Datenschutz beim Smart-TV: Die elektronische Überwachung des Wohnzimmers durch Microsoft, SAMSUNG und Barbie-Puppen – Eine bedrohliche Zukunftsvision

Selten passte der Vergleich mit George Orwells „1984“ wie zurzeit. Denn während Winston Smith beim morgendlichen Sport vor dem telescreen beobachtet wird, speichern Microsoft, SAMSUNG und Co. schon heute unser Fernsehprogramm und jedes gesprochene Wort. Und die Menschen tragen freiwillig die elektronischen Spione in der Hand.

Die technische Entwicklung – das heißt die von der Industrie technisch umsetzbaren Neuerungen, die anschließend durch geschicktes Marketing zu „gewünschten Nutzeranforderungen“ umgedeutet, oktroyiert und implementiert werden – bringt uns seit 2-3 Jahren das so genannte Smart-TV ins Wohnzimmer. Insbesondere die modernen Fernsehgeräte von SAMSUNG mit eingebauter Front-Kamera für etwaige Skype-Sessions, Spiele oder Sport-Apps führen uns wieder einmal vor Augen, welche Gefahren dem Individuum und letztlich der Gesellschaft drohen.

Längst kein Roman mehr: George Orwell 1984 ist Alltag
Längst keine Vision mehr: George Orwell „1984“ ist Alltag

Einst noch in Romanen und Kinofilmen belächelt, holen „wir“ uns nun die Überwachungstechnologie Stück für Stück ins Haus. Die neuesten elektronischen Geräte dieser Branche sind sprachgesteuert, reagieren auf Gestik und surfen selbst im abgeschalteten Modus im Internet weiter, sofern man nicht den Stecker zieht.

In jedem Fall liefern die an das Internet angeschlossenen Fernseher den Herstellern zahlreiche personenbezogene Daten wie die IP-Adresse des Nutzers und beispielsweise besuchte Webseiten und Apps und wohlmöglich auch die betrachteten Fernsehprogramme (so genanntes Nutzerverhalten). So können exakte (zumindest anonymisierte) Profile des Kunden erstellt werden, was für die Nutzerauswertung(-ausbeutung) in Hinsicht auf Werbung und sonstige Marketing-Methoden Goldwert ist. Und das häufig in mehrfacher Art: denn unter Umständen (vermutlich zumeist) sammelt und speichert nicht nur der Gerätehersteller diese Daten, sondern auch weitere „Zwischenhändler“ wie z.B. Google bei Geräten mit dem Android Betriebssystem. Dieselben Möglichkeiten besitzen beispielsweise Google mit dem Chromecast sowie Amazon mit dem Amazon Firestick, weswegen diese Geräte in der Regel günstig zu kaufen sind.

Dabei ist die Thematik nicht einmal neu. Bereits 2013 ließ Microsoft die XBOX One Kinect mit einer Kamera ausstatten, um vergleichbar mit den stärksten Konkurrenten wie SONY mit der Playstation oder die Nintendo Wii diverse Games anzubieten, die die meisten von lustigen Partyrunden kennen dürften. Der Spieler kann mittels Spielekonsole am Fernseher z.B. Golf oder Tennis spielen gegen den Computer oder andere Mitspieler oder nach Punkten tanzen bei „dancestar“ oder „justdance“. Hierfür wird idealerweise dann eine Kamera benötigt, die die Bewegungen des Spielers bemisst.

Schnell sickerten Infos zu „Datenschutzproblemen bei der Xbox One Kinect“ durch die Medien, dass Microsoft sich möglicherweise das Recht in versteckten Nutzungsbedingungen einräumen ließ, die Geräte auch für die Auswertung des Nutzerverhaltens und letztlich für Werbezwecke nutzen zu dürfen. Zur Funktionsweise: Die Kamera und auch das Mikrofon sammeln sämtliche Daten, die über das Internet an die Server von Microsoft in den USA übermittelt werden. Anhand von Geräuschen, Bewegungen und weiteren Techniken wie z.B. Gesichtserkennung vereint kann folglich zugeordnet werden, welche Person, welcher Altersgruppe und welchen Geschlechts zugehörig wie viele Stunden im Zimmer sitzt, welches Programm dabei anschaut oder allgemein wie die Person auf gewisse Umstände reagiert. Sogar Emotionen sollen grob erkennt werden können. Und angesichts der rasanten Zunahme an technischen Finessen ist viel Spielraum nach oben offen. Wer weiß, vielleicht können sogar mit feiner „Terminator“-Fähigkeit menschliche Bedürfnisse wie Hunger oder Fieber allein durch diese Instrumente erkannt und ausgewertet werden.

