Das OLG München (OLG München, Urt. v. 17.03.2016, Az. 29 U 368/16) hält die BILD-Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ aus dem letzten Jahr entgegen der Auffassung des LG München in erster Instanz für unzulässig. Nach Auffassung des Gerichts habe das Foto der Antragstellerin keinerlei Mehrwert. Die Veröffentlichung der Inhalte der Antragstellerin in der beanstandeten Form sei somit rechtswidrig.
Die BILD veröffentlichte Ende Oktober 2015 in der Print-Ausgabe sowie auf der Web-Präsenz die großflächige Kampagne „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“. Gezeigt wurden 40 Personen aus den sozialen Netzwerken jeweils mit Profilfoto und persönlicher Meinungsäußerung, die sich in hetzerischer und anstößiger Weise mit der Flüchtlingskrise befasst – so wie es tagtäglich bei Facebook oder twitter zu beobachten ist. Mit dieser Berichterstattung wollte sich das schlagkräftigste Blatt des Berliner Axel Springer Verlags in die Debatte um die Hetze in den sozialen Netzwerken gegenüber politisch Verfolgten und Minderheiten einklinken und exemplarisch einige „Hetzer“ einer Strafverfolgung aussetzen. Immerhin war der Abdruck der krassen Aussagen nicht nur an die Bevölkerung, sondern auch ausdrücklich an die Staatsanwaltschaft gerichtet mit der Bitte um Einschreiten.
Eine der namentlich genannten und abgebildeten Personen hatte sich daraufhin gerichtlich – im einstweiligen Rechtsschutz – gegen die Abbildung ihres Fotos bzw. Textes gewehrt. Doch sie kassierte vor dem Landgericht München I sodann im Januar eine Niederlage (LG München I, Urt. v. 10.12.2015, Az. 7 O 20028/15). Das damalige Gericht sah die Antragstellerin nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I, 1 I GG) verletzt. Einige bekannte Medienrechtler „beschworen“ bereits zuvor die Rechtsmäßigkeit dieser Aktion der BILD trotz einiger Bedenken. Schließlich gab es eine Vielzahl an Argumenten für die Seite der Presse, jedoch auch einige Kritikpunkte.
Vor wenigen Tagen hatte nun das OLG München (OLG München, Urt. v. 17.03.2016, Az. 29 U 368/16) in der Berufung hierüber zu entscheiden und gelangte nun offensichtlich zu einem anderen Ergebnis. Demgemäß erachteten die Richter die streitgegenständliche BILD-Kampagne hinsichtlich der Veröffentlichung und Verbreitung des Profilfotos der Antragstellerin im konkreten Einzelfall für rechtswidrig. So sei sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Denn die Darstellung des Fotos der Frau sei ein intensiver Eingriff in ihre Rechte, insbesondere schaffe das Lichtbild im Kontext der Berichterstattung über ihre Meinungskundgabe auf Facebook keinen Mehrwert.
Anders (und in gebotener Vorsicht) formuliert: Der gesamte Artikel und die Wiedergabe der Aussage der Frau auf der Seite des sozialen Netzwerks wären wohl auch mit einem verpixelten Foto ausgekommen. Die Erkennbarkeit der Frau anhand des Bildes habe nur geringen – oder gar keinen? – Einfluss auf den redaktionellen Inhalt und dessen Aussagegehalt. Folglich soll das Interesse der Betroffenen überwiegen.
Wie kam es zu dem völlig anderen Ausgang?
Wie der Rechtsanwalt der Antragstellerin auf seiner Homepage mitteilte, seien die Richter in der mündlichen Verhandlung gar nicht auf die zahlreichen urheberechtlichen Vorschriften eingegangen, die möglicherweise aus urheberrechtlicher Sichtweise die Veröffentlichung und Verbreitung des Lichtbildes der Antragstellerin durch die Presse erlaube. Es wurde allein „das“ Presserecht geprüft, also die übliche einzelfallbezogene Interessenabwägung beider Parteien vorgenommen. Hierbei fließen verschiedene Umstände des konkreten Falls ein, die es zu berücksichtigen gilt.
Über die genauen Argumente und Ausführungen des Gerichts wird wohl noch in naher Zukunft zu diskutieren sein, wenn und soweit sie für die Öffentlichkeit nachzulesen sind. Gleiches gilt der Frage, ob die Berichterstattung bei Verwendung von verpixelten Bildern bei gleichzeitiger Nennung des vollständigen Klarnamens nun rechtmäßig gewesen wäre, also allein die Erkennbarkeit der Person den Ausschlag gab.
Wie geht es jetzt weiter? Eine Revision gegen diese Entscheidung ist ausgeschlossen. Die Anwälte der BILD haben aber bereits angekündigt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten und auf eine Klärung dieser (einer Grundsatzentscheidung anmutenden) Rechtsfragen zu beharren. Es ist also davon auszugehen, dass sich der Rechtstreit noch um einige Jahre weiter hinauszögert.
Warum die Entscheidung einige interessante Rechtsfragen beinhaltet, kann in einem früheren Artikel auf dieser Seite nachgelesen werden. Aber vielleicht gibt es bald weitere Erkenntnisse.