem Hintergrund, dass wir in zwei Jahren mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung arbeiten werden, steht zu befürchten, dass der ursprüngliche Sachverhalt in der rechtlichen und technischen Umsetzung überholt sein wird. Mit Blick auf die jüngsten Urteile des EuGH mit Datenschutzbezug ist aber hier mit deutlichen Impulsen für den Schutz der Betroffenenrechte zu rechnen. Außerdem freue ich mich darüber, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Verhandlung die Wirksamkeit der Grundrechte auch in komplexen Verarbeitungszusammenhängen im Internet betont hat.“ (Quelle: Pressemitteilung des ULD)

Fazit zur aktuellen Bestandsaufnahme: Es bleibt also spannend, wie es in den nächsten Wochen weiter geht mit der aktuellen Materie des Datenschutzes und ob weitere aufsichtsbehördliche Schritte in Hamburg eingeleitet und umgesetzt werden. Vieles liegt auch nicht in der Hand der deutschen Datenschützer, sondern muss auf EU-Ebene diskutiert werden. Entscheidend wird sein, ob das „EU-US Privacy Shield“-Abkommen in Kürze zur Zufriedenheit der Beteiligten besprochen und sodann abgesegnet wird – und wie anschließend die nationalen Datenschutzbehörden darauf reagieren. Bestehen weiterhin ernsthafte Zweifel an dem Datenschutz-Level in den USA, dürfte sich das Spiel wiederholen.

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Rostocker Richter nach Facebook-Foto für befangen befunden

Ein Strafrichter aus Rostock ist durch ein Foto auf seinem persönlichen Facebook-Profil sowie weiteren Bemerkungen negativ aufgefallen, so dass der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr in der Revision die Besorgnis der Befangenheit annahm. Zukünftig sollten Richter also aufpassen, was sie privat im Internet veröffentlichen.

Das Themenfeld „Facebook und Arbeitsrecht“ füllt mittlerweile viele Bücher. Zahlreiche Entscheidungen deutscher Gerichte sind in den letzten Jahren ergangen, in denen beispielsweise die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen anstößiger Beiträge gegenüber dem Chef  oder nach veröffentlichten Urlaubsfotos während einer angeblichen Krankschreibung für rechtmäßig erklärt worden sind. Aber auch mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit privat im Internet und somit auch auf Facebook oder Twitter surfen darf, beschäftigen sich die Juristen seit Jahren.

Doch nun hat sich diese Thematik um einen weiteren, kuriosen Fall aus dem Strafrecht erweitert: Ein Strafrichter am Landgericht Rostock sorgte mit umstrittenen Inhalten auf seinem privaten Facebook Account für Schlagzeilen und verspielte damit seine Reputation als unvoreingenommener Richter. Dies hat nicht nur für ihn Konsequenzen, sondern auch für die damaligen Angeklagten.

Denn wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einer erfolgreichen Revision nunmehr entschied (BGH, Az. 3 StR 482/15), wurde die Besorgnis der Befangenheit des Richters angenommen, weil sich dieser privat im Internet über die Angeklagten lustig machte.

Was war passiert? Der Richter soll sich unter anderem mit einem Foto in seinem Facebook Profil gezeigt haben, auf welchem er ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA.“ trug (JVA ist bekanntlich die Abkürzung für „Justizvollzugsanstalt“). Durch das „liken“ eines Kommentars unter diesem Bild und weiteren eigenen Kommentaren soll er seine Zustimmung ausgedrückt haben, wie das Gericht nun befand. Dabei war zu keinem Zeitpunkt umstritten, dass es sich um den Account des Richters handelte, da dieser in seinem Profil unter anderem sein Amt als Richter angegeben hatte.

In einem Prozess vor der 2. Großen Strafkammer des Landgericht Rostock unter der Leitung des fraglichen Richters wurden zwei Angeklagte im April letzten Jahres unter anderem wegen erpresserischen Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im vorangegangenen Ablehnungsgesuch nach § 24 Abs. 2 StPO im Rahmen des Prozesses hatten die Strafverteidiger noch keinen Erfolg. Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt mit der Begründung, das Foto entstamme der Privatsphäre des Richters und sei als „Witz“ einzustufen. Eine Stellungnahme hatte dieser dazu nicht abgegeben. Doch in der Revision vor dem BGH kam es zu der wegweisenden Entscheidung.

Wie der 3. Strafsenat des BGH befand, mache sich der Strafrichter einen Spaß auf Kosten der Angeklagten.

„Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. [..] Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“ (BGH, Az. 3 StR 482/15)

Auf Grund der erfolgreichen Revision der Strafverteidigung muss das Strafverfahren nun erneut verhandelt bzw. neu entschieden werden. Interessant ist außerdem, dass dieses Mal jedoch vor dem Landgericht Stralsund verhandelt wird, also die BGH Richter das Verfahren gleich an ein ganz anderes Gericht statt wie üblich nur an eine andere Kammer des Ausgangsgerichts verweisen.

Der Hamburger Strafverteidiger und Rechtsanwalt Dr. Böttner meint dazu:

„Bemerkenswert ist auch, dass der 3. Strafsenat des BGH das Verfahren nicht etwa an eine andere Kammer des Landgerichts Rostock verwiesen hat, sondern offenbar die Auffassung der Verteidigung teilt, dass die Angeklagten dort kein faires Verfahren erwartet, nachdem man am Landgericht durch Ablehnung des offensichtlich begründeten Befangenheitsantrages versucht hat „Schützenhilfe“ zu leisten. Der BGH hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zur neuen Tatsachenverhandlung an das LG Stralsund verwiesen. Eine solche Vorgehensweise ist eher selten.“

Laut Angaben des NDR soll die fragliche Facebook-Seite des Richters inzwischen gelöscht worden sein, was natürlich keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang des Verfahrens hat.

Auch wird der in die Kritik geratene Richter nicht sein Amt verlieren und hat auch keine dienstrechtlichen Folge zu befürchten, wie nun das Landgericht Rostock durch eine Sprecherin mitteilen ließ.

Welche Folgen können aus dieser Entscheidung entstehen?