Doch Microsoft soll dann zurückgerudert sein? Und es bleibt ja jedem selbst überlassen, diese Geräte (nicht) zu kaufen oder die Front-Kamera mit einem Klebestreifen abzudecken.

Dies sei auch ratsam, wie es in einem ARD „plusminus“ Beitrag heißt. Dort wurde aufgezeigt, wie leicht sich Hacker in den Smart-TV Fernseher einhacken und beispielsweise die Front-Kamera aktivieren können, ohne dass es der Nutzer mitbekommt.

Big Brother is watching (and hearing) you

Damit noch nicht genug. Denn wie eingangs beschrieben arbeiten mittlerweile auch die Smart-TV Geräte größerer Hersteller auf ähnliche Weise.

Die Datenschützer in Deutschland werfen bereits seit einiger Zeit ihr „kritisches Auge“ auf diese modernen TV-Geräte und haben jüngst eine umfangreiche Orientierungshilfe „zu den Datenschutzanforderungen an Smart-TV Dienste“ veröffentlicht, die im Rahmen der Sitzung des Düsseldorfer Kreises am 15. / 16. September 2015 beschlossen wurde und sich sowohl an Gerätehersteller als auch App-Anbieter richtet.

Dieses Arbeitspapier stellt nicht nur die rechtliche Bewertung von Smart-TV und hbbTV dar, sondern enthält auch konkrete Vorgaben hinsichtlich der Einwilligung des Nutzers nach § 4a BDSG sowie § 13 Abs. 2, 3 TMG im Falle der Reichweitenmessung des Nutzers (S. 16-17). Diese Vorlage soll sicherstellen, dass sich zukünftig Betreiber und Hersteller von Smart-TV an die deutsche Rechtslage im Datenschutz hält.

Zudem wird auch die anonyme Nutzung von hbbTV gefordert:

„Im Ergebnis müssen die HbbTV-Anbieter als verantwortliche Stellen, ggf. in Kooperation mit den Geräteherstellern es dem Nutzer ermöglichen, anonym d.h. ohne dass personenbezogene Daten wie IP-Adressen und /oder Nutzungsdaten beim Einsatz von Verfahren zur Reichweitenmessung an den HbbTV Anbieter fließen fernsehen zu können“

Und auch die Verbraucherschutz-Zentrale NRW hat vor wenigen Tagen nach vorheriger Beanstandung nunmehr Klage gegen den südkoreanischen Elektronikkonzern SAMSUNG erhoben wegen des rechtlich bedenklichen Einsatzes von Smart-TV Geräten.

Konkret wird die fehlende oder unzureichende Einwilligung des Nutzers in die Erhebung bzw. Speicherung der personenbezogenen Daten kritisiert, denn das Gerät hat diese Einstellung von Werk an aktiviert. So sendet der Fernseher bereits personenbezogene Daten nach dem Einschalten. Ebenso sind die Datenschutzbestimmungen nur unzureichend transparent und verständlich:

„Für die Erhebung und Verwendung dieser Daten fehlt es nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW mangels Einwilligung der Nutzer jedoch an einer rechtlichen Grundlage. „Nutzern muss klar gemacht werden, dass – anders als bei den klassischen – bei den internetfähigen Fernsehgeräten schon nach dem ersten Anschließen und der Inbetriebnahme die Datenübertragung in Gang kommt“, so Schuldzinski. Die Verbraucherschützer wollen erreichen, dass Samsung vor der Nutzung der HbbTV-Funktion in verständlichen und gut wahrnehmbaren Datenschutzbestimmungen über die Erhebung und Verwendung von Daten informieren muss. Außerdem müsse erst eine entsprechende Zustimmung vorliegen, bevor es zu einer Übertragung von Daten kommt.“ (Vgl. Pressemeldung der Verbraucherschutzbehörde NRW).

