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Drohnen: Viele Zukunftsvisionen, aber auch viel Rechtsunsicherheit

Eines der Hauptthemen der diesjährigen IFA in Berlin sind die Drohnen im Consumer-Bereich. Die kleinen elektronischen Flugkörper für Jedermann werden nicht nur immer beliebter, sondern mittlerweile sogar im professionellen Wettbewerben wie dem Drohnen-Rennen der „Dronemaster Summit“ oder auf den Drohnen „Weltmeisterschaften“ in Dubai eingesetzt. Immer mehr Hersteller drängen in den Markt, was zu sinkenden Preisen und verbesserter Technik führt. Bald gibt es vermutlich die kleinen Flieger für ein paar Hundert Euro im Supermarkt.

Doch auch negative Schlagzeilen sind keine Seltenheit: Es sind bereits mehrere Beinahezusammenstöße bewiesen. So soll sogar der zivile Luftverkehr in Los Angeles gestört worden sein, als eine Drohne einen Airbus A380 von der Lufthansa im Landeanflug nahezu berührte. Auch vor wenigen Wochen ist über München eine Drohne nur wenige Meter entfernt von einem Airbus während des Landeanflugs geflogen, weswegen dem Drohnenbesitzer nun ein Strafverfahren droht.

Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) sind etwa 30 Beinahezusammenstöße im laufenden Jahr protokolliert worden. In der Schweiz sorgte jüngst ein Fotograf für Aufsehen, der eine Drohne über ein Schweizer Atomkraftwerk steuerte und Bilder aus dem Schornstein aufzeichnete.

Bei steigender Beliebtheit und Flugeinsätzen dieser Fluggeräte sind tödliche Unfälle nur noch eine Frage der Zeit. Hinzu kommt die Gefahr von Rechtsbrüchen durch die heimliche Überwachung oder das ungewollte Filmen von Firmengeländen oder selbst von Nachbars Garten.

Die neue Rechtslage: Der Drohnen-Führerschein wird gefordert

In der Vergangenheit war die Regulierung der privaten oder gewerblichen Nutzung der zivilen Drohnen nur bedingt möglich, was zu einer offenkundigen Rechtsunsicherheit führte. Dies wird sich nun ändern.

Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt plante bereits Ende letzten Jahres eine Art „Drohnen-Führerschein“ mit strengeren Regelungen für den Einsatz von Drohnen durch Privatpersonen oder gewerbliche Nutzer. Dabei wird an Schulungen, bestimmte „Grenzen“ und deutlichere Aufklärung als Mindestmaß gedacht.
In der Zwischenzeit initiierte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) eine geplante Anpassung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und der Luftverkehrsordnung (LuftVO).

Der Plan sieht unter anderem vor:

  • Private Drohnen dürfen nicht höher als 100 Meter und nicht außerhalb der Sichtweite des Steuerers fliegen
  • Der Flug über Kraftwerke, Industrieanlagen, Militärgelände, Bundesfernstraßen und Eisenbahnlinien ist verboten.
  • Ebenso gelten Verbotszonen über Demonstrationen, Menschenansammlungen, Katastrophengebieten oder sonstigen Einsatzgebieten der Polizei oder anderer Sicherheitsbehörden.
  • Die gewerbliche Nutzung von Drohnen, beispielsweise für professionelle Aufnahmen oder Dienstleistungen, wird gesondert geregelt und kann weitestgehend durch die Bundesländer gestaltet werden.
  • Die gewerblichen Betreiber benötigen zukünftig den Drohnenführerschein, der die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung beim Luftfahrt-Bundesamt erfordert.

Was für Rechtsverstöße sind denkbar?

Es gibt zwar auch nach einer Neuregelung kein eigenständiges „Drohnen-Gesetz“, aber aus der LuftVO lassen sich hinsichtlich der kleinen elektronischen Flugkörper die genannten Einschränkungen ableiten. Inwieweit diese zukünftig kontrolliert werden, bleibt abzuwarten.