Die meisten Strafverteidiger dürften diesen Erfolg begrüßen, wurde doch erstmals vom BGH deutlich gemacht, dass auch das „Privatleben“ eines Richters bei der Besorgnis der Befangenheit eine wesentliche Rolle spielen kann. Bisher bestand nur eine sehr geringe Erfolgschance beim Ablehnungsgesuch eines Richters. Strafverteidiger Dr. Böttner erkennt hierin eine eingeläutete Wende: „Es ist zu erwarten, dass zukünftig Befangenheitsanträge mit Substanz häufiger Erfolg haben werden.“

Zukünftig sollten sich die Richter hierzulande also achtsamer um ihre Privatsphäre geben und vor öffentlichen „Stammtisch-Meinungen“ hüten. Im Facebook-Zeitalter ist es daher umso wichtiger, auf die eigene Online-Reputation und etwaige Privatsphären-Einstellungen zu achten. Dies gilt selbstredend nicht nur für Richter oder Amtsträger.

Zudem ist dieser Fingerzeig des BGH in die Richtung des Landgerichts Rostock nicht ganz außer Acht zu lassen. Die Zurückweisung der Strafsache an ein ganz anderes Gericht lässt sich durchaus als Kritik an dem gesamten Gericht deuten.

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Youtube-Blogger „Julien“ verurteilt – Wo sind die Grenzen der Kunstfreiheit?

Der Youtube-Blogger “Julien” S. (27) ist am Mittwoch vom Amtsgericht Tecklenburg wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung sowie Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro verurteilt worden. Zuvor hatte er in einem Youtube-Video im Mai 2015 die GDL beleidigt und einen Vergleich mit den Schreckenstaten der Nazi-Zeit gezogen.

Wer sich tagtäglich im Internet aufhält, dürfte den einen oder anderen Youtube-Blogger kennen. Diese werden zumeist dadurch berühmt, dass sie sich mit krassen oder jugendlichen Worten zu aktuellen Ereignissen an die Zuschauer wenden oder neue Spiele, Filme oder Produkte vorstellen, um auf diese Weise möglichst viele Klicks und Aufrufe zu genieren. Haben sie dann mehrere Millionen Klicks, schließt das Unternehmen hinter der Videoplattform (z.B. Google bei Youtube) üblicherweise einen Vertrag mit den Akteuren, der eine gewisse Gewinnbeteiligung (z.B. 1-2 Euro pro 1000 Klicks) vorsieht und den Blogger zu weiteren Videos animieren soll. Mit diesem virtuellen Schauspiel verdienen die selbst ernannten „Youtube-Stars“ teilweise sogar viel Geld und hoffen womöglich auf noch mehr Bekanntheit in den Medien – oder ein Interview mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Einer dieser Youtube-Blogger hat es nun aber offensichtlich im vergangenen Jahr übertrieben und musste sich nun für seine Äußerungen vor Gericht verantworten.

Denn der 27-jährige Youtube-Blogger Julien S. veröffentlichte im Mai 2015 eines seiner regelmäßigen Videos auf seinem Video-Kanal, in welchem er sich zum erneuten Streik der Gewerkschaft für Lokführer (GDL) im öffentlichen Bahnverkehr ausließ. Wohl wissend die vereinzelte Wut einiger Bahnreisenden und Pendler aufzusaugen, beschimpfte er die Verantwortlichen der GDL mit folgenschweren Worten. So bezeichnete er die Gewerkschaftler nicht nur als „Hurensohn-Armee“ und „Drecksbastarde“, was für sich genommen wohl schon die Strafbarkeit der Beleidigung nach § 185 StGB begründen dürfte, sondern zog Vergleiche zur NS-Zeit. Unter anderem meinte er „vergasen sollte man die Mistviecher” und sprach sich sinngemäß dafür aus, sie gleich selber nach Ausschwitz fahren zu wollen. Passende Bilder vom Konzentrationslager in Ausschwitz soll er dabei in dem Videoclip gleich mitgeliefert haben, der rund 800.000 Aufrufe auf der Video-Plattform innerhalb von 4 Monaten generierte. Erst dann wurde es gelöscht.

Die Kunstfreiheit und das Strafrecht

Julien, der sich gern als Videokünstler bezeichnet, lebt von seinem Video-Kanal auf Youtube mit rund 1.3 Millionen Abonnenten und soll damit laut Prozessbeobachtern rund 90.000 Euro im Jahr 2014 verdient haben. Demnach ist es längst kein Hobby mehr. Und gewiss darf er sich auch bezüglich seiner virtuellen Monologe auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und auf die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen, sowie auch jeder andere Blogger, Journalist oder Redner im Web.

Aber ist es überhaupt Kunst, in seinem vermeintlich privaten Video-Kanal über irgendwelche Nachrichten, Kinofilme oder Lippenstifte zu reden?

Die Bestimmung des Kunstbegriffs ist umstritten. Fest steht nur, dass der Staat nicht bestimmen soll, was Kunst ist und was nicht; insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrfach die Kunstfreiheit als elementaren Bestandteil der demokratischen Grundordnung bezeichnet und klargestellt, dass sie einen sehr weiten Schutzbereich genießt und nur im Rahmen der so genannten „Wechselwirkungstheorie“ von anderen Grundrechten eingeschränkt werden darf.

Dabei wendet die Rechtsprechung den so genannten „materiellen Kunstbegriff“ an, nach welchem:

„das Wesentliche der künstlerischen Entscheidung (…) die freie schöpferische Gestaltung“ ist, „in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“ (BVerfGE 30, 173, 188).

 

Schließlich schützt auch die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht jedwedes Handeln und hat ihre Grenzen spätestens da, wo die Menschenwürde anderer verletzt sein könnte. Häufig führt dies im Medienrecht zur Kollision zwischen der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, welche die Gerichte durch eine umfassende Abwägung der Rechte und Interessen im konkreten Einzelfall aufzulösen haben.

Wie verhält es sich hier? In Betracht kommen die Verletzung der persönlichen Ehre und auch der Menschenwürde der angesprochenen Mitglieder und Verantwortlichen der GDL, die der Youtube-Blogger als „Mistviecher“, „Hurensöhne“ und „Drecksbastarde“ bezeichnet hat. Mit Wortwitz hat das wenig zu tun.