„Spion im Kinderzimmer“ – die lauschende Barbie-Puppe

Wer glaubt, das sei bereits alles, irrt gewaltig! Selbst Mattel bietet seit kürzerem eine Version der Barbie Puppe mit dem Namen „Hello Barbie“ an, die über W-LAN mit dem Internet und den Cloud-Servern des Herstellers verbunden ist und sprachgesteuert wird. Dabei verwendet sie das Spracherkennungssystem ToyTalk. So reagiert die Barbie-Puppe auf die Spracheingabe und speichert auf diese Weise sämtliche aufgenommenen Geräusche auf diesen Servern. Was Hersteller und Werbe-Unternehmen damit für ein mächtiges Instrument in Händen liegt, sei der Fantasie des Lesers überlassen.

Der Hersteller erhielt dafür schon mal im April diesen Jahres vom Bürgerrechtsverein Digitalcourage diesen ungeliebten Big Brother“ -Award im Bereich Technik für die datenschutzrechtlich schlechteste (oder gefährlichste?) Technologie. Der Verein wies gleichzeitig auf die Gefahr hin, dass zukünftig noch weiteres Spielzeug im Kinderzimmer mit dieser Spionage-Technik ausgestattet werden wird.

…und bald auch im Auto

Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass diese Technologie weiterhin Verwendung findet und uns immer mehr im Alltag begleiten wird. Zu denken ist nicht nur an die herkömmlichen Eingabegeräte, wie Computer oder Smartphone, sondern auch an die in naher Zukunft erstmals rollenden selbstfahrenden Autos. Es ist auch kein Geheimnis, wie wichtig der moderne Automobilmarkt ist: Bereits Google versucht das Android System für Fahrzeuge immer mehr im Markt einzuführen. Aber nicht jeder Hersteller beugt sich dem, denn wie jüngst bekannt wurde, stattet Porsche die neueste Generation des Porsche 911 nicht mit Android-Technik aus, weil Google angeblich viel zu viele Verkehrs- und Nutzerdaten sammeln und an die Server übertragen soll. Zumal bereits die Datenschutzbehörden den Datenschutz bei den modernen Fahrzeugen prüfen, die z.B. durch eCall oder herstellereigene „smart“-Systeme ständig verknüpft sind und dabei personenbezogene Daten des Fahrers übertragen. Und dies nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern sicherlich mit mehreren Intentionen. Und bald stehen die „selbstfahrenden“ Autos auf dem Plan. Natürlich mischt Google da ganz vorne mit.

„Daten sind das neue Öl“

In dem derzeit in den Kinos laufenden Doku-Film „Democracy – Im Rausch der Daten“ von David Bernet, der die Entstehungsgeschichte der geplanten Datenschutz Grundverordnung der EU und den Machtkampf zwischen Politik und Wirtschaft in Brüssel eindrucksvoll aufzeigt, heißt es gleich zu Beginn: „Daten sind das neue Öl“. Personenbezogene Daten und solche Nutzerdaten, die sich für mehr als nur die Werbung von Technologieunternehmen und Industrie sammeln und auswerten lassen, sind die wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts und haben bereits die elementaren Rohstoffe wie Öl und Gas abgelöst. Wir profitieren von kostenlosen Angeboten im Internet, nutzen diese und sind gleichzeitig der Lieferant.

Aber seien wir mal ehrlich mit uns: Wir Nutzer sind doch selber „Mittäter“, wenn wir uns die Fitnessarmbänder ans Handgelenk legen, das Smartphone ständig dabei haben und unser Mittagsessen samt Position auf Facebook veröffentlichen, obgleich wir uns nur zu sehr gern in der „Opfer“-Rolle sehen wollen. Und inwieweit ein jeder von uns in welcher Rolle (Mittäter oder Opfer) mitspielt, kann er für sich selber entschieden? Falls man überhaupt noch eine Wahl hat.

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