Und auch in den allgemeinen Gesetzen hierzulande finden sich vereinzelt Vorschriften, die diesbezüglich infrage kommen könnten. Im deutschen Strafrecht findet sich z.B. seit wenigen Jahren der Paragraph 201a Strafgesetzbuch (StGB). § 201a StGB verbietet die Herstellung von Bildaufnahmen von geschützten, höchstpersönlichen Lebensbereichen wie dem Wohnzimmer oder eines gegen Einblick besonders geschützten Raumes. Wer also mit einer Drohne unbefugt einen großen Sichtschutz des Nachbars überfliegt und ohne Einwilligung oder gegen den Willen des Bewohners Fotos bewirkt, könnte sich strafbar machen. Zudem schützen §§ 22, 23 KUG (i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I, 1 I GG grundsätzlich auch vor der Verbreitung oder Zurschaustellung von Bildnissen, auf denen eine Person klar erkennbar als solche abgebildet ist. Weiter Voraussetzungen sind, dass dies ohne Einwilligung des Abgebildeten erfolgt und keine der in § 23 KUG genannten Ausnahmen greifen. Oft wird diesbezüglich argumentiert, die abgebildete Person sei nur ein „Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit“.

Und auch das Datenschutzrecht darf nicht ganz aus dem Auge verloren werden. Die Datenschützer warnten daher bereits vor 2 Jahren vor Rechtsverstößen durch die elektronischen Fluggeräte, die z.B. aus heimlichen Aufnahmen des Nachbargrundstücks oder Firmengeländen resultieren. Wenn Zäune und Sichtschutzanlagen problemlos durch die geräuschlosen Drohnen überflogen werden können, liegt in der Regel nicht nur ein strafbarer Hausfriedensbruch, sondern auch die Verletzung von individuellen Rechtsgütern, z.B. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 1, Art. 1 1 GG und § 22, 23 KUG vor.

Nun stehen neue gesetzliche Regelungen und ein persönlicher Eignungstest im Raum. Umgesetzt ist davon bislang nichts, was wohl auch daran liegen mag, dass die Europäische Kommission dem Bestreben des deutschen Ministers einen Riegel vorgeschoben hat und eine Beschränkung des Markts hierin erkennt. Und ein solcher „Boom“ wird längst erwartet.

Gesetze für die Zukunft?

Denn nicht zuletzt setzen Industrie und vor allem größere IT-Unternehmen auf innovative Konzepte rund um den Einsatz von Drohnen. Der weltgrößte Online-Händler Amazon arbeitet bereits an einer „eigenen“ Drohne, die eine schnellere Auslieferung der Ware gewährleisten könnte. Mittlerweile ist die Software bzw. Technologie so weit fortgeschritten, dass die „Amazon Drohne“ sogar die Umgebung verstehen, Hindernissen automatisch ausweichen und daher eigenständig den Weg zum Kunden finden soll. Ähnliche Konzepte befinden sich in den selbstfahrenden Fahrzeugen der nahen Zukunft. Facebook sieht sich veranlasst, größere Drohnen als eine Art fliegenden „Sendemast“ über bestimmten Regionen der Welt zu installieren, damit die Netzabdeckung vorangebracht und somit auch die Welt ein bisschen mehr miteinander „verknüpft“ wird.

Selbst die Berliner Polizei macht sich die Drohnen-Technologie für eine bessere Überwachung von öffentlichen Plätzen zunutze.