Zudem gilt es beispielsweise die strafbare Beleidigung nach § 185 StGB und die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Letzteres wird regelmäßig angenommen, wenn jemand im Internet, z.B. auf Facebook:

„in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert“.
(§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Derartige Konflikte zwischen dem hohen Gut der Kunst und dem Strafrecht wurden schon 2013 bei einem Song von deutschen Rapper Bushido erörtert, der in seinen Songs auf die gewohnte Art der „Ghetto Rapper“ mehrere Politiker und Prominente angriff.

Außerdem ist bei diesem fraglichen Youtube-Clip noch an § 130 Abs. 3 StGB zu denken gewesen, indem Julien das KZ in Auschwitz und das „Vergasen“ der Opfer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus durch seine Rede gebilligt bzw. verharmlost haben könnte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Strafanzeige

Nachdem einer der Zuschauer die Strafanzeige gegen Julien wegen dessen Aussagen zur GDL bei der Polizei eingereicht und die Staatsanwaltschaft sodann die Ermittlungen aufgenommen hatte, erließ das Amtsgericht Tecklenburg kürzlich einen Strafbefehl wegen der begangenen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB mit einer Bewährungsstrafe nebst Geldauflage in Höhe von 14.000 Euro. Der 27-Jährige Blogger konnte sich damit nicht abfinden und erhob Einspruch, woraufhin das Amtsgericht Tecklenburg die Hauptverhandlung eröffnete und Julien am vergangenen Mittwoch nach einer mehrstündigen Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung und Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro verurteilte. Ob er hiergegen Rechtsmittel einlegen wird, ist derzeit unklar.

Der angeklagte Blogger versuchte sich anfänglich noch vor Gericht damit zu rechtfertigen, er spiele nur eine Art „Rolle“, und wollte auf andere prominente Schauspieler und Komiker hinweisen, die ebenfalls öffentliche Witze über die „Nazis“ und Hitler machten, wie z.B. Christoph Maria Herbst als Stromberg. Der Richter folgte dieser Argumentation jedoch nicht und kritisierte darüber hinaus das fehlende Unrechtsbewusstsein des Youtube-Bloggers, der bekanntermaßen mit seinen Videos auf sich Aufmerksam machen will.

Ein gerechtes Urteil?

Sind die Bewährungsstrafe nebst Geldstrafe für strafrechtlich relevante Aussagen in einem Internet-Video gerecht?

Die Entscheidung ist zu befürworten und sollte wohl ein Zeichen setzen. Nicht jedes Wort eines Komikers oder selbst ernannten „Youtube-Stars“ kann unter dem Deckmantel der „Kunstfreiheit“ für rechtlich zulässig erachtet werden. Mag jeder Zuschauer oder Leser einen anderen Humor haben und auch Hitler-Parodien wie jüngst mit dem Roman und anschließenden Kinofilm „Er ist wieder da“ noch als derbe oder grenzwertige Kunst bezeichnet werden, ist der Blogger Julien mit seiner gewählten Wortwahl deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Auch sein angebliches Argument, er wisse nicht, dass NS-Witze strafbar seien, kann wohl in der heutigen Zeit kaum greifen.

Im Gegensatz zu Schauspielern oder Komikern wie ein Christoph Maria Herbst oder Michael Kessler als „Hitler“ in der Satire-Sendung von Pro7 – Switch, die durch Übertreibungen der Nachahmung klar erkennbar als Satire wirken und auch selbst dann nicht mal im Entferntesten die Schreckenstaten in den KZs ansprechen, ist und bleibt ein Youtube-Star eine eher unbekannte Privatperson, die auch entgegen anderslautender Wahrnehmung gerade keine „Schauspielrolle“ einnimmt. Und auch der Vergleich mit dem umstrittenen Künstler Jonathan Meese hinkt, der sich wegen eines „Hitler-Grußes“ im Rahmen von Kunstausstellungen und Auftritten strafrechtlich verantworten musste.

Schließlich stellen diese Schauspieler und Künstler klar erkennbar eine fremde Person oder übertriebene Rolle bei öffentlichen Auftritten dar. Bei den Youtubern entsteht hingegen vielmehr der Eindruck, dass die Videos im privaten „Kinderzimmer“ alleine gedreht werden und so ein privater, tiefer Einblick in die Wohnung und Seele des Redners gewährt wird. Sie spiegeln offenkundig die persönliche Meinung des Autors wider. Vor Allem jüngere Zuschauer und Mitglieder in den sozialen Netzwerken dürften die Youtuber deshalb als private Persönlichkeiten oder „Bekannte“ ansehen und nicht als Schauspieler. Zumal die Videos im Gegensatz zu Filmen oder TV-Serien mit wenigen Klicks geteilt und ständig erneut angeschaut werden können und in den wenigsten Fällen Schutzvorkehrungen wie z.B. den Vorgaben der FSK hinsichtlich der Alterseinschränkungen unterliegen.

Vor diesem Hintergrund ist diese Verurteilung eine annehmbare Entscheidung des Gerichts.

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LG Hamburg untersagt Facebook-Nutzer weitere Hass-Kommentare

Das Landgericht Hamburg hat per einstweiliger Verfügung einem Facebook-Nutzer untersagt, Beleidigungen gegenüber der ZFD-Moderatorin Dunja Hayali auf derer Facebook-Seite zu äußern. Im Falle der Zuwiderhandlung drohe dem Betroffenen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Und es gibt bereits mehrere Verurteilungen vor den Strafgerichten wegen der Facebook-Hetze.

Die Journalistin Dunja Hayali ist es längst gewohnt, Opfer von Hass-Kommentaren und Beleidigungen im Internet wie auch auf der Straße zu werden. Für ihr Engagement gegen Rassismus und offenen Diskurs in der Flüchtlingsdebatte, muss sie tagtäglich mit krassen Anfeindungen leben. In TV-Sendungen sprach die Preisträgerin der Goldenen Kamera 2016 mehrfach über ihrem Umgang mit diesen Beleidigungen und wandte sich aktiv gegen die vermeintlichen Übeltäter.

