Ein führender Buchversender führt ca. 18.000 Fachbücher unter dem Suchbegriff „Social Media“. Im Vergleich dazu: Unter „Rechtswissenschaft“ werden gerade einmal 3.836 Treffer in derselben Kategorie angezeigt. Dabei denken die Unternehmen und Selbstständigen erst seit wenigen Jahren an das Social Media Marketing. Und trotz – oder gerade wegen – der vergleichsweise kurzen Geschichte lässt sich das „Social Media Marketing“ gut verkaufen.
Dank der in den letzten Jahren rasant an Bedeutung gewonnenen sozialen Netzwerke bietet sich eine nie dagewesene Option für Unternehmer & Werber, Produkte und Brands direkt gegenüber den Kunden (Usern) zu bewerben und gleichzeitig Feedback zu erhalten. Die Werbung vervielfältigt sich zu außergewöhnlichen Videos, kreativen Bildern, Gewinnspielen und sonstige Ads und Kampagnen. Häufig gestalten die User aktiv mit, teilen und verbreiten die neusten Trends und „liken“ und/oder kommentieren diese. Schnell lassen sich neue Kunden gewinnen, frische Produkte präsentieren und die Bekanntheit der Marke dank der immensen Geschwindigkeit über die nationalen Grenzen hinaus steigern. Voraussetzung dafür sind unter Anderem das Kommunikationsgeschick, zeitgemäßes Content Marketing, kreative und exklusive Inhalte, die einen Mehrwert liefern, sowie Trends. Diese und weitere Faktoren stehen in jedem Fachbuch oder den aufwendigen Powerpoint Präsentationen unzähliger PR-Agenturen.
Man könnte fast meinen: Jedes Unternehmen nutzt Facebook und Co, um auf sich Aufmerksam zu machen und wer nicht dabei ist, der existiert nicht.
Dies wirft ein paar (juristische) und strukturelle Fragen auf.
Ist das Social Media Marketing wirklich so einfach zu steuern und damit nachhaltiger Erfolg zu erreichen?
Im vergangen Jahr wurde uns oftmals ein anderes Bild vermittelt. Ungeschickte Aktionen und Äußerungen von Unternehmen sowie negatives Feedback der Kunden entwickelten schnell eine spürbare Eigendynamik. Unter Mitwirkung der sozialen Netzwerke beschleunigte sich die ablehnende Meinung und wuchs nicht selten zu einem brenzligen Ausmaß für den Verursacher an. Beispielweise geriet ein Modelabel aus den USA unter die Räder und innerhalb weniger Tage wurde ein jahrelang erkämpftes Image beschädigt. Von einer Meinungswelle (und Anti-Kampagnen) musste sich ein Telekommunikationsanbieter mit zehntausenden negativen Beiträgen innerhalb kurzer Zeit überrollen lassen. Damit war der Begriff des „Shitstorm“ in der breiten Gesellschaft hierzulande angekommen.
Neben einer technischen Abhängigkeit besteht auch eine rechtliche Abhängigkeit des werbenden Unternehmens zu jener Plattform, auf welcher es Social Media Marketing betreibt. Veränderte (rechtliche) Rahmenbedingungen, technische Neuerungen und natürlich auch die vom User selbst beeinflussten Reaktionen und Trends sorgen zwar für einen vermeintlichen Fortschritt und Wettbewerb, bedeuten aber auch für das werbende Unternehmen eine massive Planungsunsicherheit, ständiges Monitoring und dem Benutzerfluss innewohnenden Gefahren des Kontrollverlusts über die eigene Marke. Nur ein (gutes) Social Media Marketing mit den richtigen Instrumenten kann hiervor schützen. Unternehmen sollten daher mehr Zeit und Ressourcen in diesen Bereich investieren oder sich externe Agenturen suchen. Das ROI ist hier im Gegensatz zur Werbung in TV und Print noch eher festzustellen und überschaubar.
Schließlich haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt, wie wichtig es gerade ist, am Puls der Zeit mit den Kampagnen und Aktivitäten zu agieren. Einfallslose „Like-Kampagnen“ reichen eben nicht mehr aus.
Welche Priorität hat das Social Media Marketing in Unternehmen? Wie viel Macht hat das Social Media Management im Unternehmen?
Denn eines ist klar: Durch eigene Facebook Fansites und aktive Werbung im sozialen Netzwerk, bietet das handelnde Unternehmen auch eine ständige Erreichbarkeit an. Dem virtuelle Briefkasten sei Dank, wird das Unternehmen ständig von Kunden mit Anfragen, Beschwerden oder sonstiges Feedback konfrontiert.
Dadurch muss die Social Media Abteilung oder zumindest der Social Media Manager, der die facebook-Fansite und weitere etwaige Online-Aktivitäten wie z.B. twitter und Google+ verwaltet, nicht nur regelmäßig und idealerweise innerhalb weniger Stunden die Nachrichten und Anfragen der Nutzer lesen, weiterleiten und sollte sie auch beantworten. Denn dieser Kommunikation kann gemeinhin als rechtsverbindlich wie die E-Mail gelten. Damit können sogar Kündigungen von Verträgen oder der Widerruf gegenüber dem Unternehmen erklärt werden. Folglich gilt dieser Nachricht juristisch dann als zugegangen und entfaltet sich unter Umständen, wenn man eben die Rechtsverbindlichkeit dieses Kommunikationsweges annimmt.
Da das Social Media Management oder die Marketing-Abteilung aber wohl kaum aus Juristen besteht und in einem größeren Unternehmen auch sicherlich nicht der staubigen Juristen-Abteilung aus dem oberen Stockwerk unterstellt ist, müssen die Nachrichten dann immer an die entsprechenden Stellen schleunigst weitergeleitet werden innerhalb des Unternehmens. Schließlich läuft die Zeit zu Lasten des Unternehmens und im Gegensatz zur Briefpost, die ruhig mal Tage durch Deutschland transportiert wird und auch über den Empfang läuft, erwartet der Nutzer innerhalb weniger Stunden eine Antwort und am besten sogar rechtsverbindliches Feedback vom Unternehmen. Vodafone beantwortet bei Fragen zum Vertrag (Vertragsverlängerung) selbst am Wochenende oder nachts innerhalb von 4-5 Stunden rechtsverbindlich die Anfragen des Nutzers, muss also innerhalb dieser kurzen Zeit die Möglichkeiten intern abgesprochen und die Erlaubnis dieser Antwort eingeholt haben.
Deshalb dürfte der Social Media Manager bzw. die Marketing-Abteilung recht hohe Befugnisse innerhalb des Unternehmens haben, da es mit anderen Abteilungen im ständigen Austausch stehen und bei Kündigungen oder wichtigen juristischen Anliegen sogar mit hoher Priorität agieren muss.
Wurde die Marketing-Abteilung noch vor Jahren belächelt, hat sie bei der derzeitigen Situation vor allem bei größeren Unternehmen wie beispielsweise Vodafone, DHL, die Deutsche Bahn oder in Hamburger beim HVV und auch bekannten Online-Shops eine bedeutende Stellung innerhalb der Organisation und viel Macht im Unternehmen.
Im Umkehrschluss heißt es aber auch: Wer aktives Social Media Marketing betreibt und sein Unternehmen kundenfreundlich auf Facebook und Co. darstellt, muss diese notwendige Unternehmensstruktur schaffen und dem Social Media Manager jene Befugnisse verleihen. Andernfalls entsteht juristisch und insbesondere in Puncto Kundenfreundlichkeit und Service eine gravierende Lücke, die Risiken verschiedener Art birgt und sogar Shitstorms und negatives Feedback fördert.