Die Zukunft der Drohne wie auch der Robotor-Technologie oder der autonomen Fahrzeuge scheint unaufhaltbar zu sein. Von entscheidender Rolle wird daher die Frage sein, wie der Gesetzgeber reagieren und die Vorschriften immer möglichst aktuell an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen wird, um so auf die Rechte des Einzelnen weiterhin zu schützen, gleichwohl aber auch die wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht auszubremsen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, aber auch weitere bestehende Vorschriften (z.B. § 201a StGB, §§ 22, 23 KUG und aus dem Datenschutzrecht § 6b BDSG) müssen auch zukünftig ihre Schutzwirkung entfalten können und sollten nicht durch die fortschrittliche Technologien unterlaufen werden. Doch für die Geltendmachung der (Abwehr)ansprüche bedarf es erst einmal der Kenntnis der Rechtsverstöße – doch in vielen Fällen wird es hieran fehlen, beispielsweise bei versteckter Videoüberwachung oder immer kleineren Flugkörpern.

Interview mit den Copternauten

Passend zum Thema konnte ich vor einiger Zeit ein Interview mit Dennis Möbus und dem Team von den Copternauten führen.

Die Copternauten – haben sich vor über zwei Jahren gegründet. Sie bieten professionelle Luftbildaufnahmen in Foto und Video an, sind eigentlich ein rundum-Dienstleister. Anfänger können Flugschulungen bei Ihnen besuchen. Darüber hinaus reparieren, modifizieren und inspizieren sie auch Drohnen und sind leidenschaftliche Flieger.

Zunächst die Frage: Wie leicht fällt einem Laien eigentlich die Steuerung einer handelsüblichen, privaten Drohne? Und wie schnell bzw. weit kann diese problemlos fliegen?

Dennis Möbus, Copternauten: Sehr leicht. Nach wenigen Flügen beherrscht man bereits die Grundlagen im Fliegen. Einfach ist es durch die GPS-gestützte Steuerung geworden, die den Copter sehr einfach in der Luft hält. Normale Flugmodelle haben diese Möglichkeit nicht und müssen durchgehend gesteuert werden.

Gibt es auch geräuschlose oder kleinere Flugkörper, die schwer wahrnehmbar sind? Oder ist das eher Militärtechnik der Zukunft?

Durch die hohe Drehzahl der Motoren/Rotoren ist immer ein lautes Surren wahrzunehmen, selbst in großen Höhen. Ausspionieren, ohne dass es jemand merkt, ist daher kaum möglich.

Bei größeren Drohnen lassen sich Kameras installieren, insbesondere nutzen Fotografen oder Hobby-Filmer gern diese moderne Technik für ausgefallene Filmaufnahmen aus der Luft. Nimmt dieser Trend weiter zu und eine wesentliche Rolle bei Drohnen ein?

Dieser Trend nimmt sehr stark zu. Ich gehe davon aus, dass der Großteil ausschließlich hierfür gekauft wird. Beliebter werden allerdings immer mehr die Drohnen, die mit Kamera unter 5 KG kommen (leichtere Genehmigungsverfahren).

Dabei besteht jederzeit die Gefahr, dass auf diese Weise rechtwidrige Aufnahmen von Firmengeländen oder selbst durch heimliche Fotos vom Nachbargrundstück entstehen. Wie steht ihr dazu?

Wenn man sich an die geltenden Rechte hält, hat man eigentlich nichts zu befürchten. Wir hatten bisher noch nie Probleme, da wir im Vorfeld immer alle erforderlichen Genehmigungen eingeholt haben. Das gilt nicht nur für die Privatrechte, sondern allgemein auch für die Aufstiegsgenehmigungen an sich.

Jüngst wurden Pläne bekannt, dass Amazon wie auch andere größere Unternehmen an Drohnen als neue Infrastruktur arbeiten. Diese könnten z.B. die Auslieferung von Waren an den Endkunden vereinfachen und beschleunigen. Und auch Facebook arbeitet offiziell seit einiger Zeit an größeren Flugkörpern, die als eine Art „W-LAN“-Station über bestimmte Gebiete fliegen und dort die Verbreitung des Internets fördern sollen. Habt ihr von derartigen Konzepten gehört und haltet ihr dies für realisierbar in naher Zukunft? Und wäre es ein Vorteil?

