Ein Strafrichter aus Rostock ist durch ein Foto auf seinem persönlichen Facebook-Profil sowie weiteren Bemerkungen negativ aufgefallen, so dass der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr in der Revision die Besorgnis der Befangenheit annahm. Zukünftig sollten Richter also aufpassen, was sie privat im Internet veröffentlichen.
Das Themenfeld „Facebook und Arbeitsrecht“ füllt mittlerweile viele Bücher. Zahlreiche Entscheidungen deutscher Gerichte sind in den letzten Jahren ergangen, in denen beispielsweise die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen anstößiger Beiträge gegenüber dem Chef oder nach veröffentlichten Urlaubsfotos während einer angeblichen Krankschreibung für rechtmäßig erklärt worden sind. Aber auch mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit privat im Internet und somit auch auf Facebook oder Twitter surfen darf, beschäftigen sich die Juristen seit Jahren.
Doch nun hat sich diese Thematik um einen weiteren, kuriosen Fall aus dem Strafrecht erweitert: Ein Strafrichter am Landgericht Rostock sorgte mit umstrittenen Inhalten auf seinem privaten Facebook Account für Schlagzeilen und verspielte damit seine Reputation als unvoreingenommener Richter. Dies hat nicht nur für ihn Konsequenzen, sondern auch für die damaligen Angeklagten.
Denn wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einer erfolgreichen Revision nunmehr entschied (BGH, Az. 3 StR 482/15), wurde die Besorgnis der Befangenheit des Richters angenommen, weil sich dieser privat im Internet über die Angeklagten lustig machte.
Was war passiert? Der Richter soll sich unter anderem mit einem Foto in seinem Facebook Profil gezeigt haben, auf welchem er ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA.“ trug (JVA ist bekanntlich die Abkürzung für „Justizvollzugsanstalt“). Durch das „liken“ eines Kommentars unter diesem Bild und weiteren eigenen Kommentaren soll er seine Zustimmung ausgedrückt haben, wie das Gericht nun befand. Dabei war zu keinem Zeitpunkt umstritten, dass es sich um den Account des Richters handelte, da dieser in seinem Profil unter anderem sein Amt als Richter angegeben hatte.
In einem Prozess vor der 2. Großen Strafkammer des Landgericht Rostock unter der Leitung des fraglichen Richters wurden zwei Angeklagte im April letzten Jahres unter anderem wegen erpresserischen Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im vorangegangenen Ablehnungsgesuch nach § 24 Abs. 2 StPO im Rahmen des Prozesses hatten die Strafverteidiger noch keinen Erfolg. Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt mit der Begründung, das Foto entstamme der Privatsphäre des Richters und sei als „Witz“ einzustufen. Eine Stellungnahme hatte dieser dazu nicht abgegeben. Doch in der Revision vor dem BGH kam es zu der wegweisenden Entscheidung.
Wie der 3. Strafsenat des BGH befand, mache sich der Strafrichter einen Spaß auf Kosten der Angeklagten.
„Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. [..] Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“ (BGH, Az. 3 StR 482/15)
Auf Grund der erfolgreichen Revision der Strafverteidigung muss das Strafverfahren nun erneut verhandelt bzw. neu entschieden werden. Interessant ist außerdem, dass dieses Mal jedoch vor dem Landgericht Stralsund verhandelt wird, also die BGH Richter das Verfahren gleich an ein ganz anderes Gericht statt wie üblich nur an eine andere Kammer des Ausgangsgerichts verweisen.
Der Hamburger Strafverteidiger und Rechtsanwalt Dr. Böttner meint dazu:
„Bemerkenswert ist auch, dass der 3. Strafsenat des BGH das Verfahren nicht etwa an eine andere Kammer des Landgerichts Rostock verwiesen hat, sondern offenbar die Auffassung der Verteidigung teilt, dass die Angeklagten dort kein faires Verfahren erwartet, nachdem man am Landgericht durch Ablehnung des offensichtlich begründeten Befangenheitsantrages versucht hat „Schützenhilfe“ zu leisten. Der BGH hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zur neuen Tatsachenverhandlung an das LG Stralsund verwiesen. Eine solche Vorgehensweise ist eher selten.“
Laut Angaben des NDR soll die fragliche Facebook-Seite des Richters inzwischen gelöscht worden sein, was natürlich keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang des Verfahrens hat.
Auch wird der in die Kritik geratene Richter nicht sein Amt verlieren und hat auch keine dienstrechtlichen Folge zu befürchten, wie nun das Landgericht Rostock durch eine Sprecherin mitteilen ließ.
Welche Folgen können aus dieser Entscheidung entstehen?
Die meisten Strafverteidiger dürften diesen Erfolg begrüßen, wurde doch erstmals vom BGH deutlich gemacht, dass auch das „Privatleben“ eines Richters bei der Besorgnis der Befangenheit eine wesentliche Rolle spielen kann. Bisher bestand nur eine sehr geringe Erfolgschance beim Ablehnungsgesuch eines Richters. Strafverteidiger Dr. Böttner erkennt hierin eine eingeläutete Wende: „Es ist zu erwarten, dass zukünftig Befangenheitsanträge mit Substanz häufiger Erfolg haben werden.“
Zukünftig sollten sich die Richter hierzulande also achtsamer um ihre Privatsphäre geben und vor öffentlichen „Stammtisch-Meinungen“ hüten. Im Facebook-Zeitalter ist es daher umso wichtiger, auf die eigene Online-Reputation und etwaige Privatsphären-Einstellungen zu achten. Dies gilt selbstredend nicht nur für Richter oder Amtsträger.
Zudem ist dieser Fingerzeig des BGH in die Richtung des Landgerichts Rostock nicht ganz außer Acht zu lassen. Die Zurückweisung der Strafsache an ein ganz anderes Gericht lässt sich durchaus als Kritik an dem gesamten Gericht deuten.
Ein Gedanke zu „Rostocker Richter nach Facebook-Foto für befangen befunden“