Schlagwort-Archive: Gesetz

Drohnen: Viele Zukunftsvisionen, aber auch viel Rechtsunsicherheit

Eines der Hauptthemen der diesjährigen IFA in Berlin sind die Drohnen im Consumer-Bereich. Die kleinen elektronischen Flugkörper für Jedermann werden nicht nur immer beliebter, sondern mittlerweile sogar im professionellen Wettbewerben wie dem Drohnen-Rennen der „Dronemaster Summit“ oder auf den Drohnen „Weltmeisterschaften“ in Dubai eingesetzt. Immer mehr Hersteller drängen in den Markt, was zu sinkenden Preisen und verbesserter Technik führt. Bald gibt es vermutlich die kleinen Flieger für ein paar Hundert Euro im Supermarkt.

Doch auch negative Schlagzeilen sind keine Seltenheit: Es sind bereits mehrere Beinahezusammenstöße bewiesen. So soll sogar der zivile Luftverkehr in Los Angeles gestört worden sein, als eine Drohne einen Airbus A380 von der Lufthansa im Landeanflug nahezu berührte. Auch vor wenigen Wochen ist über München eine Drohne nur wenige Meter entfernt von einem Airbus während des Landeanflugs geflogen, weswegen dem Drohnenbesitzer nun ein Strafverfahren droht.

Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) sind etwa 30 Beinahezusammenstöße im laufenden Jahr protokolliert worden. In der Schweiz sorgte jüngst ein Fotograf für Aufsehen, der eine Drohne über ein Schweizer Atomkraftwerk steuerte und Bilder aus dem Schornstein aufzeichnete.

Bei steigender Beliebtheit und Flugeinsätzen dieser Fluggeräte sind tödliche Unfälle nur noch eine Frage der Zeit. Hinzu kommt die Gefahr von Rechtsbrüchen durch die heimliche Überwachung oder das ungewollte Filmen von Firmengeländen oder selbst von Nachbars Garten.

Die neue Rechtslage: Der Drohnen-Führerschein wird gefordert

In der Vergangenheit war die Regulierung der privaten oder gewerblichen Nutzung der zivilen Drohnen nur bedingt möglich, was zu einer offenkundigen Rechtsunsicherheit führte. Dies wird sich nun ändern.

Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt plante bereits Ende letzten Jahres eine Art „Drohnen-Führerschein“ mit strengeren Regelungen für den Einsatz von Drohnen durch Privatpersonen oder gewerbliche Nutzer. Dabei wird an Schulungen, bestimmte „Grenzen“ und deutlichere Aufklärung als Mindestmaß gedacht.
In der Zwischenzeit initiierte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) eine geplante Anpassung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und der Luftverkehrsordnung (LuftVO).

Der Plan sieht unter anderem vor:

  • Private Drohnen dürfen nicht höher als 100 Meter und nicht außerhalb der Sichtweite des Steuerers fliegen
  • Der Flug über Kraftwerke, Industrieanlagen, Militärgelände, Bundesfernstraßen und Eisenbahnlinien ist verboten.
  • Ebenso gelten Verbotszonen über Demonstrationen, Menschenansammlungen, Katastrophengebieten oder sonstigen Einsatzgebieten der Polizei oder anderer Sicherheitsbehörden.
  • Die gewerbliche Nutzung von Drohnen, beispielsweise für professionelle Aufnahmen oder Dienstleistungen, wird gesondert geregelt und kann weitestgehend durch die Bundesländer gestaltet werden.
  • Die gewerblichen Betreiber benötigen zukünftig den Drohnenführerschein, der die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung beim Luftfahrt-Bundesamt erfordert.

Was für Rechtsverstöße sind denkbar?

Es gibt zwar auch nach einer Neuregelung kein eigenständiges „Drohnen-Gesetz“, aber aus der LuftVO lassen sich hinsichtlich der kleinen elektronischen Flugkörper die genannten Einschränkungen ableiten. Inwieweit diese zukünftig kontrolliert werden, bleibt abzuwarten.