Nun ließ sie durch ihren Anwalt eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg erwirken, in welcher einem Facebook-Nutzer die Äußerung von solchen Hass-Kommentaren auf der Facebook-Seite der Journalistin untersagt wird. Der Klarname des Facebook-Mitglieds konnte anhand seines Nutzernamens ermittelt und so der Betroffene identifiziert werden, an den die einstweilige Verfügung mittlerweile zugestellt worden ist. Er hatte am 7. Januar dieses Jahres unter anderem die TV-Moderatorin als „ein dummes Stück Scheiße“ und „Gehirntote in der Merkelpropaganda“ bezeichnet und den Vergleich mit der Propaganda aus dem dritten Reich gezogen.

Die Nachricht ist deshalb erwähnenswert, weil diese einen der wenigen Fälle aufzeigt, in denen sich ein Prominenter gegen Hass-Kommentare und Beleidigungen in den sozialen Netzwerken gerichtlich zur Wehr setzt und trotz des hohen Guts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I Grundgesetz (GG) dem Äußernden derartige Aussagen untersagt werden.

Ungeachtet etwaiger strafrechtlicher Wege, wie beispielsweise die Anzeige wegen der strafbaren Beleidigung nach § 185 StGB, dürfte das zivilrechtliche Verfahren mit dem angedrohten Ordnungsgeld bereits eine abschreckende Wirkung erzielen. Ob sich die Nutzer dadurch von Anfeindungen und Drohungen abschrecken lassen, darf jedoch bezweifelt werden. Es bleibt festzustellen: Es wird dem Nutzer zu leichtgemacht, die Meinung auf Plattformen wie Facebook durch ein paar Klicks der Welt mitzuteilen und sich an den öffentlichen Streitigkeiten in Kommentaren oder auf Facebook-Seiten zu beteiligen.

Der Fall ist längst kein Einzelfall mehr. Trotzdem gibt es in der Praxis zahlreiche Schwierigkeiten in der Rechtsverfolgung. Denn in den meisten Fällen werden Hass-Kommentare und Beleidigungen unter einem Pseudonym auf Facebook veröffentlicht, anhand dessen den Opfern nur geringe Erfolgschancen auf die Identifizierung des vermeintlichen Täters eingeräumt sind. Zwar könnte das Unternehmen Facebook die IP-Adresse eines jeden Facebook-Nutzers rekonstruieren (was sie gewiss leugnen würden) und so unter Umständen der Anschlussinhaber mittels Provider ausfindig gemacht werden, doch gehen hiermit zu viele Unwägbarkeiten einher. Es müsste die Herausgabe der IP-Adresse durch Facebook richterlich angeordnet werden und gleichfalls auch die Herausgabe von Namen und Adresse des Anschlussinhabers durch den Provider. Voraussetzung hierfür ist immer, dass die IP-Adressen auf beiden Seiten überhaupt (noch) gespeichert und rekonstruiert werden können – also innerhalb von 7 Tagen bis 4 Wochen das Verfahren vollzogen wird. Das ist ein Zeitfenster, was nur selten einzuhalten ist.

Sofern diese Hürden bewältigt sind, könnte sich der Anschlussinhaber noch darauf berufen, selber gar nicht gehandelt zu haben. Zu guter Letzt müsste also noch das Handeln des Betroffenen nachgewiesen werden. Mit einem Rechtsanwalt oder Strafverteidiger sollte sich der Tatvorwurf unter Umständen entkräften lassen. Zumal der Richter überhaupt erst einmal zur Überzeugung gelangen muss, dass beispielsweise der Straftatbestand der Beleidigung erfüllt ist und sich die fragliche Aussage nicht im zulässigen Bereich der Meinungsfreiheit bewegt.

Erste Verurteilungen wegen Hass und Hetze auf Facebook

Mittlerweile häufen sich diese Fälle: So ist vor wenigen Tagen ein 30-jähriger Mann aus Bayern vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der vorbestrafte Mann versuchte sich vor Gericht zu rechtfertigen und argumentierte, er habe schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht.

Und im Oktober letzten Jahres verurteilte ein Amtsgericht eine 29-jährige Facebook-Nutzerin aus Berlin wegen der Volksverhetzung ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe. Sie hatte Hetze gegen Flüchtlinge betrieben und unter anderem „Weg mit dem Dreck“ diesbezüglich geschrieben. Hier sah das Gericht die Schuld der jungen Frau für erwiesen an, nachdem sich die Angeklagte geständig einließ und zugab, sich im Ton vergriffen zu haben. Zuvor hatte schon das Amtsgericht Tiergarten im August 2015 einen Berliner zu einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro wegen fremdenfeindlicher Hassbeiträge auf Facebook verurteilt.

Obwohl die Task-Force von Bundesjustizminister Heiko Maas gegen Fremdenhass und Hetze aktiv ist und auch Facebook die Unterstützung im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass zugesagt hat, sind gerichtliche Entscheidungen gegenüber den Hetzern angesichts der Unmengen an Kommentaren bzw. Beiträgen in den sozialen Netzwerken noch rar. Dies kann sich aber bald ändern. Gleichwohl muss eine Gesellschaft solch verschiedene Meinungen mit teils krasser Wortwahl aushalten, sofern die Aussagen unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegen. Bei Formulierungen wie „der Dreck muss weg“ oder gar dem Aufruf zur Brandstiftung oder Tötung ist selbstverständlich die Strafbarkeit anzunehmen.

Es bleibt abzuwarten, ob neben der möglichen Strafverfolgung noch weitere, erfolgsversprechende Systeme installiert werden, um Fremdenfeindlichkeit und Hetze in den sozialen Netzwerken einzugrenzen oder ganz zu unterbinden. Schließlich sollte es auch im Interesse des jeweiligen Seitenbetreibers liegen, niveaulose oder anstößige Inhalte zu verhindern. Facebook hingegen dürfte sich diese Vorfälle zu Nutze machen, um damit der Forderung nach der rechtlichen Zulässigkeit der angestrebten Klarnamenpflicht im sozialen Netzwerk weiter Nachdruck zu verleihen. Fraglich ist, ob das der richtige Weg ist?

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EGMR: Zur Haftung des Seitenbetreibers für Hass-Kommentare

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied vor wenigen Tagen (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13), dass ungarische Seitenbetreiber nicht für Hass-Kommentare ihrer Nutzer haften sollen. Demnach haben die Gerichte in Ungarn nicht hinreichend die Rechte der Beteiligten miteinander abgewogen und die Portale zu Unrecht verurteilt.

