Generation „like(n)“

Als Florian Illies im Jahre 2000 mit dem Buch “Generation Golf” in Deutschland diese Begrifflichkeit salon- und „mainstream“-fähig werden ließ, folgten weitere und vermeintlich kluge Fortsetzung eines solchen Titels, derer sich zur Beschreibung eines Massenphänomens bedient wurde. Mir persönlich begegneten unter anderem „Generation iPod“, „Generation facebook“..usw. Nun möchte ich mich hier einmal anreihen und für den folgenden Beitrag den Titel „Generation like(n)“ aufgreifen.

In den vergangenen Wochen und Monaten musste ich nach exzessivem Selbstversuch feststellen, wie sich über die allseits bekannte und geliebte Plattform facebook der Trend entwickelt(e), einfach mal alles, was irgendwie lustig oder nett oder cool zu sein scheint, zu „liken“. Egal ob eine Webseite, ein vorgestellter Link zu einem guten Artikel, der „gute Morgen“ Status oder das Foto von besoffenen Freunden in einer Diskothek. Alles dies wird irgendwie anscheinend von den Usern gemocht.
Gegensätzliche Empfindungen und Emotionen wie die Trauer, ein kritischer Blick oder – die auch menschliche Eigenart der – Abneigung sind von der Plattform verbannt. Die Gründe hierfür sind offenkundig und auch gewissermaßen verständlich, soll doch der Hass, die Kritik und Abneigung von der Seite verbannt werden, um negative Stimmungsmache zu vermeiden. Auch werden so etwaige Gefahren von Auseinandersetzungen im Kein erstickt.

Aber kann sich der Mensch nur auf positive Empfindungen reduzieren? Kann sich der Mensch auf solche beschränkt überhaupt ehrlich und komplett ausdrücken? Und: Glauben wir das?

Also ich persönlich glaube es nicht. Meines Erachtens ist es bedauerlich, wenn sich die Gedanken und Emotionen auf eine solch schmale Bandbreite zu beschränken haben. Aber in der typischen amerikanischen Gedankenwelt, die sich wohl nur auf „yes or no“ , „do or die“ oder „black or white“ bezieht und in dieser Einordnung lebt, gibt es wohl anscheinend kaum Platz für all jenes, was sich zwischen den beiden Polen befindet. Dabei liegt doch gerade hierin der Reiz der Ambivalenz der Worte und des Handelns.

Insgesamt entsteht bei mir persönlich der Eindruck als würde sich als Folge der technischen Weiterentwicklung und den genannten Aspekten der Angebote wie Facebook die Kommunikation zwischen Menschen auf wenige Zeichen (twitter oder SMS) und der „yes or no“ Ordnung reduzieren. Wie ein Binärcode, der bekanntlich auch nur aus 1 oder 0 besteht, erstreckt sich dieses unsichtbare Gitter über das komplette Umfeld und Dasein.

Mangels Zeit, Auswahlmöglichkeiten und eingeräumten Platz, sowohl in technischer als auch physischer Hinsicht besteht der Meinungs- und Gedankenaustausch nur noch aus wenigen Zeichen. Untermauert werden diese durch Abkürzungen, die schon fast den Einzug im Duden feiern können und Smileys.

Letztere sind doch eine ideale Empfindung. Mit 2 oder 3 Zeichen (wobei die „2 Zeichen Smiley-Tipper“ eher die cooleren sind) kann eine gesamte Emotion ausgedrückt werden. Statt dem Warum, Weshalb und Was… sind es 2 bzw. 3 Symbole, die sich in 1 Sekunde tippen lassen und sofort einen guten Eindruck vermitteln. Man braucht schon gar nicht mehr nach den Gründen der Stimmung nachfragen. Das erspart uns allen doch Zeit. Ein Glückwunsch an den Erfinder der Smileys.

Aber ist es nicht so, dass sich der Mensch seiner Intelligenz dadurch beraubt, dass er sein Ausdrucksvermögen auf kurze Buchstaben und Zeichen reduziert? Früher zeichneten sich die Großen Dichter und Denker aus, wenn sie seitenlang bildhaft und symbolisch eine Emotion oder eine Situationen ausdrückten mit einem mittlerweile fast unerreichbaren Wortschatz. Heute sind es die kleinen gelben Kreise am Ende der Nachricht. Mehr nicht?!

Also ich finde das Langweilig. Klar es wäre jetzt gelogen zu behaupten, dass diese Stilmittel gänzlich überflüssig sind, sie erfüllen ihre Zwecke. Mehr aber auch nicht. Aber ich persönlich möchte mich mit interessanten Menschen austauschen, tiefgründige Gespräche führen – am besten vis à vis –  oder von mir aus auch via E-Mail kommunizieren. Aber alles bitte, um mehr als nur 5 Buchstaben zu erfahren.

Leider scheinen diese Differenzierung schier unmöglich und eine Anpassung notwendig.

Neuerdings übrigens gibt es einen „Trend“, zumindest bin ich öfters darüber in letzter Zeit gestolpert, dass Artikel auf Webseiten einen „TL;DR“ Absatz haben muss. Die Abkürzung steht für „too long, didn´t read“ (http://www.sebbi.de/archives/2009/01/23/wortsammlung-tldr/) und soll ausdrücken, dass dem Leser der Text zu lang ist. Daher führen gewisse Medien einen letzten Absatz ein, der quasi in 2 Sätzen den Inhalt wiedergibt. Im Grunde ist das ja nicht neues, denn die bekannten Presseangebote im Internet haben seit Jahren einen Teaser bzw. einen ersten Absatz, der in 2-3 Sätzen den Artikel beschreibt und über die Nachricht informiert.

Aber jetzt zwingend einen Artikel auf 2 Sätze oder die ominösen 160 Zeichen zu kürzen, um den so beschäftigten Leser heutzutage nicht mit zu viel Informationen zu belasten, ist doch sehr bedenklich.

Bedenklich wäre es im Übrigen auch, wenn der gemeine Leser schon nach dem 2. Absatz dieses Eintrags abgesprungen ist, aber daran kann ich wohl nichts ändern. Entweder es geht ein gewisses Interesse an Gedanken und Worten des Anderen aus oder eben nicht. Mist nun habe ich mich schon selbst bei dieser „do or die“ Zwickmühle ertappt.

Wie dem auch sei, es sollte jedenfalls ein kleiner Gedankenanstoß von diesem Text ausgehen und uns alles in Erinnerungen rufen, dass wir doch nicht wirklich zufrieden sind mit 160 Zeichen oder?!