Ich gehe davon aus, dass dies alles eher Marketingprojekte sind. Die Rechtslage in Deutschland ermöglicht autonome Flüge zum Transport von Gütern jeglicher Art derzeit eigentlich nicht. Zudem darf man nicht über Menschenmengen fliegen und außerdem nur im Sichtbereich des Piloten. All das ist bei einem autonomen Flug nicht gewährleistet und würde entsprechend gegen mehrere gesetzliche Einschränkungen verstoßen. Ich denke hier wird sich in der Zukunft auch nichts ändern. Eher werden die Einschränkungen noch größer.

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen, dass es immer wieder zu Zusammenstößen oder Beinaheunfällen in der Luftfahrt kam. So soll eine Passagiermaschine im Landeanflug auf einem bekannten Airport in den USA fast mit einer Drohne kollidiert sein. Wie lässt sich dies regeln oder besser verhindern?

Der Hersteller müsste die Höhengrenze fest in der Drohne beschränken und diese Beschränkung auch nicht aufheben lassen. Hier sind wir wieder beim Thema: Hält man sich an die geltenden Gesetze, sind solche Beinaheunfälle und Zusammenstöße eigentlich unmöglich. Technisch wäre es kein Problem in die Steuerungsapps etwas Entsprechendes einzuprogrammieren, bisher haben sich die Hersteller allerdings noch nicht zu diesem Schritt entschieden – warum auch immer.

In Deutschland kam im vergangenen Jahr aus der Ecke des Verkehrsministeriums der Vorschlag, einen so genannten „Drohnenführerschein“ einzuführen. Dieser sieht je nach Nutzung und Größe gewisse Schulungen und Einschränkungen der Drohnennutzung vor? Eure Meinung dazu? Sinnvoll, übertriebene Vorsichtsmaßnahme oder reine Politik?

Wir begrüßen die Einführung eines entsprechenden Führerscheins. Diese wäre natürlich geknüpft mit einer Vereinheitlichung der Genehmigungslage in Deutschland. Leute, die professionell mit Drohnen arbeiten, sollten es etwas leichter haben, gleichzeitig aber die Hobbypiloten in ihrer Freiheit etwas mehr eingeschränkt werden. Zudem hat jedes Bundesland derzeit noch seine eigenen Regeln, eine bundesweit einheitliche Regelung wäre wünschenswert. Zudem wäre auch eine Kennzeichnungspflicht, ähnlich eines Nummernschildes (was auch digital möglich wäre) wünschenswert. Dann würden sich viele sicher auch mehr Gedanken machen, bevor sie gegen Gesetze verstoßen.

Wie könnte eine stärkere Regulierung oder gar Verschärfung der Rechtslage auch hinderlich für die technische und wirtschaftliche Entwicklung in Europa sein?

Also die Unternehmen, die entsprechende Arbeiten mit Drohnen professionell betreiben, haben meiner Meinung nach keine großen Probleme mit einer Verschärfung.

Wie sieht ihr die Entwicklung des Marktes? Werden dank sinkender Preise und immer neuer Modelle bald Drohnen und vergleichbare Flugkörper zu einem Massengeschäft? Hat bald jeder zweite eine Drohne als Hobby?

Die Flugkörper sind bereits heute ein Massengeschäft und werden es natürlich immer mehr. In Deutschland werden täglich mehrere tausend Flugmodelle verkauft, der Markt wächst stetig und die Modelle verbessern sich in ihrer Technik rasant. Es ist eher interessant, wie die Modelle wohl in ein paar Jahren aussehen werden und vor allem, was sie auch dann alles können.

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Amazon arbeitet am Bezahlsystem mit Gesichtserkennung – Was ist mit dem Datenschutz?

Im Bereich der “Identitätskontrolle” einer Person im Wege der Eröffnung eines Kontos können Banken dem Kunden seit einer Weile eine neue technische Lösung präsentieren: Das PostIndent-Verfahren lässt sich online mittels Webcam durchführen. Und auch die Altersverifikationssysteme (AVS) für bestimmte Internet-Inhalte bzw. -Dienstleistungen sind auf diese Weise längst etabliert. Hier besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Person. Wie ist es aber beim Shoppen?