Und auch in den allgemeinen Gesetzen hierzulande finden sich vereinzelt Vorschriften, die diesbezüglich infrage kommen könnten. Im deutschen Strafrecht findet sich z.B. seit wenigen Jahren der Paragraph 201a Strafgesetzbuch (StGB). § 201a StGB verbietet die Herstellung von Bildaufnahmen von geschützten, höchstpersönlichen Lebensbereichen wie dem Wohnzimmer oder eines gegen Einblick besonders geschützten Raumes. Wer also mit einer Drohne unbefugt einen großen Sichtschutz des Nachbars überfliegt und ohne Einwilligung oder gegen den Willen des Bewohners Fotos bewirkt, könnte sich strafbar machen. Zudem schützen §§ 22, 23 KUG (i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I, 1 I GG grundsätzlich auch vor der Verbreitung oder Zurschaustellung von Bildnissen, auf denen eine Person klar erkennbar als solche abgebildet ist. Weiter Voraussetzungen sind, dass dies ohne Einwilligung des Abgebildeten erfolgt und keine der in § 23 KUG genannten Ausnahmen greifen. Oft wird diesbezüglich argumentiert, die abgebildete Person sei nur ein „Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit“.

Und auch das Datenschutzrecht darf nicht ganz aus dem Auge verloren werden. Die Datenschützer warnten daher bereits vor 2 Jahren vor Rechtsverstößen durch die elektronischen Fluggeräte, die z.B. aus heimlichen Aufnahmen des Nachbargrundstücks oder Firmengeländen resultieren. Wenn Zäune und Sichtschutzanlagen problemlos durch die geräuschlosen Drohnen überflogen werden können, liegt in der Regel nicht nur ein strafbarer Hausfriedensbruch, sondern auch die Verletzung von individuellen Rechtsgütern, z.B. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 1, Art. 1 1 GG und § 22, 23 KUG vor.

Nun stehen neue gesetzliche Regelungen und ein persönlicher Eignungstest im Raum. Umgesetzt ist davon bislang nichts, was wohl auch daran liegen mag, dass die Europäische Kommission dem Bestreben des deutschen Ministers einen Riegel vorgeschoben hat und eine Beschränkung des Markts hierin erkennt. Und ein solcher „Boom“ wird längst erwartet.

Gesetze für die Zukunft?

Denn nicht zuletzt setzen Industrie und vor allem größere IT-Unternehmen auf innovative Konzepte rund um den Einsatz von Drohnen. Der weltgrößte Online-Händler Amazon arbeitet bereits an einer „eigenen“ Drohne, die eine schnellere Auslieferung der Ware gewährleisten könnte. Mittlerweile ist die Software bzw. Technologie so weit fortgeschritten, dass die „Amazon Drohne“ sogar die Umgebung verstehen, Hindernissen automatisch ausweichen und daher eigenständig den Weg zum Kunden finden soll. Ähnliche Konzepte befinden sich in den selbstfahrenden Fahrzeugen der nahen Zukunft. Facebook sieht sich veranlasst, größere Drohnen als eine Art fliegenden „Sendemast“ über bestimmten Regionen der Welt zu installieren, damit die Netzabdeckung vorangebracht und somit auch die Welt ein bisschen mehr miteinander „verknüpft“ wird.

Selbst die Berliner Polizei macht sich die Drohnen-Technologie für eine bessere Überwachung von öffentlichen Plätzen zunutze.

Die Zukunft der Drohne wie auch der Robotor-Technologie oder der autonomen Fahrzeuge scheint unaufhaltbar zu sein. Von entscheidender Rolle wird daher die Frage sein, wie der Gesetzgeber reagieren und die Vorschriften immer möglichst aktuell an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen wird, um so auf die Rechte des Einzelnen weiterhin zu schützen, gleichwohl aber auch die wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht auszubremsen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, aber auch weitere bestehende Vorschriften (z.B. § 201a StGB, §§ 22, 23 KUG und aus dem Datenschutzrecht § 6b BDSG) müssen auch zukünftig ihre Schutzwirkung entfalten können und sollten nicht durch die fortschrittliche Technologien unterlaufen werden. Doch für die Geltendmachung der (Abwehr)ansprüche bedarf es erst einmal der Kenntnis der Rechtsverstöße – doch in vielen Fällen wird es hieran fehlen, beispielsweise bei versteckter Videoüberwachung oder immer kleineren Flugkörpern.

Interview mit den Copternauten

Passend zum Thema konnte ich vor einiger Zeit ein Interview mit Dennis Möbus und dem Team von den Copternauten führen.

Die Copternauten – haben sich vor über zwei Jahren gegründet. Sie bieten professionelle Luftbildaufnahmen in Foto und Video an, sind eigentlich ein rundum-Dienstleister. Anfänger können Flugschulungen bei Ihnen besuchen. Darüber hinaus reparieren, modifizieren und inspizieren sie auch Drohnen und sind leidenschaftliche Flieger.