Irgendwie scheint das Thema „Internet und Hass“ als Teil der Meinungsäußerung seit geraumer Zeit ein juristischer Dauerbrenner zu sein, das längst nicht nur in Zeitschriften zum Medienrecht besprochen wird, sondern mittlerweile auch in der Tagespresse angekommen ist. Nicht ohne Grund hatte Bundesjustizminister Heiko Maas vor wenigen Wochen erste Ergebnisse seiner Task Force vorgestellt.

Da trifft es sich gut, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einem hierzu passenden Fall zu befassen hatte (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13), der für Gesprächsstoff sorgt und von Medienrechtlern diskutiert wird.

Das kennen wir noch von der im vergangenen Jahr ergangenen „Delfi-Entscheidung“ (EGMR, Urteil vom 16.06.2015, Az. 64569/09) zur Haftung eines Forenbetreibers für rechtswidrige Inhalte auf seiner Seite. In dieser Entscheidung erachtete der EGMR den Schadensersatzanspruch gegenüber einem Nachrichten-Portal, betrieben von der der Delfi AS aus Estland, für rechtmäßig, weil der Seitenbetreiber für die anonymen Kommentare auf seiner Seite zu haften habe und diese sogar im konkreten Fall sogar ohne Hinweis von Betroffenen zu löschen seien. Danach seien Hass-Beiträge und Hetze immer gleich direkt zu entfernen und nicht erst auf Beanstandungen hin.

Wurde nun in der aktuellen Entscheidung aus der vergangenen Woche ein auf dem ersten Blick widersprüchliches Resultat erzielt, wie einige Überschriften in den Medien suggerieren?

Schließlich hatte sich der EGMR in diesem Verfahren abermals mit dem Spannungsverhältnis zwischen der Meinungsfreiheit eines Einzelnen und den Rechten eines Unternehmens aus seinem Unternehmerpersönlichkeitsrecht zu befassen, allerdings dieses Mal in einer anderen Konstellation:

Die Beschwerdeführer waren die Selbstregulierungsorganisation der ungarischen Internet Service Provider, Magyar Tartalomszolgáltatók Egyesülete (MTE), und das ungarische Nachrichten-Portal index.hu, die jeweils als Plattformbetreiber von einem ungarischen Unternehmen in Haftung genommen worden sind, nachdem zuvor Nutzer der Seite im Jahre 2010 anonym in den Kommentaren die Machenschaften eines Unternehmens verhöhnt hatten. Dabei sind sinngemäß Formulierungen verwendet worden wie:

„Diese beiden Müll Immobilen-Seiten [..] Diese Leute sollen einen Igel scheißen …und ihr ganzes Geld auf die Gräber ihrer Mutter verwenden, bis sie tot umfallen“. (Im englischen Wortlaut der Entscheidung lautet das Zitat: “People like this should go and shit a hedgehog and spend all their money on their mothers’ tombs until they drop dead.”)

Das kritisierte Unternehmen betreibt ein Immobilen-Portal und empfand diese Kommentare als geschäftsschädigend, weswegen es rechtlich gegen beide Betreiber vorging. Und obgleich die Seitenbetreiber die beanstandeten Kommentare zeitnah entfernt hatten, zog sich dieser Rechtsstreit durch alle nationalen Instanzen – und immer standen die Richter auf der Seite des Immobilen-Vermittlers. Bis sich die Beklagten wegen der Verletzung von Art. 10 EMRK an den EGMR wandten und sich der Gerichtshof der Sache annahm.

Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Die Straßburger Richter befanden die streitgegenständlichen Äußerungen zwar für anstößig und vulgär, jedoch nicht für überschritten über die Schwelle der strafbaren Beleidigung. Auch haben die nationalen Gerichte in Ungarn keine ausreichende Interessenabwägung vorgenommen und seien voreilig zum Ergebnis gelangt, dass ein Rechtsverstoß und somit die Rechtswidrigkeit der Kommentare allein schon deshalb bestünden, weil sie den Ruf des Unternehmens gefährdeten. Denn zum einen seien die kritischen Kommentare – noch – rechtmäßig gewesen und zum anderen würde das anerkannte Kontrollsystem des „notice and take down“-Verfahrens außer Acht gelassen, das index.hu sowie MTE verwendeten. Zudem habe das ungarische Nachrichten-Portal seinen Usern durch Nutzungsbedingungen vorgeschrieben, dass vulgäre, aggressive und bedrohende Kommentare verboten seien.

Gleichwohl möchte sich der EGMR so verstanden sehen, dass das Urteil keine grundlegende Bedeutung haben soll, sondern vielmehr nur einen bestimmten Einzelfall abbildet. Denn die Interessenabwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Einzelnen, die hierzulande in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (und Art. 10 Abs. 1 EMRK) verfassungsrechtlich verankert ist, und den Rechten Dritter aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder – wie in diesem Fall – dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht obliegt unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände dem jeweiligen Einzelfall.

Der an der Entscheidung mitwirkende Richter Egidijus Kuris geht sogar noch einen Schritt weiter und warnt Content-Provider in einem anschließenden “Sondervotum“ davor, dieses Urteil zukünftig für die eigene Geschäftsmäßigkeit zu missbrauchen (instrumentalisieren) und sich so vor der (Mit-)Haftung zu „schützen“.

„Consequently, this judgment should in no way be employed by Internet providers, in particular those who benefit financially from the dissemination of comments, whatever their contents, to shield themselves from their own liability, alternative or complementary to that of those persons who post degrading comments, for failing to take appropriate measures against these envenoming statements. If it is nevertheless used for that purpose, this judgment could become an instrument for (again!) whitewashing the Internet business model, aimed at profit at any cost.” (EGMR, Urteil vom 02.02.2016, Az. 22947/13, CONCURRING OPINION OF JUDGE KURIS)

In jedem Fall wird aber deutlich, dass die Gerichte im Einzelfall den Konflikt der Rechtsgüter hinreichend umfassend aufzulösen haben und sich aus einer kritischen oder anstößigen Meinungsäußerung noch per se keine Haftungspflicht des verantwortlichen Seitenbetreibers ergibt.

