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LG Hamburg untersagt Böhmermann die erneute Wiedergabe von Teilen des Gedichts

Während vielerorts noch über die vergangene ZDF „Neo Magazin Royale“-Sendung mit Jan Böhmermann und dessen neuesten „Coup“ (#verafake) diskutiert wird, musste der 35-jährige Journalist und Satiriker vor wenigen Stunden wegen des umstrittenen Gedichts „Schmähkritik“ eine erste juristische Niederlage hinnehmen. Wie geht es jetzt weiter?

Seit heute gibt es einen juristischen Erfolg für Recep Tayyip Erdogan. So konnte der türkische Staatspräsident nun durch seinen Rechtsanwalt Hubertus von Sprenger laut Medienberichten vor der Pressekammer am Landgericht (LG) Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann erwirken (LG Hamburg, Beschluss vom 17.05.2016, Az.: 324 O 255/16). Der Beschluss sieht unter anderem vor, dass dem Satiriker die erneute Wiedergabe weiter Teile des Gerichts untersagt wird.

Die Pressekammer am Landgericht Hamburg bewertet das fragliche Gedicht zwar in seiner Gesamtheit als Satire und sieht somit auch den Schutzbereich der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG)) eröffnet, betont jedoch, dass viele Passagen des Stückes einen schmähenden und ehrverletzenden Charakter haben, die das türkische Staatsoberhaupt nicht hinzunehmen brauche. Dabei nahm sich das Gericht im Rahmen der Interessenabwägung zwischen der Kunstfreiheit auf Seiten des TV-Moderators und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) des türkischen Staatspräsidenten augenscheinlich jede einzelne Zeile des Erdogan-Gedichts vor.

Einige wenige Textpassagen erachtet die Pressekammer sogar für zulässig, da diese sich mit Kritik an der politischen Person Erdogan und dessen Umgang mit der Meinungsfreiheit im eigenen Lande auseinandersetze und somit einen sachlichen Bezug habe. Dies fehle jedoch bei den Anspielungen auf rein sexuelle Handlungen des türkischen Staatsoberhaupts oder dessen Genitalien. Hier sei die Grenze der zulässigen Satire jedoch überschritten worden, wie es von viele Juristen (und auch in diesem Blog) vorhergesehen wurde.

Konkret heißt es in der heutigen Mitteilung des Pressekammer am LG Hamburg:

„In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handele bzw. die Menschenwürde angetastet werde.
Diese Grenze sei nach Auffassung der Kammer durch bestimmte Passagen des Gedichts überschritten, die schmähend und ehrverletzend seien. Zwar gelte für die Einkleidung eines satirischen Beitrages ein großzügiger Maßstab, dieser berechtige aber nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß.“

Und dies betrifft den überwiegenden Teil des Gedichts. Lediglich sechs Zeilen des Vortrags, wie z.B. „Sackdoof, feige und verklemmst, ist Erdogan, der Präsident“ werden für rechtlich haltbar befunden, wobei diese eher weniger im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Wie geht es weiter?

Nach der heutigen Entscheidung ist es Jan Böhmermann untersagt, die betreffenden Textzeilen des Gedichts abermals öffentlich wiederzugeben. Und zwar gleich, ob in einer TV- oder Radio-Sendung oder z.B. auf seiner privaten Facebook-Seite. Denn in der Praxis wird regelmäßig für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine solche einstweilige Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro, andernfalls eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht. Verstößt der unterliegende Antragsgegner gegen die einstweilige Verfügung, indem er die ihm versagte Äußerung wiedergibt oder verbreitet, muss er ab sofort damit rechnen, auf die Zahlung eines solchen Ordnungsgeldes in Anspruch genommen zu werden. Eine solche Regelung soll auch in dem Beschluss des LG Hamburgs enthalten sein.

Ist der juristische Kampf nun bereits in der ersten Runde entschieden? Wahrscheinlich nicht, wenn man den Worten von Böhmermanns Anwalt Christian Schertz Glauben schenken mag. Dieser kritisierte bereits öffentlich die Herangehensweise des Gerichts, einzelne Sätze des „Werks“ als solche und nicht das Gedicht als Einheit sowie im Kontext der Sendung zu betrachten. Diese Argumentation dürfte angesichts des überwiegenden Teils der von der Kammer für unzulässig erachteten Textpassagen wenig erfolgsversprechend sein. Auch zeigt gerade die vom Gericht vorgenommene Interessenabwägung unter Berücksichtigung jedes einzelnen Satzes mit aller Deutlichkeit, wie umfassend sich das Gericht mit den Rechten beider Seiten auseinandergesetzt haben muss. Von einer übereilten, fehlerhaften Bewertung des streitgegenständlichen Vortrags kann wohl keine Rede sein.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Jan Böhmermann kann gegen die Verfügung noch Widerspruch einlegen, woraufhin das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung über die Sache zu entscheiden hat. Es ist aber ungewiss, ob die Kammer dann zu einem anderen Ergebnis gelangen wird. Dass sich dort der türkische Präsident jedoch selbst blicken lässt, ist äußerst unwahrscheinlich.

Aber auch im strafrechtlichen Sinne droht Jan Böhmermann noch weiteres Ungemach. So sind über hundert Strafanzeigen gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingegangen. Diese ermittelt unter anderem wegen den Straftatbestand nach § 103 Strafgesetzbuch (StGB) wegen der etwaigen Beleidigung des türkischen Staatsoberhauptes. Die Ermächtigung zur strafrechtlichen Ermittlung hatte die Bundesregierung der zuständigen Staatsanwaltschaft trotz großer Kritik erteilt. Gleichwohl wird sogar vom Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) daran gedacht, die auch als „Majestätsbeleidigungs-Paragraphen“ bezeichnete Vorschrift des § 103 StGB spätestens zum 1. Januar 2018 aus dem Gesetz zu streichen. Doch wäre dieser Schritt vielleicht nicht der richtige, wie manch Strafrechtler meint. Es bleibt aber erst einmal abzuwarten, ob es überhaupt zu einer Anklage kommt.

Bildquelle: ZDF / zdf.de

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