Zunächst die Frage: Wie leicht fällt einem Laien eigentlich die Steuerung einer handelsüblichen, privaten Drohne? Und wie schnell bzw. weit kann diese problemlos fliegen?

Dennis Möbus, Copternauten: Sehr leicht. Nach wenigen Flügen beherrscht man bereits die Grundlagen im Fliegen. Einfach ist es durch die GPS-gestützte Steuerung geworden, die den Copter sehr einfach in der Luft hält. Normale Flugmodelle haben diese Möglichkeit nicht und müssen durchgehend gesteuert werden.

Gibt es auch geräuschlose oder kleinere Flugkörper, die schwer wahrnehmbar sind? Oder ist das eher Militärtechnik der Zukunft?

Durch die hohe Drehzahl der Motoren/Rotoren ist immer ein lautes Surren wahrzunehmen, selbst in großen Höhen. Ausspionieren, ohne dass es jemand merkt, ist daher kaum möglich.

Bei größeren Drohnen lassen sich Kameras installieren, insbesondere nutzen Fotografen oder Hobby-Filmer gern diese moderne Technik für ausgefallene Filmaufnahmen aus der Luft. Nimmt dieser Trend weiter zu und eine wesentliche Rolle bei Drohnen ein?

Dieser Trend nimmt sehr stark zu. Ich gehe davon aus, dass der Großteil ausschließlich hierfür gekauft wird. Beliebter werden allerdings immer mehr die Drohnen, die mit Kamera unter 5 KG kommen (leichtere Genehmigungsverfahren).

Dabei besteht jederzeit die Gefahr, dass auf diese Weise rechtwidrige Aufnahmen von Firmengeländen oder selbst durch heimliche Fotos vom Nachbargrundstück entstehen. Wie steht ihr dazu?

Wenn man sich an die geltenden Rechte hält, hat man eigentlich nichts zu befürchten. Wir hatten bisher noch nie Probleme, da wir im Vorfeld immer alle erforderlichen Genehmigungen eingeholt haben. Das gilt nicht nur für die Privatrechte, sondern allgemein auch für die Aufstiegsgenehmigungen an sich.

Jüngst wurden Pläne bekannt, dass Amazon wie auch andere größere Unternehmen an Drohnen als neue Infrastruktur arbeiten. Diese könnten z.B. die Auslieferung von Waren an den Endkunden vereinfachen und beschleunigen. Und auch Facebook arbeitet offiziell seit einiger Zeit an größeren Flugkörpern, die als eine Art „W-LAN“-Station über bestimmte Gebiete fliegen und dort die Verbreitung des Internets fördern sollen. Habt ihr von derartigen Konzepten gehört und haltet ihr dies für realisierbar in naher Zukunft? Und wäre es ein Vorteil?

Ich gehe davon aus, dass dies alles eher Marketingprojekte sind. Die Rechtslage in Deutschland ermöglicht autonome Flüge zum Transport von Gütern jeglicher Art derzeit eigentlich nicht. Zudem darf man nicht über Menschenmengen fliegen und außerdem nur im Sichtbereich des Piloten. All das ist bei einem autonomen Flug nicht gewährleistet und würde entsprechend gegen mehrere gesetzliche Einschränkungen verstoßen. Ich denke hier wird sich in der Zukunft auch nichts ändern. Eher werden die Einschränkungen noch größer.

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen, dass es immer wieder zu Zusammenstößen oder Beinaheunfällen in der Luftfahrt kam. So soll eine Passagiermaschine im Landeanflug auf einem bekannten Airport in den USA fast mit einer Drohne kollidiert sein. Wie lässt sich dies regeln oder besser verhindern?

Der Hersteller müsste die Höhengrenze fest in der Drohne beschränken und diese Beschränkung auch nicht aufheben lassen. Hier sind wir wieder beim Thema: Hält man sich an die geltenden Gesetze, sind solche Beinaheunfälle und Zusammenstöße eigentlich unmöglich. Technisch wäre es kein Problem in die Steuerungsapps etwas Entsprechendes einzuprogrammieren, bisher haben sich die Hersteller allerdings noch nicht zu diesem Schritt entschieden – warum auch immer.