Im Oktober letzten Jahres meldete mit Amazon der vermeintlich größte Online-Händler der Welt für Elektronik und Bücher laut Medienberichten ein neues Patent an, wodurch sich das US-Amerikanische Unternehmen diese neuartige Technik der Gesichtserkennung zur Identitätskontrolle beim Bestellvorgang sichert. Die Käufer könnten in naher Zukunft „live“ durch ein selbst aufgenommenes Video über die Frontkamera des Smartphones oder möglicherweise über eine Webcam die Käufe abschließen. So soll die Identität des Kunden geprüft und das sonst übliche Passwort zur Anmeldung und Bestätigung im Shop ersetzen werden. Die Medien schrieben bereits schon über dieses vereinfachte Bestellsystem mit knackigen Überschriften: „Selfie statt Passwort“ oder „Bezahlen per Selfie“.

Ganz neu ist das nicht: Die Kreditkartenfirma Mastercard will eine Technik zur Feststellung der Person durch ein Video/Foto noch in diesem Jahr einführen, wie jüngst auf dem Mobile World Congress (MWC) angekündigt wurde. Ebenso setzen bereits mehrere Banken und allen voran Telemedienanbieter auf Grundlage von Altersverifikationssysteme für „ü18-Inhalte“ im Internet vergleichbare Lösungen beim PostIdent-Verfahren mittels Webcam an. In erster Linie soll so der Abgleich mit dem Foto aus dem Personalausweis oder anderen Ausweispapiern stattfinden. Nicht zuletzt bieten auch die Smartphones mit Windows 10 oder die neueste Android-Version die Entsperrung der Geräte mittels Gesichtserkennung über die Frontkamera an.

Das von Amazon entwickelte Verfahren könnte die Sicherheit des Rechtsverkehrs (Vertragsabschluss im Internet) erhöhen. Denn viele Nutzer wählen ohnehin zu einfache Passwörter, die schnell gehackt werden können, oder gehen sorglos mit ihren Zugangsdaten um. Nachher heißt es immer: Ich war das gar nicht! Hingegen lässt sich wegen der Einzigartigkeit jedes Menschen auf Grundlage der biometrischen Daten ein in der Theorie unknackbarer virtueller Fingerabdruck erstellen.

Gefahren und Probleme der Gesichtserkennung

Doch wo viel Licht ist, ist auch überreichlich Schatten. Den positiven Aspekten dieser Technik stehen die Gesetze in Deutschland und Europa, insbesondere der Datenschutz gegenüber. Dies gilt zwar schon für eine „Webcam“-Session mit einem Unternehmen oder das Übermitteln eines Fotos zur Überprüfung der Person mit dessen zuvor hinterlegten Personalausweises, umso mehr aber bei automatischen Gesichtserkennungssystemen.

Schließlich erheben und speichern die Gesichtserkennungsprogramme die biometrischen Daten des Betroffenen, die sich aus der Gesichtsform und einer Vielzahl an individuellen, optischen Merkmalen des Menschen zusammensetzen und durch ein Computerprogramm berechnet werden. Aus dem Foto wird ein Hashwert erzeugt, der sich in allen zukünftigen anderen Bildern des Nutzers wiederfindet und somit verglichen werden kann. Diese Daten sind personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und unterfallen damit dem Datenschutzrecht. Sie sind so etwas wie ein Fingerabdruck, da sie einzigartige Merkmale darstellen und in hohem Maße schutzwürdige Interessen des Einzelnen berühren. Es ist vielmehr als nur ein Foto, sondern es ist ein elektronischer Schlüssel.