Haftung für rechtswidrige Inhalte: Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Grundsätzlich bestehen Prüfpflichten für einen Seitenbetreiber; jedoch sind daran keine allzu hohen Gradmesser zu stellen. Müsste ein Seitenbetreiber jeden Kommentar, Foren-Beitrag und jedes Foto vor der Veröffentlichung erst auf die Rechtmäßigkeit prüfen, bestünden die Gefahren einer „quasi-Zensur“ (zumindest deren Anschein) und der gravierenden Einschränkung eines Portals, das von Aktivitäten der Nutzer im Web 2.0 Zeitalter (user generated content) elementar abhängig ist. Aber derartige unangemessenen Anforderungen kosten Geld, hemmen die Aktivität der Mitglieder/User und können folglich die Geschäftsmäßigkeit des Angebots massiv gefährden.

Ausreichend soll es vielmehr nach ständiger Rechtsprechung sein, dass der Seitenbetreiber verschiedene – und den meisten wohl bekannte – technische Vorkehrungen trifft, wie die „Melde-Funktion“ und Moderation von Foren und Kommentaren, aber auch Word-Filter und Spam-Schutz. Dies setzt allerdings voraus, dass der fragliche Inhalt fremd ist, also einem Dritten zuzurechnen ist und sich der Seitenbetreiber diesen nicht zu eigen gemacht hat. Es muss daher für einen durchschnittlichen Laien erkennbar sein, dass es sich bei dem Kommentar, Beitrag oder sonstigen Inhalt um solchen des Nutzers handelt. Die Rechtsprechung hat für diese Abgrenzung verschiedene Kriterien entwickelt.

Demzufolge kann sich der Seitenbetreiber fremde Inhalte zu eigen machen, wenn er sie wirtschaftlich verwertet, optisch derart in seine Seite integriert, dass sie wie eigene Inhalte wirken oder beispielsweise eine Auswahl bzw. Bearbeitung der Inhalte vornimmt und somit Einfluss auf dessen Gestaltung ausübt. Diskutiert und bejaht wurde dies vom Bundesgerichtshof (BGH) beispielsweise bei einem Online-Kochbuch, wenn nämlich der Seitenbetreiber Rezepte und Anleitungen der Mitglieder auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüft und freischaltet bzw. sich sogar Lizenzen (z.B. für den Druck als Print-Version) daran einräumen lässt (BGH, Urteil vom 12. November 2009, Az. I ZR 166/07 – marions-kochbuch).

In der Regel sind aber heutzutage alle gängigen Internet-Portale und sozialen Netzwerke derart optisch und technisch gestaltet, dass der Autor des jeweiligen Inhalts mit Namen und/oder Profilfoto eindeutig als solcher erkennbar angezeigt wird und der Seitenbetreiber hierauf keinen Einfluss auszuüben vorgibt. Zudem tragen auffällige Hinweise („Bitte erstellt keine rechtwidrigen Inhalte“ usw.) und Nutzungsbedingungen einen Teil hierzu bei (So z.B. bei Facebook Fanseiten).

Bei der richtigen Verwendung dieser etablierten Funktionen kommt der Anbieter seinen gesetzlich geforderten Prüfpflichten nach, wenn sich Mitglieder oder Betroffene über anstößige Inhalte bei dem Plattformbetreiber beschweren und er daraufhin zeitnah innerhalb von wenigen Tagen – je nach Größe des Angebots – reagiert sowie gegebenenfalls rechtswidrige oder anstößige Inhalte löscht. Die auch als „notice and take down“-Verfahren bezeichnete Haftungsprivilegierung ist längst Praxis und z.B. in § 10 TMG gesetzlich normiert.

Der BGH bestätigte letztes Jahr in seiner Entscheidung – über die Haftung für die Bewertung auf einem Hotelbewertungsportal – diese Haftungsprivilegierung des Seitenbetreibers:

„Der Annahme einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten fremden Daten steht jedoch § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Danach ist es dem Betreiber eines Bewertungsportals grundsätzlich nicht zuzumuten, jeden Beitrag vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen. Diensteanbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, müssen außerdem die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (Erwägungsgrund 48 der Richtlinie 2000/31/EG; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2010 I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 40 = WRP 2011, 881 Sedo). Diese vom Senat aufgestellten Grundsätze stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 C324/09, Slg. 2011, I6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 109 ff., 139, 144 = WRP 2011, 1129 L’Oréal/eBay; Urteil vom 24. November 2011 C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rn. 36 ff. Scarlet/SABAM; Urteil vom 16. Februar 2012 C360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 34 ff. = WRP 2012, 429 SABAM/Netlog; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 22 ff. Stiftparfüm).“ (BGH, Urteil vom 19.03.2015, Az. I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal)

Es ist nicht ersichtlich, warum sich an dieser Linie etwas ändern sollte. Die gewählte Konstruktion der Haftungsprivilegierung von Seitenbetreibern im Internet und das „notice and take down“- Verfahren werden im jeweiligen Einzelfall der Interessenabwägung einem ausgewogenen und angemessenen System gerecht.

Was bedeutet das nun für Webmaster und Seitenbetreiber?

Können jetzt Webmaster und Betreiber von Foren und Webportalen aufatmen? Die Antwort lautet „jein“ – denn es bleibt alles beim Alten.

Die Verantwortlichen sollten sich weiterhin nicht durch die unterschiedlichen Schlagzeilen wie „Seitenbetreiber haften nicht für Hass-Kommentare“ oder „EGMR spricht News-Portal von Haftung für Nutzerkommentare frei“  irritieren und sich in Sicherheit oder Unsicherheit wiegen lassen. Auch zukünftig sollten zeitgemäße und praxistaugliche „Melde-Systeme“, Kontroll-Funktionen, Foren-Moderation nebst entsprechender AGB/Nutzungsbedingungen einen notwendigen Bestandteil des Internetangebots sein und Mitarbeiter/Verantwortliche innerhalb von 1-3 Tagen auf Beanstandungen reagieren, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Dann haben Sie grundsätzlich erst einmal nichts zu befürchten.