In Deutschland kam im vergangenen Jahr aus der Ecke des Verkehrsministeriums der Vorschlag, einen so genannten „Drohnenführerschein“ einzuführen. Dieser sieht je nach Nutzung und Größe gewisse Schulungen und Einschränkungen der Drohnennutzung vor? Eure Meinung dazu? Sinnvoll, übertriebene Vorsichtsmaßnahme oder reine Politik?

Wir begrüßen die Einführung eines entsprechenden Führerscheins. Diese wäre natürlich geknüpft mit einer Vereinheitlichung der Genehmigungslage in Deutschland. Leute, die professionell mit Drohnen arbeiten, sollten es etwas leichter haben, gleichzeitig aber die Hobbypiloten in ihrer Freiheit etwas mehr eingeschränkt werden. Zudem hat jedes Bundesland derzeit noch seine eigenen Regeln, eine bundesweit einheitliche Regelung wäre wünschenswert. Zudem wäre auch eine Kennzeichnungspflicht, ähnlich eines Nummernschildes (was auch digital möglich wäre) wünschenswert. Dann würden sich viele sicher auch mehr Gedanken machen, bevor sie gegen Gesetze verstoßen.

Wie könnte eine stärkere Regulierung oder gar Verschärfung der Rechtslage auch hinderlich für die technische und wirtschaftliche Entwicklung in Europa sein?

Also die Unternehmen, die entsprechende Arbeiten mit Drohnen professionell betreiben, haben meiner Meinung nach keine großen Probleme mit einer Verschärfung.

Wie sieht ihr die Entwicklung des Marktes? Werden dank sinkender Preise und immer neuer Modelle bald Drohnen und vergleichbare Flugkörper zu einem Massengeschäft? Hat bald jeder zweite eine Drohne als Hobby?

Die Flugkörper sind bereits heute ein Massengeschäft und werden es natürlich immer mehr. In Deutschland werden täglich mehrere tausend Flugmodelle verkauft, der Markt wächst stetig und die Modelle verbessern sich in ihrer Technik rasant. Es ist eher interessant, wie die Modelle wohl in ein paar Jahren aussehen werden und vor allem, was sie auch dann alles können.

Beitrag bewerten: 1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (4 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)
Loading...

Störerhaftung und freies W-LAN: Was sagt der BGH, was plant die Bundesregierung?

In den letzten Tagen überschlugen sich fast schon die Nachrichten zum Filesharing und der Störerhaftung. So war in verschiedenen Medien zu lesen, dass die Bundesregierung die Abschaffung der Störerhaftung plane. Auch hieß es, der Bundesgerichtshof (BGH) habe vor wenigen Tagen die Haftung des Anschlussinhabers in einer Entscheidung „entschärft“. Was heißt das nun konkret?

Die Störerhaftung ist eine Besonderheit in der deutschen Rechtsdogmatik, wonach der Anschlussinhaber bzw. der W-LAN Betreiber grundsätzlich für Rechtsverstöße durch Dritte zur Haftung herangezogen werden kann. In der Regel geht es um Ansprüche auf Unterlassung der Wiederholung und somit der abermaligen Rechtsverletzung in der konkreten Sache. (Was ist die Störerhaftung?)

Die Inhaber der Urheber- und Nutzungsrechte (an Filmen, Musik usw.) lassen daher seit Jahren mittels bestimmter Tools in den einschlägigen Tauschbörsen und Netzwerken die IP-Adresse der handelnden „Filesharer“ herausfinden und wenden sich dann, nach einem gewissen juristischen Prozedere durch eine beauftragte Kanzlei, an den Anschlussinhaber mit einer kostenpflichtigen Abmahnung. Von der unerwarteten Abmahnung geschockt, zahlen viele Anschlussinhaber die von dem Rechtsanwalt beigefügten „Anwaltskosten“, unterschreiben die strafbewehrte Unterlassungserklärung und/ oder einigen sich häufig auf Zahlung der Kosten in einer bestimmten Höhe, die in der Regel zwischen 400 und 800 Euro liegt – je nach Anzahl der streitgegenständlichen Werktitel.