Die Datenschützer warnen vor den Folgen von Gesichtserkennungsprogrammen

Wegen der hohen Bedeutung der biometrischen Daten des Einzelnen haben die Datenschutzbehörden bereits vor Jahren gegen die Gesichtserkennungsprogramme starke Einwände vorgebracht und mit hohen Anforderungen verknüpft.

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI), Prof. Johannes Caspar hatte beispielsweise im Jahre 2012 eine Anordnung gegen Facebook erlassen bezüglich der vom sozialen Netzwerk eingeführten Software für die Gesichtserkennung. So wurde dem Unternehmen vom Gründer Mark Zuckerberg untersagt, die von den Nutzern eingestellten Fotos durch eine spezielle Software auszulesen und die biometrischen Daten des abgebildeten Mitglieds zu erheben bzw. zu speichern, um auf dessen Grundlage unter anderen weitere Fotos der Person vorzuschlagen. Facebook verzichtete (vorläufig) auf diese Technik der automatischen Gesichtserkennung seiner Mitglieder in Deutschland.

Und auf der 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragen des Bundes und der Länder am 27. und 28. Mai 2014 in Hamburg wurde die Entschließung „Biometrische Gesichtserkennung durch Internetdienste – nur mit Wahrung des Selbstbestimmungsrechts Betroffener“ getroffen, die einige Voraussetzungen für die datenschutzrechtlich zulässige Erzeugung so genannter biometrischer Templates der Gesichter von Personen durch Internet-Dienste und dessen Anwendung aufführt.

In diesem Arbeitspapier wird eine wirksame Einwilligung des Betroffenen im Sinne von § 4a BDSG  gefordert, die aktiv und ausdrücklich erteilt werden muss. Dies setzt eine klare und verständliche Information des Benutzers über den Zweck und Risiken des Verfahrens voraus. Diese Einwilligung darf auch nicht in Nutzungsbedingungen oder Datenschutzerklärungen des Unternehmens versteckt sein. Fehlt es hieran oder werden die biometrischen Daten von Dritten gespeichert, sind diese Daten umgehend zu löschen. Eine nachträgliche (rückwirkende) Erlaubnis ändert daran nichts.

An dieser Stelle weisen die Datenschützer noch einmal auf die uns allen aus Agenten-Kinofilmen bekannten Gefahren hin:

„Die biometrische Gesichtserkennung ist eine Technik, die sich zur Ausübung von sozialer Kontrolle eignet und der damit ein hohes Missbrauchspotential immanent ist.“

Wer diesen Schlüssel (Hashwert) besitzt, könnte unter Verwendung der genannte Verfahren nicht nur Verträge im Namen anderer abschließen und somit Missbräuche begehen, sondern gegebenenfalls die Person auch in naher Zukunft überwachen.

Es ist kein Geheimnis, dass immer mehr Videokameras und Überwachungssysteme weltweit installiert und vernetzt werden und sich beim Besitz der biometrischen Daten angesichts der zunehmenden technischen Auswertungsmethoden zukünftig auch Standorte der Person im öffentlichen Raum feststellen lassen könnten. Noch klingt das nach James Bond.

Sollten Amazon, Mastercard und auch weitere Unternehmen auf das Verfahren der Gesichtserkennung zurückgreifen oder jedenfalls einmalig die biometrischen Daten des Kunden erheben und speichern für den zukünftigen Abgleich, müssten sie die geltenden Gesetze hierzulande einhalten. Nach dem deutschen Verständnis des Datenschutzes müsste sich das Unternehmen also die ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen bei gleichzeitiger Information und Aufklärung einholen und die Grundsätze der Zweckgebundenheit und der Datensparsamkeit einhalten. Ebenfalls ist auch die Sicherheit dieser Daten vor Zugriffen Dritter zu gewährleisten.