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Dashcam im Auto: Was ist erlaubt und was nicht? Und was bringt die Zukunft?

Seit rund 3 Jahren haben die Gerichte hierzulande über die rechtliche Zulässigkeit von so genannten Dashcams in Autos, also festinstallierten Kameras auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe mit Blick auf den vorherfahrenden Straßenverkehr, zu entscheiden. Doch während die bekannten Automobilhersteller mit Rückfahrkameras, automatischer Einpark-Hilfe und Zukunftsvisionen der selbstfahrenden Fahrzeuge werben, streiten sich Juristen über den Einsatz dieser Minikameras.

Denn das durchgehende Filmen im Straßenverkehr kann gleich in mehrfacher Hinsicht rechtlich bedenklich sein. Die Aufnahme von Fahrzeugen und dessen Autokennzeichen sowie möglicherweise auch deren Fahrern betrifft das Datenschutzrecht sowie grundsätzlich auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Schließlich zeichnet die Dashcam auf diese Weise personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) auf, die durch diesen technischen Vorgang auch sodann erhoben, gespeichert und gegebenenfalls auch durch das Hochladen (z.B. auf youtube im Internet) an Dritte übermittelt werden können. Außerdem kann die Vorschrift des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG – also die „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung)“– bei diesem Thema von Relevanz sein.

Und unabhängig des Datenschutzrechts steht jedem das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu, welches auch das Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt. Danach steht es jedem selbst zu, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestimmen zu können. Und selbst in der Öffentlichkeit sollte Niemand damit rechnen müssen, durch eine andere Privatperson und in seinem eigenen Bewegungsablauf ohne Einwilligung und Kenntnis hiervon gefilmt zu werden. Zudem betrifft dies ja nicht nur andere Autofahrer, sondern es können ja auch Passanten und Fußgänger an Kreuzungen oder beim Einparken aufgenommen werden. Anders als bei etwaigen Bodycams der Polizei liegt bei dem privaten Gebrauch von Dashcams aber die Macht über die Wiedergabe des Bildmaterials bei der Privatperson, die jeweils unterschiedliche Interessen damit verfolgen könnte.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hält das dauerhafte Filmen des Straßenverkehrs für unzulässig und viele Datenschützer stimmen ihr zu.

Gleichwohl soll nicht verheimlicht werden, dass auf der anderen Seite der Einsatz von Dashcams auch berechtigte Interessen begründen mag, denn beispielsweise können die Aufnahmen als Beweismittel in einem Rechtsstreit oder im Strafverfahren z.B. wegen eines Verkehrsunfalls eingesetzt werden, wenn sie den Unfallhergang und etwaiges schuldhaftes (oder strafrechtlich relevantes) Handeln der Fahrer aufzeigen. Gleiches gilt für Bußgeldverfahren. Und auch die Versicherungsunternehmen freuen sich über eine solche Aufklärungshilfe bei der Bestimmung des Verschuldens des Unfalls, weswegen sie dem Kunden möglicherweise Rabatt bei den Versicherungsprämien gewähren könnten im Falle dessen Installation.

Aber auch für gewerbliche oder selbstständige Fahrer, Taxi-Unternehmen und Lieferanten ist eine interne Überwachungskamera sehr interessant. Hier entstehen riesige wirtschaftliche Schäden mit noch größeren juristischen Folgen durch Verkehrsunfälle während des Transports oder der Auslieferung von Kunden oder Ware. In vielen Fällen stellen sich dann auch gleich interne Fragen der Haftung durch Mitarbeiter und deren Selbstbeteiligung am Schaden. Aber auch bei der Aufklärung von Straftaten oder Vandalismus am Fahrzeug mag eine Filmaufnahme nützlich sein, sofern sie dann aktiviert ist. Allenfalls bleibt es jedoch bei der nicht zu unterschätzenden Abschreckungswirkung.

Videobilder als Beweis im Gerichtsverfahren?

Ob die Aufzeichnungen der Dashcam jedoch als Beweismittel im Zivilprozess (und Strafprozess) zulässig sind, beurteilen die Gerichte noch uneins. Von entscheidender Bedeutung soll es sein, ob die Dashcam„anlasslos“ durchgängig filmt oder nur „anlassbezogen“ z.B. einen kurzen Moment vor dem erwarteten Unfall aktiviert wird. Die damit einhergehende Breitenwirkung der ständigen Aufzeichnung großer personenbezogener Daten gilt es demnach zu berücksichtigen. Eine wahllose, systematische Überwachung des Straßenverkehrs durch die fortdauernde Aufzeichnung lässt Bewegungsprofile anderer Personen und eine unbändige Datenansammlung entstehen.

Das Amtsgericht Nienburg (AG Nienburg, Urteil vom 20.01.2015, Az. 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14) ließ trotz dieser Bedenken die Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung im Strafverfahren zu mit der Begründung:

„Im Rahmen einer Gesamtschau überwiegt bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Angeklagten das allgemeine Interesse an der Effektivität der Strafverfolgung“.

Und das Landgericht Landshut (LG Landshut, Az. 12 S 2603/15) erkennt unter dem konkreten Umstand der wahllosen Aufzeichnung bei gleichzeitiger durchgehender Überschreibung der Filmaufnahmen keinen gravierenden Grundrechtseingriff:

„Abgesehen davon sind die vom Kläger verursachten Grundrechtseingriffe geringfügig. Das laufende Filmen von Auto aus erfolgt wahllos und ohne bestimmte Absicht. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofiten findet nicht statt. Die Filmaufnahmen werden, soweit es nicht zu einem Unfall kommt, immer wieder überschrieben.“

Das Landgericht Heilbronn (LG Heilbronn, Urteil vom 3.2.2015, Az. I 3 S 19/14) entschied hingegen gegenteilig und sah das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung für überwiegend an und lässt die Filmaufnahme nicht als Beweismittel zu und macht deutlich:

„Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die hier vorgenommene, permanente Aufzeichnung mit der Videokamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird.“

Zudem verstoße die Aufzeichnung gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG, §§ 22 S. 1 KUG, so das Gericht, das folglich  auch ins Datenschutzrecht schaute, jedoch keine „Erlaubnis“ nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG annahm.