Diese Rechtsdogmatik ist vielen Gewerbetreibenden und auch den Befürwortern von „Freifunk“ schon lange ein Dorn im Auge. Denn sie führt in der Regel zur Haftung des Anschlussinhabers, sofern dieser gegen bestimmte Prüfpflichten und Aufklärungs- bzw. Überwachungspflichten verstößt. Wo genau die Grenzen dieser Pflichten liegen und ob bzw. inwiefern sich der Anschlussinhaber von der Haftung freimachen kann, ist seit Jahren umstritten und von den Gerichten unterschiedlich bewertet worden. So haben sich zwar in den Entscheidungen der Gerichte gewisse Grundgedanken und Argumente durchgesetzt, doch obliegt es immer dem Einzelfall und der Darlegungspflicht des Verantwortlichen. Dieser musste dem Grunde nach bislang immer den Beweis dafür erbringen, warum er oder ein Dritter eben nicht diesen Rechtsverstoß begangen hat / haben kann. Oft fällt dieser Beweis aber schwer, wenn man beispielsweise gar nicht weiß, wann welcher Gast oder Mitbewohner den Internetanschluss nutzte. Noch schwerer ist es bei einer unüberschaubaren Anzahl an Gästen.

Nachdem sich die kritischen Stimmen im Hinblick auf diese Rechtsprechung mehrten, weil auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland und der in anderen Ländern längs üblichen „free WIFI“-Hotspots in Cafés oder an beliebten Touristenplätzen in der Stadt/ Land unter dieser Rechtslage litten und mittlerweile sogar der EuGH-Generalanwalt Szpunar das deutsche Rechtsmodell der Störerhaftung des W-LAN Betreibers (Anschlussinhabers) infrage stellt, scheint nun etwas Bewegung in die Thematik gekommen zu sein.

Wie vor wenigen Tagen zu lesen war, plant die Bundesregierung noch im Herbst dieses Jahres eine Gesetzesänderung „durchzubringen“, wonach die Störerhaftung für den Betreiber eines W-LAN Netzwerks nahezu abgeschafft wird. Ein Referentenentwurf existiert schon seit längerem, aber viel mehr ist noch nicht bekannt.

Die Richter am Bundesgerichtshof ahnten möglicherweise schon diese neue Entwicklung und sprachen sich am vergangenen Donnerstag in einer interessanten Entscheidung für die Rechtsposition des beklagten Anschlussinhabers und folglich gegen dessen Haftung aus. In diesem Urteil (BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az.: I ZR 86/15) weichen die Richter erneut die Prüfungspflichten des Anschlussinhabers auf.

Danach und auch nach vorheriger Rechtsprechung haftet der Anschlussinhaber nicht für das Verhalten seiner erwachsenen Kinder oder auch volljährigen Familienangehörigen als Mitglieder der Wohnungsgemeinschaft, wenn es für ihn keine erkennbaren Anhaltspunkte gibt, dass diese den Internetanschluss für das verbotene Filesharing missbrauchen, also Rechtsverstöße durch illegales Herunterladen von Filmen oder Musik begehen. Er müsse erst dann geeignete Maßnahmen der Überwachung und Einschränkung treffen, wenn er auf Grund eines konkreten Anlasses das rechtwidrige Verhalten zu befürchten habe. Eine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht bestünde daher nicht.

“ Als Grund für die Haftung kam vorliegend nur in Betracht, dass die Beklagte ihre Nichte und deren Lebensgefährten nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehrt hat. Der Beklagten war eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar. Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.“
(Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 12.05.2016)

Eine tiefergehende Erklärung wird wohl erst das Urteil geben, das noch nicht veröffentlicht wurde.

Was heißt das nun für die Zukunft?

Gilt damit die Störerhaftung nun komplett abgeschafft, sodass der Anschlussinhaber oder W-LAN Betreiber nicht mehr für Rechtsverstöße durch Dritte haften muss?

Durch die etwaige Gleichstellung des W-LAN Betreibers mit der Rechtstellung eines Access-Providers (§ 8 TMG) bleibt es entgegen der Auffassung einiger Nachrichtenseiten bei gewissen Prüf- und Handlungspflichten und damit auch eingeschränkt bei der Störerhaftung.

So dürfte zwar für den Anschlussinhaber folgende Regelung nach § 7 Abs. 2 TMG gelten:

§ 7 Abs. 2 TMG

(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren.”

Doch trotz dieser Haftungserleichterung  sind dem Access-Provider derzeit auch solche Prüfpflichten auferlegt, die unterhalb der Schwelle zur aktiven Überwachungspflicht liegen. Er kann dann zur Haftung herangezogen werden, wenn der eigentliche „Täter“ bzw. die Beteiligten, die unmittelbar für den Rechtsverstoß verantwortlich sind, nicht erreichbar sind oder ermittelt werden können. Zu denken ist diesbezüglich auch an den Seitenbetreiber, der sich aber in der Regel von der Haftung freisprechen dürfte. Jedenfalls muss auch nach der angesprochenen Gesetzesänderung das W-LAN Netzwerk angemessen gegen den Zugriff von Unberechtigten gesichert sein und bei klar erkennbaren Rechtsverstößen eingeschritten werden.

