Keine strafbare Beleidigung! „Wollen Sie mich ficken?“ ist nicht strafbar, zumindest nicht wenn…

Bereits auf dem Schulhof sind Beleidigungen und Beschimpfungen unter den Kids und Jugendlichen Gang und Gäbe und auch in (politischen) Diskussionen neigen die Menschen oftmals auch dazu, scharfe Worte zu wählen.

Schnell wird der Betroffene dann mit der strafbaren Beleidigung nach § 185 StGB bzw. den allgemein als „Beleidigungsdelikte“ geltenden Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch (§§ 185 ff StGB) konfrontiert, insbesondere dann, wenn der Gegenüber ein Polizist, Staatsanwalt oder Staatsdiener ist. Dann wird oftmals auch bei einer einfachen wörtlichen Beleidigung eine Strafanzeige erstattet und ein Strafverfahren in Gang gesetzt.

Strafbare Beleidigung und Schmähkritik

Hierzulande haben sich die Gerichte recht häufig mit dem Vorwurf der strafbaren Beleidigung zu befassen, wenngleich sie auch teilweise nur eine Straftat neben anderen ist (z.B. auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruch, Körperverletzung usw). Die entscheidende Wortwahl muss sodann – jedenfalls in höherinstanzlichen Strafverfahren – vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetz (GG) ausgelegt und nach dem konkreten Umstand bemessen werden, in welchem sie getroffen wurde. Dabei ist jedes Wort für sich genommen zu betrachten, also auch zwischen „Du“ oder „Sie“ zu differenzieren, was zu teils belustigenden Ergebnissen führen kann. Ein Dieter Bohlen soll angeblich Polizisten duzen dürfen. Auch sind übertriebene Wortwahl im Kontext von Dialogen, Übertreibungen (im Rahmen von Kunst und Satire), weitere Stilmittel der Kommunikation (und Presse) sowie auch die Intention und Deutung der Worte aus Sicht des Aussagenden mit zu berücksichtigen. Eben Wort für Wort und Bild für Bild. Eine Strafbarkeit und Beurteilung hängt somit immer vom Einzelfall ab.

Bekannte Gerichtsentscheidungen zur Beleidigung

Formulierungen wie der „durchgeknallte Staatsanwalt“ (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, Az.: 1 BvR 2272/04) oder „Soldaten sind Mörder“ (BVerfG, Beschluss vom 25.08.94, Az: 2 BvR 1423/92) galt es schon vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu überprüfen und sollten (teilweise) als zulässig eingestuft werden, so dass entgegen der Auffassung vorheriger Gerichtsentscheidungen eben keine Straftat der Beleidigung nach § 185 StGB gegeben war.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit findet sich gemäß Art. 5 Abs. 2 GG unter Anderem in der so genannten Schranke der allgemeinen Gesetze, die jene einschränken können, also beispielsweise in den einschlägigen Normen aus dem Strafgesetzbuch (§§ 185 ff StGB). Natürlich auch in anderen einfachgesetzlichen Rechten des Betroffenen.

So ist die Kollektivbeleidigung allerdings nur bei eindeutigem Bezug zu „einer hinreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe“ anzuerkennen, woran es dann fehlt, je größer die möglicherweise betroffene Personengruppe ist und je ungenauer diese bezeichnet wird, wie beispielsweise bei der Bezeichnung „Cops“.

„Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266 ). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet“ (vgl. BVerfGE 93, 266 ).“ (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2015, Az. 1 BvR 1036/14„FCK CPS“)

Andere Formulierungen wie „Idiot“ oder „Arschloch“ als Formalbeleidigung oder aus dem Bereich der Schmähkritik, die die Herabstufung des Gegenübers, Kundgabe der Missachtung oder Verunglimpfung bedeuten, sind natürlich strafbar und unterfallen nicht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG. Der durch die Beleidigungsdelikte geschützte „persönliche Ehrschutz“ ist dann verletzt.

Freispruch: „Wollen Sie mich ficken“ ist keine Straftat

Ab und zu kommt es sodann in der Justiz zu interessanten, teils skurrilen Fällen, in denen sich die Richter mit grenzwidriger Wortwahl im Prozess wegen des Vorwurfs der Beleidigung usw. zu befassen haben.

Im einem aktuellen Fall hatte ein 71-Jähriger während einer Verkehrskontrolle gegenüber dem Polizisten die unschönen Worte geäußert: „Wollen Sie mich ficken? Haben Sie nichts anderes zu tun?“. Diese Beleidigung resultierte unter Anderem daraus, dass der Fahrer erst von dem Polizeibeamten mittels Verkehrskontrolle gestoppt wurde und dann noch einen Alkoholtest machen sollte. Da er nicht angeschnallt war und einen Atemalkoholtest mehrfach verweigerte, kontrollierten die Polizeibeamten das Fahrzeug etwas übergenau, woraufhin der Mann sodann ein wenig die Beherrschung verloren haben könnte mit den zitierten Worten. Es folgten die Strafanzeige, ein Strafverfahren und eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Neu-Ulm (Amtsgericht Neu-Ulm, AZ.: 5 CS 116 JS 5440/15).

Das Urteil war dann doch erwähnenswert: Der Richter des Amtsgerichts in Neu-Ulm folgte der Strafverteidigung des Angeklagten und sprach diesen frei. Denn angesichts der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG sei diese Äußerung dahingehend auszulegen, dass der Rentner mit dieser Formulierung nur darstellen wollte, sich durch den Vorgang der Polizei „schikaniert“ zu fühlen. Auch erinnere ihn das an seine Zeit bei der Bundeswehr, wo das F-Wort mal andere Bedeutung haben konnte.

Was lernen wir daraus? Eine Freche Wortwahl der Umgangssprache kann mit gut argumentierter Erklärung das Gericht überzeugen und zum Freispruch führen.

Die Entscheidung zum Nachlesen: Amtsgericht Neu-Ulm, AZ.: 5 CS 116 JS 5440/15