Gesetzliche Regelungen werden gefordert

Auf dem 54. Verkehrsgerichtstag vergangener Woche in Goslar forderten die Experten eine klare gesetzliche Regelung zum Einsatz von Dashcams und befürworteten grundsätzlich angesichts des offenkundigem Beweisinteresses die Verwendung der Minikameras in Autos. Allerdings machten sie eine gewisse Einschränkung: Es sollte nur eine anlassbezogene Aufnahme erfolgen, also beim unmittelbaren Bevorstehen eines Unfalls.

Für diese möglicherweise juristisch korrekte, aber wenig praxistaugliche Lösung erntete das Expertengremium viel Kritik. Denn in welchen Moment liegen diese Voraussetzungen vor und wie soll der Fahrer wenige Sekunden vor einem möglichen Zusammenstoß mit einem anderen Autofahrer noch die Dashcam aktivieren? Würde das nicht sogar die Sicherheit und Gesundheit des Fahrers gefährden?

Dabei kommen einige technische Lösungen mit unterschiedlicher Praxistauglichkeit in Betracht:

  • Die Minikamera könnte verplombt oder die Aufzeichnung verschlüsselt sein und z.B. nur von der Polizei oder bestimmten (amtlichen) Personengruppen ausgewertet werden. Fraglich ist allerdings, ob solche Zugangsbarrieren nicht ohnehin übergangen werden könnten.
  • Die Dashcam ist mit der Elektronik des Fahrzeugs und etwaigen „distance control“- Systemen verbunden und aktiviert sich nur bei geringer Distanz zu einem anderen Verkehrsteilnehmer. Allerdings würde diese Variante von sehr vielen technischen Faktoren abhängen und eventuell fehlerhaft aufzeichnen. Auch wären Besitzer von älteren Fahrzeugen benachteiligt.
  • Auch könnte die Speicherdauer so angelegt sein, dass die Kamera nur wenige Minuten filmt und den Speicher immer wieder überschreibt, so dass sich nur ein sehr kurzer Zeitraum rückwirkend wiedergeben lässt.
  • Die Kamera besitzt eine Software, die Gesichter und bestimmte personenbezogene Daten, wie das Autokennzeichen „sperrt“, wie es z.B. von Google Streetview vormacht. Aber dann wäre der Beweiswert der Bilder erheblich verringert.
  • Das Sichtfeld der Kamera könnte seitlich und in der Ferne begrenzt werden, um so auszuschließen, dass Schriftzüge und Personengesichter seitlich des Fahrzeugs von der Kamera erfasst werden.
  • Der Fahrer kann die Kamera am Lenkrad oder per Sprachsteuerung aktivieren, wenn er einen Zusammenprall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer befürchtet. Allerdings müsste dies in wenigen Sekunden erfolgen und ist abhängig vom menschlichen Eingreifen, was wohl bedenklich wäre.
  • Die Dashcam ist zwar durchgängig aktiv, aber zeichnet erst auf, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Unfall vorhersieht. Inwieweit dies technische Programme berechnen und umsetzen können, sei mal dahingestellt. Aber denkbar wäre es in wenigen Jahren.
  • Auch könnte die kleine Kamera beispielsweise erst bei einem Zusammenstoß oder bei einer plötzlichen Geschwindigkeitsreduzierung aktiviert werden. Dann wäre aber der vorherige Ablauf nicht auf dem „Band“, was zur Verringerung des Beweiswerts führen würde.

Die meisten dieser Lösungsansätze dürften wenig erfolgsversprechend und selbst bei gutem Willen nicht umsetzbar sein – ganz zu schweigen von technischen Unwägbarkeiten.

In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: Die eigenen Aufzeichnungen sollten in keinem Fall online veröffentlicht werden dürfen und  bestenfalls nach einer gewissen Dauer gelöscht bzw. automatisch überschrieben werden, falls der Unfall ausbleibt. Wegen dieser unklaren Rechtslage rät der Rechtsanwalt Andreas Krämer von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) vom Veröffentlichen der Filmaufnahmen im Internet oder in anderen Kreisen ab. Andernfalls drohen dem Dashcam-Besitzer zivilrechtliche Ansprüche des Abgebildeten, die vom Unterlassen bis hin zum Schadensersatz reichen könnten. Zweifelsfrei mag dies viele nicht davon abhalten, „lustige“ oder skurrile Crashvideos bei youtube zu veröffentlichen. Dann greifen aber die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche. In der Regel bleibt es wohl beim Sperren bzw. Löschen des Videos.

Eine Zukunftsvision – Die Technik regelt es schon

Doch könnte sich mit zunehmender technischer Entwicklung das Problem bald von selbst gelöst haben. Wenn also intelligente Fahrzeuge und Überwachungssysteme mögliche Unfälle schon vorher, anhand von Bewegungen und Fahrlinien der Verkehrsteilnehmer berechnen können, wie es derzeit schon bei einigen großen Automobilherstellern bei „Ausweichassistenten“ getestet und erfolgreich eingesetzt wird, dann stellt sich jedoch die Frage, ob die Diskussion über die Zulässigkeit von Dashcams überhaupt noch geführt werden muss oder die „intelligenten“ Fahrzeuge nicht gleich den Zusammenstoß von Verkehrsteilnehmern durch Ausweichmanöver und Bremsen verhindern können. Autonomes Fahren und Fahrerassistenzsysteme könnten dann die Anzahl an Autounfälle erheblich verringern. Solch Szenario wirft selbstverständlich viele Fragen auf. Und für eine rechtliche Neubewertung derartige Zukunftsvisionen muss ein einheitlicher Weg gefunden werden, was offensichtlich nur auf europäischer Ebene möglich erscheint. Aber dort steht ja erst einmal die neue EU Datenschutz-Grundverordnung an, während hingegen zivilrechtliche Aspekte eher nur mittelbar Einfluß ausüben dürften.

Und etwas Gutes könnte eine Welt „voller“ Dashcams auch haben: Das Fahrverhalten der einzelnen Verkehrsteilnehmer dürfte sich nachhaltig positiv verändern, wenn nämlich jedermann wissentlich des wachenden Auges hinter sich bewusst vorsichtiger und regelkonform fährt – aber dies ist wohl auch wieder nur eine Zukunftsvision.

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