Es bleibt somit bei bestimmten Verpflichtungen des W-LAN Betreibers. Die Störerhaftung ist also nicht abgeschafft. Auch stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht weitere Sonderregelungen auf Druck der Film- und Musikindustrie in die neue Vorschrift einfließen werden. Aber hierfür muss erstmal der finale Gesetzesentwurf abgewartet werden. Solange bleibt es bei Spekulationen. Der bekannte Medienrechtsanwalt Christian Solmecke rät daher auch weiterhin davon ab, das W-LAN ohne rechtliche Absicherung für die Allgemeinheit freizugeben.

Eines ist jedoch jetzt schon klar: Diese Verlagerung der Haftung wird auch zu neuen Risiken führen.

Könnte sich der W-LAN Betreiber zukünftig von seiner Haftung freisprechen und sind ihm keine anlasslosen Belehrungs- und Überwachungspflichten zumutbar, so kann die neue Rechtslage als eine Art „Freifahrtsschein“ für das illegale Filesharing angesehen werden. Frei nach dem Motto: Es muss ja keiner dafür geradestehen. Die Frage sei erlaubt, ob bald wieder die Leitungen zu den Tauschbörsen und illegalen Streaming-Angeboten in den Kinderzimmern oder den Räumen im Studentenwohnheim glühen werden?

Durch die angestrebte Haftungsprivilegierung des Anschlussinhabers entstehen viele technische Gefahren und Risiken. Wenn der W-LAN- bzw. Freifunk-Betreiber oder auch der Serveradmin zukünftig nicht mehr genau „hinsehen“ muss, welche Möglichkeiten und Gefahren ergäben sich daraus? Nicht nur, dass das illegale Filesharing wieder aufblühen dürfte, sondern vielmehr könnten mit sinkenden Anforderungen an die IT-Sicherheit, Protokollierung und Prüfpflichten die ungewollten Sicherheitslücken und Hacking-Attacken weiter zunehmen. Und muss dann nicht doch wieder der Netzwerk-Betreiber oder Anschlussinhaber für solche Schäden haften?

Auf der einen Seite werden ein besseres Datenschutzkonzept und größere Sicherheitsvorkehrungen bei WhatsApp oder in den sozialen Netzwerken gefordert, auf der anderen Seite darf sich folglich keiner mehr beschweren, wenn er beim Surfen im öffentlichen WiFi-Netz oder im Café gehackt und seine Daten geklaut werden. Und wer in der Öffentlichkeit in einem fremden Netzwerk über sein Smartphone oder Laptop auch noch Online-Banking vornimmt, der sollte wissen, was im schlimmsten Falle alles passieren kann.

Riesige finanzielle Einbußen haben die Film- und Musikindustrie ohnehin bereits seit Jahren, die weiter unter dem Filesharing und illegalen Streaming-Angeboten leiden. Und das trotz vieler Anbieter wie Netflix, Amazon Prime oder Watchever, die mit attraktiven Preisen oder guten Angeboten die neuesten Serien und Filme teilweise sogar vor dem Verkaufsstart in die heimischen Wohnzimmer der Kunden für wenige Euros im Monat bringen. Aber wer sich lieber stattdessen eine illegale Kopie in schlechter Qualität oder mittels Videomitschnitt aus dem Kinosaal im Netz besorgt, statt sich für 3 bis 5 Euro den Film in HD für 24 Stunden zu leihen, der begeht nach wie vor eine Straftat. Auch wenn die Kampagnen für die Stärkung der Urheberechte mittlerweile rar geworden sind.

Insgesamt dürfte angesichts von der zu erwartenden Lobby-Arbeit wie auch Einflüssen der EU das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Vielleicht kommt es am Ende auch zu einem „faulen Kompromiss“, der alles andere als Rechtssicherheit bringt. Und auch die Gerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und der BGH werden ihrerseits dazu beitragen, die Verantwortung für Rechtsverstöße nicht ins Leere laufen zu lassen.

Beitrag bewerten: 1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)
Loading...