Schon die Anforderungen an die wirksame Einwilligung sollten nicht unterschätzt werden. Mit eben einem schnellen Lächeln oder Nicken während des Videos kann der Betroffene wohl kaum in die Speicherung seiner personenbezogenen Daten einwilligen. Vielmehr müsste er jedenfalls einmalig ausdrücklich (elektronisch / schriftlich) zustimmen und zuvor in angemessener Weise aufgeklärt worden sein. Das Akzeptieren von langen Nutzungsbedingungen durch ein einfaches Kontrollfeld, wohlmöglich noch auf einer fremden Sprache, dürfte folglich nicht genügen angesichts der Sensibilität dieser biometrischen Daten.

Und dann wären da noch – abgesehen vom Missbrauchspotenzial – die Gefahren und Probleme der Technik wie die Fehlerquote beim Abgleich der Templates, die Falscherkennung oder aber ein Defekt der Kamera? Wenn wegen schlechter Lichtverhältnisse oder veränderten Typus auf einmal der Abgleich misslingt, funktioniert das System nicht (mehr). Und was ist mit denjenigen, die gar kein Smartphone besitzen oder die Teilnahmen an diesen Verfahren verweigern?

Es droht der Verlust der Anonymität

Immerhin würden die Anonymität und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterwandert werden, wenn man bei der Anmeldung eines Online-Shops oder beim Kauf eines Films oder bestimmter Ware sein Gesicht zeigen müsste. Schließlich sind an die Person und ihre Merkmale sehr viele sensible Faktoren geknüpft wie die Hautfarbe, das Geschlecht, ungefähre Alter usw. Aus diesen Erkenntnissen könnten die Unternehmen nicht nur sehr wertvolle Daten über die Kunden gewinnen und besser analysieren, sondern auch erhebliche Nachteile für die Betroffenen entstehen. Im schlimmsten Falle droht sogar die Gefahr der Diskriminierung. Mithin dürften diese biometrischen Daten und gespeicherten Fotos nicht mit anderen Angeboten wie Facebook oder Bildersuchmaschinen oder mit Werbezwecken verknüpft werden, selbst wenn es den Werbern in den Fingern juckt.

Diese Erkennungstechnik darf auf keinen Fall das einzige Kriterium sein, sondern muss immer nur eine zusätzliche Alternative zu anderen Identifikationskontrollen und herkömmlichen Zugangskontrollen bilden. Es ist daher zweifelhaft, dass dies Verfahren die Eingabe eines Passworts, PINs oder das einfache Login ersetzen wird, auch wenn Unternehmen wie Amazon ein immenses Interesse an der neuen Technologie haben dürften. Könnten sie sich unter Umständen auf diesem Wege zahlreiche zusätzliche Daten des einzelnen Kunden beschaffen und zur Steigerung der personalisierten Werbung einsetzen, wenngleich dies gegen das deutsche Datenschutzrecht verstößt. Trotz dieses Bestrebens der freien Wirtschaft hinsichtlich der Umsetzung dieser Technik, könnten die Überlegungen der Datenschützer lauten: Diese Verfahren sollten nur ganz bestimmten, öffentlichen Stellen vorbehalten sein, wie am Flughafen bei notwendigen Sicherheitskontrollen.

Doch jüngst tauchten bereits erste Informationen auf zu einem Nachfolgemodell auf. Eine neuartige technische Entwicklung führt bereits zu einer Art „Gesichtserkennung 2.0“. Hierbei sollen allein die Figur, Haarfarbe, Gestik, Bewegungen und sonstige messbare Merkmale des Menschen ausgewertet werden ohne dabei das Gesicht als solches erkennbar aufzunehmen. Ob dies datenschutzfreundlicher ist, lässt sich sicherlich diskutieren.

Der Schutz des Individuums und seiner Grundrechte darf aber unter keinen Umständen gefährdet werden, wie ein bekannter Datenschützer aus Hamburg betont:

„Die Bedrohung des Verlustes der Anonymität in der Öffentlichkeit hat Auswirkungen auf unser demokratisches Gemeinwesen.“ Dr. Moritz Karg, Referent beim HmbBfDI (Humbold Forum Recht, Ausgabe 7, 2012, S. 120ff).

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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